DEAD ASTRONAUTS "GHOSTS" VS. THE COLD FIELD "ALIVE": HEISSE IMPULSE AUS DER KALTEN TALENTSCHMIEDE
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Kaum ein anderes Thema spaltet so sehr die Gemüter wie die Frage nach künstlicher Intelligenz und deren Einsatz respektive Limitierung im alltäglichen Leben. Noch sind die Folgen nicht absehbar, aber es ist jetzt schon zu spüren, dass wir am Beginn einer neuen Zeitrechnung stehen, die sämtlich Sci-Fi-Topoi in die Gegenwart holt und teilweise noch übertrifft. Kritiker sehen in der Nutzung von KI eine Gefahr für die Sicherheit der Menschen, da die Technik für gezielte Falschinformationen genutzt werden kann. Befürworter erkennen darin aber die Mölglichkeit der Vereinfachung und Bereicherung des Lebens. Die Argumente beider Seiten sind berechtigt.
Von dieser Diskussion angetrieben, haben die Synth-Waver von Dead Astronauts einen interessanten Versuch gewagt: Für ihr aktuelles Werk "Ghosts" bediente sich das aus Portland stammende Projekt ihres immer wiederkehrenden Artworks früherer Veröffentlichungen. Die dort stets auftauchende Frau, von den toten Astronauten "Persephone" getauft, ist dieses Mal zum Hauptakteur des gesamten Artworks geworden. Die Band hat eine Original-Zeichnung angefertigt und der KI als Grundlage gegeben. Mittels Eingabe verschiedener Textstellen aus ihren Songs entstanden mehrere verschiedene Versionen der Skizze, die im letzten Schritt zusammengefügt wurden, um ein Persephone-Porträt zu generieren, das dem Song entspricht. Im Booklet prangt so eine Galerie verschiedener Frauenköpfe zu jedem einzelnen Track.
Das Ergebnis ist wirklich bombe, völlig davon ab, wie man zu künstlicher Intelligenz nun stehen mag. Aber es geht ja auch (und zu allererst) um Musik. Und da haben Dead Astronauts noch einmal einen großen Schritt nach vorne getan. Seit ihren Anfängen von vor zehn Jahren versucht das amerikanische Zweiergespann, die Vorzüge aus Gothic, Post Punk und Darkwave zu vereinen. Mittlerweile haben sie ihr Repertoire um die hypermelodischen Strukturen von Italo-Disco und Synthwave erweitert.
Überaus gut gelungen ist das bei "She Hauts Me (Part Two)", das bereits in den ersten Takten unmissverständlich auf die Tanzfläche blickt. Ein paar verwaschene Orchester-Hits perfektionieren das Retro-Feeling, während Sänger Jared Kyle mit tiefsitzender Stimme über das größte Gefühl auf Erden singt. Doch steht "Ghosts" nie im Verdacht, eine Schnulzenplatte zu sein. Dead Astronauts werfen in ihren Songs die Frage auf, inwieweit wir Teile der Vergangenheit in uns tragen, die unsere Gegenwart beeeinflussen. So ist auch die allgegenwärtige Persphone im Booklet wie die besagten Geister im Titel; jedes Bild ist lediglich wie ein Teil eines Ganzen.
Für die Freunde großartiger Melodien mit implementiertem 80er-Feeling, aber unüberhörbarem Bezug zur Gegenwart, ist das Album nichts weniger als ein Pflichtkauf. Die Scheibe hat das Potenzial, Synth-Wave-Platte des Jahres zu werden.
Zumindest auf Augenhöhe befinden sich aber die Labelmates von The Cold Field. Die Jungs stammen aus Australien, welches zwar schon Jahrzehnte lang für einen großartigen musikalischen Output sorgt, aber besonders in Bezug auf die düsteren Sounds wiederkehrend Nick Cave und seine schlechten Samen ins Feld führen. Geht es allerdings um elektronisch unterfütterte Tristesse in Noten, haben sich The Cold Field in den letzten Jahren zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz gemausert.
Was das Projekt allerdings auf "Alive" abliefert, ist ein Weltschmerz-Feuerwerk. Sänger Ian Messenger verpackt sein samtiges Organ in viel Hall und lässt es dadurch wie einen Geist durch die Kompositionen schweben. In "The Beads Of Light" bewegt er sich zusammen mit Mitstreiter Heath Newberry fast schon in Richtung Indie-Pop, nur um nachfolgend bei "Possessed" mit waberigen Klängen und einer creepy verhallten Snare-Drum eine unwirkliche, beklemmende Atmosphäre zu erzeugen.
Dem gegenüber steht mit "Wants Your Skin Upon His Lawn" ein Up-Tempo-Stück, bei dem Messenger mit leicht angezerrtem (und auch hier verhallten) Gesang glänzt,während die Rhythmussektion sich ziemlich humorlos durch die Komposition boxt. Die Tightness dieses Tracks wird durch die sirenenartigen Klänge gebrochen und baut so eine unbedarfte DIY-Atmosphäre auf, die vor allem authentisch klingt, ehrlich zu sich und zur Hörerschaft, die sich nach dieser Veröffentlichung gewiß vergrößern wird. Schließlich sind bei The Cold Field Zerstörung und Schönheit ganz dicht beieinander.
Bereits das 2021 erschienene zweite Werk "Hollows" fing eine nebulös-mäandernde Stimmung ein, die sich offensichtlich an den Post-Punk-Altheroen orienitert, aber nicht epigonengleich die bereits ausgetretenen Pfade ein weiteres Mal beschreitet. "Alive" führt diese Idee weiter. Oder anders ausgedrückt: Das neue Album lässt erahnen, wie Joy Division geklungen hätten, wäre Mastermind Ian Curtis noch am Leben.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 07.06.24 | KONTAKT | WEITER: MICK HARVEY VS. LEDFOOT VS. THE HALO TREES>
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