LEDFOOT "BLACK VALLEY" VS. VOYNA "THE CINVAT BRIDGE": KLASSISCHE SCHWARZMALEREI
Mit schöner Regelmäßigkeit greinen geschäftige Musik- und (Sub)Kulturbeobachter in ihren Pamphleten ob des vermeintlichen Stillstands in der Kunst. Was uns seit Beginn des neuen Jahrtausends aufgetischt werde, sei, nach deren fachkundiger Meinung, nur der x-te laue Aufguss revolutionärer Klänge von anno Tobak. In der Sache liegen sie da sicherlich nicht ganz falsch; revolutionäre Momente finden sich seit den 1990ern kaum noch, allenfalls szeneaffine Meilensteine. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass man jene Musiker und Musikerinnen, die in althergebrachten Stilistiken ihr Heil suchen, als per se einfallslos und langweilig abzustempeln.
Denn dann würde man einem Mann wie Tim Scott McConnell alias Ledfoot bitter unrecht tun. Der 1958er Jahrgang hat sich im Laufe seiner Karriere als Meister der 12-saitigen Gitarre hervorgetan. Seine Songs fanden via Coverversionen den Weg in die Masse. Am berühmtesten ist wohl "High Hopes", welches die meisten nur in der - weitaus mainstreamigeren - Variante von Bruce Springsteen aus dem Jahre 2013 her kennen. Den Song hat Ledfoot aber bereits 1985 geschrieben.
Es hat schon etwas von einem klassischen Western: Während andere sich mit der Vorarbeit Ledfoots schmücken und sich feiern lassen, zieht der einsame Held mit weißer Mähne und gegerbtem Gesicht weiter gen "Black Valley", einem Ort der begrabenen Träume von einer nicht enden wollenden Liebe. "Down in the black valley, where nobody goes, I left my true love, alone in the cold". Das ist die wenig hoffnungsvolle Szenerie, die uns der Mann mit seiner eindringlichen Stimme, die am ehesten mit dem gut gealterten Wayne Hussey von The Mission zu vergleichen ist, entfaltet. Bereits nach wenigen Sekunden wissen wir: Hier erzählt einer von sich und seinen Kämpfen.
Gothischer Blues, oder bluesiger Goth-Rock? Egal wie man das Kind nennen möchte: Es macht etwas mit einem. Spärlich arrangiert, offenbaren die Lieder den Songwriterfuchs Ledfoot, der ganz genau weiß, wie er die Texte vorzutragen hat und wie sie musikalisch getragen werden. Da rollt bei "Crossed My Heart" die Gitarre so fordernd wie ein Basslauf, während "Take Away The Hurt" den staubigen Wüstensound via klassisch slidiger Saitenbearbeitung zelebriert. Und auch "Without Love" wirkt wie die Memoiren eines Outlaws.
Ledfoot hat auf "Black Valley" sich noch mehr in seine innere Gefühlswelt zurückgezogen und fördert einen dunkel funkelnden Diamant zu Tage, dessen unermesslicher Wert sich jetzt noch nicht ganz fassen lässt. Es braucht dann vielleicht wieder einen "Großen" aus dem Muiskbusiness, der Ledfoots Nummer neu interpretiert. Ähnlich wie bei Tom Waits, dessen inkommensurables Liedgut bereits einige erfolgreiche, aber seichtere Coverversionen erfahren musste, wird man auch Tim Scott McCornell, respektive Ledfoot, kaum gerecht, wenn man seine Stücke auf Massengeschmack bürstet. Er bleibt ein einsamer Wolf, dessen Heulen nur andere einsame Wölfe verstehen werden.
Noch etwas puristischer und konservativer im besten Sinne ist Peer Lebrecht, der als Frontmann der Golden Apes dem Gruftie-Affen schon seit jeher Zucker gegeben hat. Das letzte Album "Kasbek" ist gar nicht so lange her (und wurde auch bei UNTER.TON zu Recht mit Lorbeeren überschüttet), da überrascht der Mann mit der perfekt tiefergelegten Stimme ein weiteres Mal: Per Crowdfunding realisiert Peer seine erste Soloplatte, die er als Voyna herausgebracht hat.
Wer ausreichend polyglott unterwegs ist, weiß, dass Voyna aus dem Russischen stammt und "Krieg" bedeutet - welch wohlklingendes Wort für solch eine furchtbare Begebenheit. Wer nun aber daraus schlussfolgert, Peer lässt es auf seinem ersten Album "The Cinvat Bridge" militaristisch krachen, der irrt gewaltig. Von den musikalischen Grundprinzipien, die er bereits mit den Golden Apes verfolgt hat, bewegt er sich nicht all zu weit weg, wird also allen Liebhabern des Post-Punk und Goth-Rocks klassischen Gepräges sehr zu gefallen wissen.
Jedoch ist der Tenor von "The Cinvat Bridge" ein anderer als jener bei den Apes. Während die Hinwendung zum Rock bei Leebrechts Stammband geradezu immanent ist, spielt er als Voyna mit den verschiedenen musikalischen Ingredenzien und probiert neue Mischverhältnisse aus. Vor allem der elektronische Aspekt findet auf diesem Album stärker Beachtung. Dabei legen sich die Synthielinien wie feine Gaze über das klassische Rock-Grundgerüst und verleiht den Stücken eine nebulöse Aura. Besonders "Fractal King" zeigt sich von einer mitternächtlichen Mystik durchzogen, die entfernt an Ultravox oder Japan erinnern.
Besonders in diesem Stück manifestiert sich Lebrechts Freude an stilistischer Freiheit. Auch in den abschließenden Stücken "Golem" (mit verspieltem Akustik-Gitarren im Mittelteil) und dem gesanglich hervorstechenden, albträumerischen "Ashes" verdingt sich der Mann in seine eigene musikalischen Vision ohne Kompromisse eingehen zu müssen. Vorausschauend sind solche Alleingänge sicherlich nicht unprdouktiv für die kommenden Golden-Apes-Veröffentlichungen.
Dass es eben nicht die bahnbrechende musikalische Innovation sein muss, um die Hörerschaft zu begeistern, haben Ledfoot und Voyna ohne Probleme unter Beweis stellen können. Denn beide Musiker besitzen die Fähigkeit, die augenscheinlich ausgetretenen Schwemutspfade mit viel Begeisterung und Leidenschaft abermals zu begehen. Das ist eine Kunst für sich, die nicht jeder beherrscht, und die attraktiver ist als das ewige Lechzen nach dem neuesten "heißen Scheiß". Und überhaupt: Klassische Schwarzmalerei besitzt in der Musik kein Verfallsdatum.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 22.03.21 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 5/21>
Webseite:
voyna-official.bandcamp.com
www.facebook.com/Ledfootpage
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Cover © TBC Records/Broken Silence (Ledfoot), Icy Cold Records (Voyna)
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