CLICK CLICK: MINIMAL MAXIMAL
Das britische Brüderpaar Adrian K. und Derek E. Smith liebt es, zu überraschen. Als düster-experimentelles Electro-Duo Click Click entziehen sie sich seit ihren Anfängen in den 1980er Jahren jeglicher Stigmatisierung - und gelten unter Kennern stets als hörenswerte Querköpfe, die Anspruch und Eingängigkeit geschickt miteinander verbinden. 17 Jahre nach ihrem letzten Album "Shadowblack", veröffentlichen Click Click mit "Those Nervous Surgeons" (Platten-Kritik hier) dieser Tage ihr neues Werk, das gleichzeitig das Schlußkapitel ihrer Bandgeschichte werden soll.
Wenn die Gebrüder Smith darum gebeten werden, ihre Musik zu definieren, geraten sie selbst in Erklärungsnöte. "Rhythmisch, atmosphärisch", zählt Derek etwas unbeholfen auf. "Mit Texten, die aufzeigen, dass wir nicht alles hinnehmen sollten, was uns erzählt wird, sondern stets jede Nachricht hinterfragen müssen." Adrian hingegen hat es aufgegeben, nach einer Umschreibung zu suchen. "Es ist, was es ist. Aber es ist sicherlich kein EBM." Diese klare Aussage ist fast schon überraschend, sind Click Click doch seit ihrer Gründung als Verfechter einer elektronischen Klangform bekannt, die vor allem in jenen Clubs gerne gespielt wird, in denen martialische Kurzhaar-Fetischisten, unter prasselnden Beats auf der Stelle stampfend, ihre Leibesertüchtigungen vollziehen. Stücke wie die 1991er-Nummer "Yakutska" finden sich zudem mit schöner Regelmäßigkeit auf den hochwertigeren Zusammenstellungen elektronischer Körpermusik wieder.
Nach ihrem letzten, viel beachteten Album "Shadowblack" (VÖ 1997) wurde es plötzlich still um die Briten. Die Gründe hinter der langen Pause sind allerdings weitaus profaner als vielleicht vermutet. "Nach diesem Album haben wir uns einfach auf andere Projekte konzentriert", erklärt Adrian. Beide betonen, dass die Band auch in den 00er Jahren existierte, sich jedoch kaum einer für ihre Arbeit interessiert hätte: "'Shadowblack' und 'Those Nervous Surgeons' teilen zwar keine musikalische Gemeinsamkeit, sind aber beide deswegen zustande gekommen, weil jemand mit den nötigen finanziellen Mitteln uns darum gebeten hat, ein neues Album zu produzieren." Im aktuellen Fall war es Stefan Herwig, Inhaber des renommierten Dependent-Labels, der die Sound-Konstrukteure unter die Fittiche nahm. Damit finden sich Click Click in bester Gesellschaft wieder: Die Plattenfirma beherbergt unter anderem Bands wie Mind.In.A.Box, Seabound und Pride And Fall – allesamt Garanten für niveauvoll-synthetische Klangerzeugung.
Trotzdem hat "Those Nervous Surgeons" einen bitteren Beigeschmack: Es ist wohl das letzte Album des Duos, ehe die Geräte endgültig heruntergefahren werden. "Da wir das Projekt offiziell nie für beendet erklärt haben, dachten wir, dass wir uns am besten mit einem neuen Album verabschieden sollten", verkündet Adrian. Der Albumtitel bildet insofern einen Ringschluss: Those Nervous Surgeons war der Name ihrer ersten, noch sehr rocklastigen Band, bei dem die Smith-Brüder vor mehr als 35 Jahren ihre musikalische Laufbahn begannen - ehe sie den Synthesizer für sich entdeckten und als Click Click zu einer subkulturellen Ausnahmeerscheinung avancierten. "Auf diesem Weg haben wir uns selbst wieder in Erinnerung gerufen, wie alles begonnen hat", sinniert Derek über den Namen des Albums. "Manchmal muss man zurückschauen, um vorwärts zu gelangen."
Grund zur Larmoyanz besteht allerdings nicht, denn das neueste Werk zeigt zwei gereifte Männer, die sich ihrer Schritte bewusst sind. Über mehrere Jahre gingen die beiden mit der Idee einer neuen Click Click-Platte schwanger. "Wir hatten zu Beginn keine Ahnung, wie es klingen oder heißen sollte", erinnert sich Adrian. "Wir redeten nur meistens über die Platte – für gewöhnlich an einem Tisch draußen vor einem Pub in Luton." Der Veröffentlichung blickt das Zweiergespann mit großer Anspannung entgegen. "Als ich das erste Päckchen mit den neuen CDs aus dem Presswerk bekommen habe, schnitt ich mir beim Öffnen vor lauter Aufregung mit dem Messer in die Hand", gesteht Derek – als nervöser Pack-Chirug ganz dem Album-Titel verpflichtet. "Kein gutes Zeichen! Als ich das Paket endlich aufmachen konnte, war ich aber so überwältigt – ich vergaß sogar, dass ich noch blutete."
Einen schöneren Schwanengesang indes hätten Click Click nicht anstimmen können. "Those Nervous Surgeons" vereint noch einmal alle Qualitäten, mit der die Band einst berühmt wurde. Ohne sich um aktuelle Tendenzen in der Musik zu scheren, präsentieren die Gebrüder Smith einen angenehm anachronistischen Sound-Cocktail, der auch in den 80er Jahren den Publikumsgeschmack getroffen hätte. "Lock Them Up" ist so ein Beispiel: Die kühlen Synthie-Riffs und Adrians distanzierter Gesang erinnern an die Extravaganz eines John Foxx. Auch "Factory" besitzt diese große Portion Nostalgie: Verschiedene Geräusche wie eine sich drehende Münze oder einen Schlag auf Eisenstangen wurden in weich-wabernde Sequenzen eingebettet. "Dieser Song entstand aus einem sehr langen Stück, das ich 2005 aufgenommen habe", deckt Adrian die Hintergründe auf. "All diese Geräusche habe ich im Hinterhof mit einem Digitalrekorder aufgenommen, mit SoundForge editiert und in Cubase gesampelt – alles Basic Tools, die jeder benutzen kann."
Genau darum geht es bei Click Click: Minimaler Aufwand, maximale Leistung. "High-Tech Sampler gehören in High-Tech-Studios", bringt es der Frontmann auf den Punkt. "Wir besaßen zu Anfang nur eine Gitarre, ein Schlagzeug, zwei Tonbandgeräte, einige Wasp-Synthesizer, eine 808 und eine Reverb-Einheit, die wir einer alten Hammond-Orgel entnommen hatten. Es ist leichter, mit einem schäbigen Equipment analoger Elektronik kreativ zu sein, als mit einem Computer und einem Haufen Plug-Ins. Unsere Instrumente würden sich sicherlich gut in einem Museum machen." So wie wohl auch Click Click einen Platz in den imaginären Hallen einflussreicher Recken elektronischer Provenienz bekommen werden. Derek jedenfalls hält es da wie die französische Chansonnière Edith Piaf: "Ich bereue nichts."
|| TEXT: DANIEL DRESSLER // DATUM: 19.06.2014|| WEITER: EMILIE AUTUMN IM PROFIL >>
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