SOROR DOLOROSA "MOND" VS. THE SEARCH "INDULGENCE": IN DIE VOLLEN
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Das hat man so nicht kommen sehen: Die französische Band Soror Dolorosa schlug sich bislang mehr schlecht als recht über Wasser. 2001 ins Leben gerufen, war bereits nach vier Jahren wieder Schluss. 2007 wagte man den Neustart mit einem Genesis-Moment. Andy Julia, der zuerst Schlagzeuger war, wechselte ans Mikro. Damit begann der Stern der Band aus Paris langsam zu steigen. Die ersten Alben fanden ihre Abnehmer- überraschenderweise vor allem in Deutschland.
Doch was sie jetzt auf "Mond" präsentieren, ist eine völlig entfesselte Interpretation ihres eigenen Sounds. Bereits mit dem Opener "Tear It Up" zeigen die Jungs, dass sie sich nicht mehr an szenekompatiblen Vorgaben halten. Das Stück steht prototypisch für den neuen stilistischen Weg. Ein druckvoller, unnachgiebig vor sich hinpumpender Computerbeat, dazu ein paar wuchtige Gitarrenlicks und Andy Julias Stimme, die bereits in früheren Zeiten gelobt wurde (Vergleiche mit Wayne Hussey waren keine Seltenheit). Doch das hat dem Sänger anscheinend nicht gereicht. Er selbst bezeichnet sich als großer Fan von Marian Gold von Alphaville. Das hört man in diesem Werk deutlich heraus. Gerade in den hohen Lagen im Refrain des Eröffnungsstück erkennt man die Parallelen zum Münsteraner, der den absoluten Willen zur Grandezza besitzt. Andy tut es ihm gleich.
Musikalisch hat sich Soror Dolorosa ebenfalls einer Frischzellenkur unterzogen. Die Melodien besitzen den unbedingten Willen zur Eningängigkeit, wollen im Gehör sich festsetzen und dort für lange Zeit verweilen. Dass es dafür markante Refrains benötigt, ist Voraussetzung. Und so liefern die Franzosen einen Hochkaräter nach dem anderen ab. "You're Giving Me", "Souls Collide" oder auch "But Today" erheben sich majestätisch aus dem Boden und erinnern an die verschwenderische Opulenz diverser Nummern von Ultravox.
Überaus herausragend ist allerdings "Sugar Moon", dessen mystisch-nebulöses Intro nicht im Ansatz vermuten lässt, was dieses Stück noch in petto hat: eine perfekt inszenierte Weltschmerzveranstaltung, bestehend aus würmelnden Bässen, die in einen wuchtigen Synthie-Akkord übergehen, für den allein sich dieser Vorlauf gelohnt hat. "Mond" ist sicherlich nicht arm an Höhepunkten, aber "Sugar Moon" ist ihnen derart perfekt gelungen, dass er die übrigen acht Nummern, die allesamt Soror Dolorosa als Band komplett neu definieren, überstrahlt.
In Sachen Neuausrichtung hatte auch The Search aus Schweden seit Anbeginn ihrer Karriere keine Berührungsängste. Im Gegenteil: Sie haben es im Grunde genommen zum Stilprinzip erhoben. Je diverser der Sound, desto besser. Als "Schwedens bestgehütetes Indie-Geheimnis" betitelt, geht das seit 1999 (damals noch als Silverslut) aktive Projekt schon die unterschiedlichsten Wege innerhalb der Independent-Grenzen. Zwischenzeitlich zum Solo-Projekt geschrumpft, entdeckte Frontmann und kreativer Kopf Razmig Tekeyan gar die Synthesizer für sich, was in die popelektronischen Alben "A Wave From The Sideline" (2018) und "Some Place Far Away" (2020) mündete.
Erst die neuen Mitstreiter führten dazu, dass die Band ihren gitarrenbasierten Indie-Sound wiedergefunden haben. Bereits auf dem vor zwei Jahren veröffentlichten Vorgänger "Extras" merkte man, dass die neue Zusammenstellung gut harmonierte. "Indulgence" bestätigt nun diesen Fortschritt. Dabei sind die Songs insgesamt etwas markiger ausgefallen. Der Einsatz akustischer Gitarren, wie sie auf "Extras" noch sehr oft geschehen sind, wird deutlich zurückgefahren. Ganz verschwunden ist er aber nicht, und besonders bei einem Stück wie "A Vision Of Life" passen die entspannten Klänge der unbestromten Saiteninstrumente wie Arsch auf Eimer. Ansonsten dürfen die E-Gitarren nach Herzenslust ihre existentialistischen Riffs auf die Hörerschaft loslassen.
Und die Synthies? Die führen ein Leben als Komparsen und treten nur ganz kurz auf. Man muss schon genau hinhören, wenn sie beispielsweise in "Pick Me Up" mal kurz in kleinen auditiven Special Effects auftreten. Ansonsten will "Indulgence" nichts anderes sein als eine Indie-Rock-Platte mit einigen 80er Zitaten ("Talk") und jeder Menge unterschwelliger Tristesse. "Running" und "I Want To Find Sanctuary" stechen dabei aufgrund ihrer seidigen Textur sofort heraus.
Ebenfalls mit einigen Überraschungsmomenten ausgestattet ist Razmigs Gesang, verblüfft er doch durch eine teilweise raue Stimmfarbe, die er bis jetzt in dieser Form noch nicht präsentiert hat. Alles neu bei The Search? Nicht wirklich. Aber trotzdem steht "Indulgence" einmal mehr beispielhaft für die Wandelbarkeit dieser Band. es sind nur kleine Veränderungen, die aber eine derart große Wirkkung auf die gesamte Grundstimmung des Albums haben. Dem Albumtitel kann man nur zustimmen: "Indulgence" zu hören ist ein wharer "Genuss".
thesearch.bandcamp.com
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COVER © PROPHECY PRODUCTIONS/SOULFOOD (SOROR DOLOROSA), AENAOS RECORDS (THE SEARCH)
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Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-Weiß-Ästhetik. Deshalb wurden farbige Original-Bilder unserem Layout für diesen Artikel angepasst. Sämtliche Bildausschnitte, Rahmen und Montagen stammen aus eigener Hand und folgen dem grafischem Gesamtkonzept unseres Magazins.
© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
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