KASIMIR EFFEKT "KFX": FUTURISMUS 2.0
[image:image-1]Ende des letzten Jahrtausends hat sich ein musikalischer Trend herausgebildet, der bis heute Bestand hat: Chill-Out-Musik. Der Stadtmensch, gestresst vom hektischen Alltag, sucht seine Entspannung in eleganter Atmosphäre bei einem gediegenen Cocktail in aufgemotzten Lounges. Als Klangkulisse dienen smoothe Jazz-Miniaturen, die mit aufdringlich unaufdringlichen Beats unterfüttert werden. Man erinnere sich an die nicht enden wollende "Buddha Bar"-Reihe, oder auch an den französischen DJ und Musikproduzenten Ludovic Navarre alias St. Germain, dessen 2001er-Album "Tourist" (erschienen auf dem traditionsreichen Jazz-Label Blue Note) sicherlich zu den stilbildenden Alben seiner Zeit gehört.
Jazz und Techno gehen also locker zusammen. Aber so schmissig und gleichzeitig mit einem Augenzwinkern versehen wie bei Kasimr Effekts Erstling "KFX", gelingt das selten. Das fängt schon beim ansprechenden Artwork der Vinyl-Platte an. Das spacige Cover, der Tonträger in einem dunkelstichigen Grün: Hier schielt alles nach den Sternen und über das Sonnensystem hinaus.
Zunächst aber müssen wir eine "Post Dance Depression" überwinden. Das gelingt mit schweren Geigenklängen, ehe Piano und entspanntes Schlagwerk die Stimmung aufhellen - ein Stück wie gemacht für den Einlass in die Weltraum-Disko, in der Captain Future und seine Crew das Tanzbein noch zu schwingen gedenken. Zunächst aber leitet "Konstrukt" die Aufwärmphase ein, ausgehend von einem auf die Bauchregion zielenden Beat mit basssatter Begleitung. Die umherschleichende Melodie pirscht sich im Mittelteil aus den Boxen an den Hörer ran, wird größer, bildet einen kurzen, flüchtigen Höhepunkt und geriert sich als Understatement-Überleitung für das nachfolgende "M", welches ohne Umwege mit stringenter Bass-Drum und einer redundanten, leicht modulierten Melodielinie alles heranlockt, was zwei Beine und ausreichend Rhythmusgefühl hat.
Und Captain Future? Der Comic-Held wird spätestens bei "Hillwood" mit seiner putzigen Gefolgschaft auf die Tanzfläche stürmen, denn der kultig verehrte Soundtrack zu dieser Zeichentrickserie vom legendären Christian Bruhn findet sich in den Akkorden versteckt wieder. Wo aber damals der Soundtrack noch einen schrulligen Futurismus praktizierte, haben Kasimir Effekt bereits diese Zukunftsvision hinter sich gelassen und eine neue klangliche Untermalung für kommende Zeiten geschaffen, die zwar noch die alte Ästhetik eingedenkt, aber eigenständig in Richtung Morgen wandert.
In diesem musikalischen Kosmos darf dann auch ein Stück wie "The Other" existieren, das mit einer grobkörnigen Electroclash-Melodie um die Ecke kommt, begleitet von einem furztrockenen Schlagzeug, welches das Stück nach vorne treibt, dass es eine Art hat.
Am Ende steht mit "KFX" nicht weniger als ein kleines Meisterwerk in den Regalen, das einen lässigen Bogen von den discoiden Jazz-Instrumentalen der 1970er hin zum Urban-House für den zeitgemäß stilvollen Metropol-Hipster zieht. Und schließlich greift diese Futursimus-2.0-Musik schon weit voraus, weswegen dieses Debüt noch eine lange Halbwertszeit besitzen wird, während die Norddeutschen weiter ihren Kasimir Effekt verstärken, indem sie die Reibepunkte zwischen Jazz und Electro vorantreiben werden. Hoffentlich.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 28.02.2020 | KONTAKT | WEITER: RINGFINGER VS. SDH>
Webseite:
www.kasimireffekt.de
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