AKASHA PROJECT "CHAKRA STIMULATION" VS. RSN "INDISTINCTION #1", "INDISTINCTION #2": DAS GEHT TIEF
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Es gibt ja diese schwach produzierten New-Age-Sampler, die besonders in den 00er-Jahren einen kleinen Boom erfuhren. Gestresste Großstädter auf ihrer verzweifelten Suchen nach einer optimalen Work-Life-Balance griffen gerne zu den mannigfaltigen CDs, in denen Übungsanleitungen zu Entspannungstechniken mit musikalischer Untermalung feilgeboten wurden. Ohne diese Branche zu diskreditieren (sie hat durchaus ihre Daseinsberechtigung), muss man zumindest bei den Liedern oftmals die Nase rümpfen. Halbgare, billig klingende Sounds zaubern selten ein Lächeln der Glückseligkeit auf die Lippen. Eher verkneift man sich ein Lachen ob des Fremdschampotenzials mancher dieser Veröffentlichungen.
Dass es natürlich auch anders geht, beweisen seit Jahren Musiker, die sich der kosmischen Oktave nach dem Schweizer Mathematiker Hans Cousto verschrieben haben. Diese Technik wurde bereits des öfteren auf UNTER.TON vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine naturwisenschaftliche Kokretisierung der so genannten "Sphärenharmonik", die bereits im antiken Griechenland erdacht worden ist: Jeder Planet in unserem Sonnensystem erzeugt durch seine Bewegung einen Ton, alle Himmelskörper ergeben einen harmonischen Zusammenklang. Diese Idee einer "Planentenmelodie" hat sich über die Jahrhunderte und Jahrtausende gehalten und wurde immer wieder neu ausgelegt.
Vereinfacht gesagt lassen sich durch Coustos Berechnungen planetare Schwingungen mittels Oktavierung in für uns hörbare Töne transformieren. Barnim Schulze, der sich intensiv mit den Werken des Schweizers beschäftigt hat, wendet diese für sein Akasha Project an. Seine Synthesizer stimmt er nach Coustos System, das dem Musiker auch erlaubt, andere Bereiche wie Schwingungen von Molekülen als Basis für seine Stücke zu nutzen.
Das aktuelle Werk verknüpft die klassische Chakrenlehre aus Fernost mit der kosmischen Oktave, indem man die Farbtöne der einzelnen Chakren oktavanalog einem Planetenton zuordnet. Was sich nach besonders verkopfter Theoriemusik anhört, endet bei Akasha Project aber in einem wunderbar entspannenden Klangbad, das natürlich auch funktionieren würde, wenn man den ganzen wissenschaftlichen Überbau nicht kennt oder versteht. Musik ist eine universelle Sprache. Und wenn man sich ihr öffnet, versteht man sie auch.
Vor allem aber fühlt man die sanften Tranceflächen, die mal von einem Obertongesang, mal von sirenengleichen Rufen begleitet werden und sich wie ein Kokon aus Tönen um einen legen. Wie in Wellen steigt die Musik an und ebbt wieder ab, findet zurück zu ihrem Anfangspunkt, um von dort aus aufs Neue die Räume in unserem Körper zu erforschen. Barnim Schulze empfiehlt, seine "Chakra Stimulation" in aufrechter Sitzpositon mit Konzentration auf das jeweilige Energiezentrum anzuhören.
In wecher Position man die beiden musikalischen Tryptichen "Indistinction #1" und "indistinction #2" anhören soll, hat uns der Musiker Thomas Rosen aka rsn nicht verraten. Doch auch bei seinen experimentellen Klangschichten empfiehlt es sich, das Erdachte und Komponierte in der Abgeschidenheit einer Kemenate mit größtmöglicher Aufmerksamkeit zu konsumieren. Denn Rosen, der bereits bei Bands wie [B O L T] mitmischte und das Label Momentarily Records aus der Taufe hob, lotet auf seinen beiden Alben die Grenzen zwischen Klang und Lärm aus, indem er beide Pole langsam miteinander zu verschmelzen beginnt. Genau das meint "Indistinction" ("Ununterscheidbarkeit"): Wann hört Wohlklang auf, wo fängt atonaler Krach an, und was liegt dazwischen. Das Projekt will darauf konzise Antworten geben.
Die Besonderheit an rsn sind die konsequent zu Ende gedachten Drones, die sich über die bisweilen über 15 Minuten langen Kompositionen manifestieren, von weiteren Ambientflächen überlagert werden, um aus der Ruhe und Stille heraus in die Dissonanz umzusteigen. Das passiert aber fast unmerklich, wie es in "Indstinction #1.2" der Fall ist. Aus dem noch ruhigen, eher kontemplativen Sound entwickelt sich nach und nach ein alertes Klangkonstrukt, bei dem die Töne sich zu immer schmerzhafteren Frequenzen hochschwingen.
Bei "Indistinction #2.1" zäumt Thomas Rosen das Pferd von hinten auf, beginnt zuerst mit einer noisigen Klangwalze, um danach in sanften Bassflächen den gerade erst geschehenen klanglichen Furor zu verarbeiten. Überhaupt gelingt es dem Klangfrickler, dass selbst ein Stück wie "Indistinction #2.3" mit mehr als 23 Minuten Länge nicht einen Moment der Langeweile aufweist.
Thomas Rosen selbst beschreibt das, was er macht, als "Music for/from silence", aber auch als "music for galleries and vernissages, open spaces and resonating locations, special and creative places." Bedeutet also: Da, wo Musik nicht einfach als Klangtapete ein tristes Dasein fristen muss, sondern als Teil einer Gesamtkunst verstanden wird, ist der rsn-Sound zu Hause. Und man kann sich gut vorstellen, wie das eindringliche Ambient-Noise-Gemisch die Bilderausstellung oder Videoinstallationen eines angesagten Underground-Künstlers musikalisch unterstützt und aufwertet.
Rsns Musik macht etwas mit einem, unabhängig vom Ort, an dem seine Musik angehört wird. Selbst in den Momenten fordernder Akustik, sprich: wenn aus dem angenhemne Brummen auf einmal ein Lärm wie aus einem Maschinenraum ertönt, wird man seiner Kontemplation nicht beraubt. Auf den "Indistinction"-Werken passiert alles, wie es passieren soll. Und am Ende ist es gut geworden.
Ob "Chakra-Stimulation" oder ununterscheidbarer Klanglärm mit Lärmklang: Akasha Project und rsn haben sich dem großen Thema Musik auf eine unkonventionelle aber nicht minder spannende Art und Weise genähert. Was sie machen ist kein auditives Fastfood, sondern eine groß angelegte Meditation über die Möglichhkeit der Töne und ihre Wirkunfsweisen. Am Ende ergeben sich daraus Stücke, die uns Menschen, ob gestresster Großstädter oder entspanntes Land-Ei, helfen, zu verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 23.03.24 | KONTAKT | WEITER: NICK HUDSON "KANDA TEENAGE HONEY">
Webseite:
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COVER © Akasha Project, Attenuation Circuit (rsn)
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