THE SEARCH "EXTRAS" VS. PRINCIPE VALIENTE "BARRICADES": SCHWEDENS BESTGEHÜTETE INDIEGEHEIMNISSE
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Da stehen sie gemeinsam vor einer Mauer - eher zufällig wirkt dieser Schnappschuss, der das Cover von The Searchs neuestem Werk "Extras" ziert. Doch bedeutet das Bild viel mehr, was sich aber einem erst erschließt, wenn man die Vita dieser Gruppe kennt.
Denn die Band ist so unterschiedlich wie ihre Musik selbst. Angefangen noch vor der Jahrtausendwende als The Silverslut, kam die Band um Sänger Razmig Tekeyan schnell zu kleineren Ehren bei den Alternative-Verfechtern. Doch mit anwachsender Fangemeinde, auch hierzulande, schrumpfte die Gruppe, bis schließlich 2017 Razmig alleine The Search weiterführte. In dieser Zeit expermentierte er mit verschiedenen Stilen, brachte mit "A Wave From The Sildelines" (2018) und "Some Place Far Away" (2020) schwerelektronische Alben heraus, die sich an den New-Romantic-Klang der frühen Achtziger anlehnte.
2022 bleibt daher wie gewohnt alles anders. Tekeyan hat neue Mitstreiter gefunden - und auch die Musik ist wieder eine andere geworden. Der Synthesizer macht traurig winke, winke, während akustisch-elektronische Gitarren das neue Soundgewand präsentieren. Nur der unverhohlen wehmütige Blick auf das goldene Pop-Jahrzehnt, vulgo: 80er, bleibt ein Markenzeichen von The Search. Besonders "Forever And Ever" ergießt sich voller Freude in poppige Gitarrenmelodien, die ein bisschen von Tears For Fears' "Everybody Wants To Rule The World" inspiriert worden sind. Und das abschließende "Does It Resonate?" lässt Parallelen zu "Life In A Northern Town" von The Dream Academy zu.
Wo aber die Altheroen vor rund 35 Jahren immer gerne auf hektische Rhythmen zurückgriffen (oder im Fall der Dream Academy auf lautmalerischen Füllstoff in Form von "Ah hey ma ma ma" setzten), bleiben die Songs auf "Extras" ruhig und frei von Anbiederung. Da wird für "Bunny" ein verhalltes Piano ausgepackt, das kurzzeitig von Akustikgitarre, Bass und wenigen Synthietupfern begleitet wird, und auch "Quills" macht trotz eines voranpreschenden Schlagzeugs nicht die Anstalten, in eine fulminante Klangexplosion zu münden, sondern den Schwebezustand beizubehalten.
Schließlich geben die Texte nicht unbedingt den Anlass zum Überschwang. Razmig, selbst schon einige Jahre auf den Buckel besitzend, betrachtet die Welt als mittelalter Mann, der einiges schon erlebt hat, aber noch nicht müde ist, den Weg des größten Widerstands zu gehen. Oder wie es in "Eyes To The Ground" so treffend heißt: "There's a price to pay for independence". Die introspektiv gehaltenen Lyrics gehören mit zu den intelligentesten bislang in diesem Jahr.
Stilistisch um einiges anders, aber doch irgendwie mit The Search verbandelt, sind Principe Valiente - nicht nur,weil sie beide aus Schweden kommen. Denn wie auch die gerade besprochenen Landsmänner und-frauen, besitzt die Band mit Sänger Fernando Honorato einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt, sowohl in gesanglicher, wie auch kompositorischer Hinsicht. Doch mit der Pandemie entstand für den Musiker eine neue Konstellation. Denn obwohl die Songs zum neuen Album "Barricades" nicht zusammen eingespielt werden konnte, haben die anderen Mitglieder mehr beigetragen als bei den früheren Werken, die Honorato selbst stets als das Ergebnis eines Solo-Projektes empfand.
Zudem besitzt Principe Valiente auch den Hang zum kompositorischen Drama, wie es sie in diversen 80er-Songs zu hören ist. Das gipfelte nicht zuletzt in einer Coverversion des Mr. Mister-Klassikers "Broken Wings", den die Band 2020 für eine am Ende doch nicht realisierte Kompilation eingespielt hatte und die dann separat auf Bandcamp veröffentlicht wurde. Der behutsame Umgang mit dem Material zeigt, dass Honorato und sein Gefolge eine unglaubliche Liebe für die damaligen Pop-Songs besitzen, gleichzeitig aber auch ihren eigenen Sound weiter verfolgen.
Dieser zeichnet sich vor allem durch zwei Tatsachen aus: erstens Honoratos Stimme, der in den Höhen an die Theatralik eines David Bowie erinnert und in den Tiefen ein wohliges Post-Punk-Gefühl verbreitet. Und zweitens der sehr klar definierte Sound, der eine gut austarierte Mischung aus verhallten Shoegaze-Gitarren und dem supermelodiösem Zusammenspiel aus Keyboards und Saiteninstrumenten. Das klappte bereits auf den Vorgängern - allen voran auf dem, auch schon fast wieder fünf Jahre zurückliegenden Album "Oceans", das ein paar Jahre später wegen des großen Erfolges nochmals in einer erweiterten Version erschienen ist.
Mit "Barricades" gehen die Skandinavier ihren Weg weiter. Der Titelsong, gleichzeitig Reigeneröffner, ist eine getragene Halb-Ballade mit üppigem Arrangements und ordentlich Hall, dessen Energie vom Nachfolger "So Much More" aufgefangen und potenziert wird. Der Indie-Pop-Gedanke schimmert dabei immer wieder in den Songs durch, verweilt aber bei aller Eingängigkeit auch in einer melancholischen Grundstimmung, die sich allein durch Honoratos intensivem Gesang manifestiert. Wenn die Elektronik wie im ohrwurmigen "Tears in Different Colours" die Überhand nimmt, gelangen sie etwas näher an die aktuelle Synth-Wave-Mode, ohne sich ihr komplett anzubiedern.
Vielschichtig und gleichzeitig griffig waren Principe Valiente schon immer, doch mit dem vierten Album erreichen sie einen weiteren Reifegrad, der sie über die nächsten Jahre hinweg zu einer stilprägenden und einflussreichen Band im Post-Punk-Sektor machen sollte.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 08.03.22 | KONTAKT | WEITER: WOLFGANG FLÜR VS. ROBERT SCHROEDER VS. H/P>
Webseite:
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COVER © AENAOS RECORDS/ALTONE (THE SEARCH), METROPOLIS RECORDS (PRINCIPE VALIENTE)
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