MICK HARVEY "FIVE WAYS TO SAY GOODBYE" VS. LEDFOOT "OUTSIDERS" VS. THE HALO TREES "WHERE THE DEEP ENDS": WEHMUT IS IN THE AIR
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Eigentlich kann man Mick Harveys aktuelles Werk "Five Ways To Say Goodbye" nicht für sich betrachten, steht dieses Werk doch in einem größeren Kontext seines Schaffens, das 2005 mit "One Man's Treasure" begann. Mit einer Mischung aus Eigen- und Fremdkompositionen erschuf der Australier, der als Teil von Nick Cave & The Bad Seeds sowie Crime & The City Solution federführend in Sachen schwermütiger Musik aus dem Outback war, ein Art tönernes Tagebuch, bei dem die Hörerschaft auch ein Stück weit in Harveys persönlichen Gedanken blicken darf.
Gleich mal vorweg: "Five Ways To Say Goodbye" ist auch wieder ein typischer Harvey geworden. Aber es gibt dieses Mal einen Song, der alles überstrahlt. "A Suitcase In Berlin" basiert lose auf Marlene Dietrichs "Koffer in Berlin", doch wo die deutsche Diva jazzig angehaucht der deutschen Metropole eine nonchalante Liebeserklärung macht und das Mondäne dieser Stadt feiert, gilt Harveys Danksagung eher ihren dunklen Orten. Seine Huldigung an die deutsche Hauptstadt gleicht einem Moritat. Der Mann lebte selbst in Berlin, und zwar in den 80ern, als dieser Ort zum Schmelztigel großartiger Künstler geworden ist, die sich von der surrealistischen Atmosphäre einer, zur Hälfte, demokratisch regierten Mauerstadt umgeben von einem sozialistischen Land, inspirieren lassen wollten.
Die Wucht dieser Nummer macht fast etwas vergessen, dass der Mann auch intensive Songs wie "Heaven's Gate" erdacht hat. Aber auch "Like A Hurricane", das im Original von Neil Young stammt und bereits durch die breitbeinige Version von The Mission bereits früh in den Kanon klassischer Gruftie-Mucke eingpflegt wurde, bekommt durch die intime, extrem reduzierte Instrumentierung eine fast schon beklemmend einsame Note. Da verzeiht man ihm sogar, dass er arg plakativ den Song über Sturmgeräusche einspielen ließ.
"Five Ways To Say Goodbye" markiert das Ende einer musikalischen Reise, die vor rund 20 Jahren begann und den künstlerischen Werdegang eines Mannes widerspiegelt, der sich mit Leib und Seele dem Existenzialismus in der Popmusik gewidmet hat.
Weitaus weniger auffällig, weil doch mehr im Hintergrund agierend, aber nicht weniger bezaubernd und faszinierend in seiner Stahlkraft ist Scott Mcconnell alias Ledfoot. Der Amerikaner lebt seit den 1990ern in Norwegen, was sicherlich auch die Definition seiner musikalischen Ausdrucksform maßgeblich beeinflusste. In einem Land, das von lichtarmen Wintermonaten und Mitternachtssonnen im Sommer geprägt ist, ist die Stimmung auch eine andere. Sie scheint dem Mann, dessen Songs von Bruce Springsteen und Sheena Easton gecovert wurden, jedenfalls sehr dienlich bei der Ausübung seiner Kunst zu sein.
Seit "Outsiders", dem siebten Album, ist Ledfoot aber kein Ein-Mann-Unternehmen mehr, sondern eine Gruppe mit vier weiteren, nicht minder ambitionierten Musikern, die hörbar den Sound Mcconnells weiterentwickeln. Schon "Thunder And Rain" steckt die musikalische Richtung deutlich ab. Stilistisch bewegt sich dieses Stück auf einem schmalen Grat zwischen Rock und Country. Letztere Assoziation wird durch Ledfoots markante Stimme hervorgerufen, die in Tonlage und Timbre an Johnny Cash in seiner Spätphase erinnert.
Der Vergleich des Musikers mit dem legendären "Man in black" wird ihm sicherlich schmeicheln. Schließlich ist auch Ledfoot ein Mann, der das Dunkle liebt. Weiterhin bleibt sein Sound einer für die, wie es der Albumtitel sagt, "Outsiders", für diejenigen, die am Leben verzweifeln und unangepasst bleiben. Der Mann hätte auch in einer Gothic-Rock-Formation reüssieren können, doch "born and raised" in Florida, bleibt Mcconnell seinen amerikanischen Wurzeln treu, was ihn erst recht interessant macht.
Zunächst spielt er aber groß auf, gönnt sich bei "Destiny" fast schon barocke Klänge aus einer Hammond-Orgel. Doch bereits bei "Dead Is Dead" setzt er sein Lieblingsinstrument, die 12-saitige Slide-Gitarre, in Szene. Sie verleiht dem Song ein klassisches Desert-Rock-Feeling, das er auch bei "Turn Me Into You" weiter ausbaut und schlussendlich mit einer trockenen, straighten Rhythmusgruppe kreuzt, was "I'm The Outsider" zu einem unverschämt cool dahingroovenden Track macht. Den großen Gefühlsklumpen rollt Ledfoot mit "Old Brown Bar" heran. Ein bisschen Tom-Waits-Vagabundentum findet sich in dieser Nummer, wobei Ledfoot immer den Blick des neutralen Beobachter einnimmt.
Das in nur vier Tagen eingespielte Album lebt von der Live-Atmosphäre und den liebevoll erzählten Geschichten eines Mannes, der bis zum heutigen Tag immer noch zu wenig Beachtung für seine Kunst bekommen hat.
Über mangelnden Zuspruch kann sich Sascha Blach eigentlich nicht beklagen. Der umtriebige Musiker und Schriftsteller ist eine fest verankerte Größe in der Gothic-Szene, vor allem dank seiner markig-theatralen Rockband Eden Weint Im Grab. Seine großartige Wandelbarkeit zeigt sich vor allem in seiner Arbeit mit The Halo Trees, bei dem er in ruhiger, introvertierter Atmosphäre mit porös-sonrer Stimme die Fragen des Lebens aufwirft. Innerhalb des klassischen Rock-Instrumentariums findet sich auch eine Geige, wunderbar von Nora Nünning in Szene gesetzt. Sie verleiht den Songs eine elegische Tiefe.
In erster Linie, und da nimmt sich auch das dritte Album "Where The Deep Ends" nicht aus, haben wir es mit Vollblutrockern zu tun, die sehr genau wissen, was sie wollen: Musik machen im Spannungsfeld zwischen Nick Cave und Mark Lanegan. Gerade "Wrong Train" ist so ungemein eingängig und groovy (vor allem die Fuzz-Gitarren gegen Ende bilden einen perfekten Höhepunkt) und trägt die Idee des Textes von Rastlosigkeit und Getriebenheit problemlos.
Sein Hang zu sanftem Sarkasmus lebt Sascha bei "Happy Man" voll aus (nein, es handelt sich nicht um eine Coverversion des Songs von Covenant). Während er sich durch das widerholende "I'm a happy man" zu vergewissern versucht, dass er glücklich ist, bildet die ganze musikalische Untermalung das pure Gegenteil. In diesen Momenten sind The Halo Trees am stärksten.
Das dritte Album markiert eine Weiterentwicklung vor allem im Klang der Gruppe. Effekte wurden intensiver genutzt, bei "Apocalypse Somersaults" darf auch mal ein modulierter Synthesizer im Hintergrund vor sich hinlullern. Die Gitarren wurden auffällig oft in einen Panoramaklang eingebettet und hüpfen vom linken zum rechten Lautsprecher und wieder zurück. Das verleiht gerade "One Day We'll Be There" eine flirrende, sommerliche Leichtigkeit, obgleich der melancholische Impetus stets präsent bleibt.
Erneut gelingt es The Halo Trees, auf unaufgeregte Weise ein substantielles und tiefgründiges Album zu schaffen, das der Band noch mehr Zuspruch bescheren sollte. Zumindest gönnt man es ihnen, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 04.06.24 | KONTAKT | WEITER: VARIOUS ARTISTS "NO SONGS TOMORROW">
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COVER © MUTE (MICK HARVEY), TBC RECORDS (LEDFOOT), COP INTERNATIONAL (THE HALO TREES)
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