RUFUS WAINWRIGHT "UNFOLLOW THE RULES": RÜCKKEHR DER LEICHTIGKEIT
Im besten Fall ist ein neues Album, ebenso wie ein neues Gemälde oder Buch, das Ergebnis der bis dahin gesammelten Erfahrung des Künstlers. Mit jedem weiteren Werk verfeinert und entwickelt er seine eigene Handschrift. Dass es dabei auch manchmal sehr sprunghaft zugehen kann, lässt sich bei Rufus Wainwright gut festmachen.
Der Sprössling einer Musikerfamilie (die Mutter ist Martha Wainwright, der Vater Loudon Wainwright III) veröffentlichte um die Jahrtausendwende seine ersten Alben, die vor allem die großen Musikmagazine bisweilen jubilierend aufgenommen haben. Sein Leben als homosexueller Bonvivant und die dandyhafte Erscheinung ließen ihn schnell zu einem Oscar Wide der Popmusik avancieren.
Mit seiner Albenfolge "Want One" (2003) und "Want Two" (2004) trieb er seinen Barock-Pop auf die Spitze. "Mehr ist mehr" lautete seine Devise, was die Alben zu üppigen Werken eines überbordenden Eklektizismus machten. Dass dieser Mann, der scheinbar von seiner Kreativität regelrecht getrieben wurde, nicht in der Singer-/Songwriter-Schublade versauern wollte, war offensichtlich. Bis 2012 blieb er jedoch der U-Musik treu, seine Fühler hatte er da bereits aber schon in Richtung Oper und Theater ausgestreckt.
Mit "Out Of The Game", ausgerechnet jenem Album, das ihn erstmalig auch in der deutschen Hitparade unter den Top 30 platzierte, begann eine harte Zäsur: Weg mit dem Pop, her mit der Klassik! Seine Oper "Prima Donna" (2015) und das darauffolgende "Take All My Loves: 9 Shakespeare Sonnets" (2016) verankerten ihn auch in der Klassik. Letztgenanntes Album veröffentlichte er bei der renommierten Deutschen Grammophon.
Scheinbar wird alles, was dieser Mann anpackt, zu Gold. Seine Rückkehr zur Leichtigkeit und Pop-Spielerei wirkt bei "Unfollow The Rules" aber dennoch durchtränkt von den Erkenntnissen seiner letzten Jahre sowohl als Komponist als auch als Privatmensch. Seine wilden Zeiten hat Rufus hinter sich gelassen, Drogenexzesse und wechselnde Partner sind einer festen Beziehung mit dem deutschen Theaterregisseur Jörn Weisbrodt und einem Kind (Leihmutter war niemand geringeres als Leonard Cohens Tochter Lorca) gewichen.
Sie werden Teil seiner Erzählungen im Song "Peaceful Afternoon", bei dem Wainwright seine Sehnsüchte nach einer gemütlichen Zweisamkeit zum Ausdruck bringt, während der antreibende Walzertakt den unbarmherzig fordernden Gegenpart bildet. So ein Familienvater hat es eben nicht leicht. Ansonsten verbleibt der Mann in einem hochpoetischen Duktus, dezent mit einigen hunorvollen Einlagen garniert. Und seine Stimme gleitet nach all den jahren immer noch wie ein heißes Messer durch die Butter.
Natürlich muss auch über die musikalische Ausstaffierung von "Unfollow The Rules" gesprochen werden. Denn diese ist eine Welt für sich. Dass der Musiker sich gerne eines breit angelegten Arrangements bedient, ist hinlänglich bekannt. Doch so verschwenderisch wie bei dem umherschleichenden "Early Morning Madness", das einen orchestral-atonalen Sog in den Höhepunkten aufbaut, hat man ihm selten gehört.
Ebenso bietet das fatalistisch anmutende "Devils And Angels (Hatred)" mit seinen Synthiesprengseln und den zackigen Streichern eine neue Facette im wainwright'schen Klangkosmos, ebenso wie die queen'schen Chöre bei "Trouble In Paradise". Am Ende steht aber wieder der großartige Singer/Songwriter, der wie ein Pop-Sonnenkönig über Gebühr seine Songs ausstattet.
Dass er das darf, liegt einfach daran, dass er es kann - aber nur er. Wo andere in unsäglichen Pathos fallen, gelingt ihm eine Kitsch-Platte ohne kitschig zu sein. Das schafft aber nur, wer sehr viel Erfahrung in seiner Kunst hat.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 17.7.20 | KONTAKT | WEITER: ART OF EMPATHY VS. A.A.WILLIAMS>
Webseiten:
www.rufuswainwright.com
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