AIMING "THE LEGEND" VS. VLIMMER "DISKOMFORT": LOCKERER BETON - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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AIMING "THE LEGEND" VS. VLIMMER "DISKOMFORT": LOCKERER BETON

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Einerseits fluffig und geradezu anschmiegsam zu klingen, andererseits in den Texten, aber auch der Melodieführung eine gewisse Schwere und einen unüberhörbaren Weltschmerz aufkeimen zu lassen, ist sicherlich keine leichte Kombination. Geradezu exemplarisch gut gelungen sind die Werke von The Cure, die sich vor allem in den mittleren und späten 80ern immer wieder mal herausnahmen, auf der einen Seite total dem neuromatischen Zeitgeist zu entsprechen, aber gleichzeitig in einer sehr eigenen, von verschrobenen Charakteren und Szenerien gefüllten Welt zu lustwandeln. "Love Cats", "Lullaby" oder "Close To Me" sind nur einige der beredten Beispiele.

Beispiele, denen man als Musikerin oder Musiker sicherlich gerne folgen möchte. So macht es auch die Band Aiming aus Yorkshire. Jedoch haben sie das Mischverhältnis aus Fluffigkeit und Betonsentiment anders angesetzt. David, Jordan und Laurie bedienen sich bei ihrem Sound unter anderem exzessiver Synthesizerbässe, wie sie im Titelsong markant herausstechen. Diese überlagen sie jedoch mit einer Shoegaze-Gitarre und einer der Welt entrückten, verträumten Stimme. Bereits mit dem Opener "Brainiac" ist die musikalische Marschrichtung klar vorgegeben: Aiming lieben es, eine extrem entspannte Grundstimmung herzustellen, ohne allerdings übertrieben kontemplativ zu werden.

So wie bei "Docile", das in seiner Art und Weise entfernt an Slowdive erinnert. Wo allerdings die Granden des Shoegaze sich gerne in ätherische Höhen versteigen, schauen Aiming, wie viele Lagen ihr Sound verträgt  und lagern eine Klangschicht auf die andere, während das Schlagwerk sich durch den tönernen Urwald durchzukämpfen versucht. Am Ende steht ein Song so gewaltig wie die gebündelten Kräfte der Natur. Bei Aiming wird der Verfall zur Freude. Oder wie sie es treffend in "Brainiac" sagen: "We won’t forget the things that fall apart. We walk along and serenade them."

Eine Textzeile, die ebenfalls perfekt zum Wirken von Vlimmer passt. Das Projekt von Alexander Leonard Donat hat sich im Laufe der Jahre zu einer wichtigen Größe im Bereich Wave und Post-Punk gemausert. Die Gründe liegen auf der Hand: Metaphorisch überladene, größtenteils deutsche Lyrics, teilweise mit der gleichen Hoffnungslosigkeit vorgetragen wie The Cures Robert Smith sowie ein unkonventioneller Sound, der sich komplett diverser Vorgaben, wie Post-Punk denn bitteschön zu klingen habe, verweigert und einfach nur der inneren Stimme des Musikers folgt.

Für "Diskomfort" packt Donat dabei die große Soundkiste aus. Nach dem sehr erdigen, bisweilen metallischen "Bodenhex", lässt er es dieses Mal wieder flirrender zugehen. Gerade "Ungleichgewicht" lässt verstohlen ein wenig Popeleganz in den Synthielinien durchschimmern, wenngleich der hektische Beat noch vehement dagegen arbeitet, damit das Stück nicht zu rundgelutscht durch die Gehörgänge kullert.

Doch Donat kann nicht nur Eigen- sondern auch Fremdkompositionen. Mit einer Selbstverständlichkeit hat er Super Furry Animals "It's Not The End Of The World?" (der vielleicht beste Song der Band inklusive eines traurigschönen Videos) unfall- und peinlichkeitsfrei ins Deutsche übersetzt und das  Stück in den donat'schen Klangkosmos überführt. Wäre interessant zu wissen, wie die Super Furry Animals auf diese Coverversion reagiert haben. An deren Stelle würde ich mich mehr als freuen. Vlimmer hat es nämlich geschafft, nicht vor Ehrfurcht zu erstarren, sondern eine liebevolle Interpretation zu erstellen.

Daneben finden sich die typischen Elemente des Projekts wie der Einsatz einer Zither, die den Stücken eine surreale Note verleiht. Wunderbar gelungen ist dies beim abschließenden "Nachleben" mit einem der vielleicht eingängigsten Refrains in der Vlimmerhistorie: "Wir sind, wir sind, wir sind klein. Im Allgemeinen sind wir so klein." Eine Erkenntnis, die schwer wie blei wiegt, aber von einen beschwingten Rhythmus federleicht aufgefangen wird.

Wieder einmal schafft Vlimmer, die ohnehin schon hoch gesteckte Messlatte noch ein paar Zentimeter weiter nach oben zu schieben. Und das, so scheint es, völlig mühelos. Alexander Leonard Donat bleibt weiterhin eine Triebfeder der Szene, sowohl was seine Eigenproduktionen, als auch seine Bands, die er für sein Label Blackjack Illuminist Records unter Vertrag nimmt.


||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 11.03.25 | KONTAKT | WEITER: MANTAROCHEN VS. FOTOKILLER>


Webseite:
blackjackilluministrecords.bandcamp.com

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