"EXTENDED STIMULATION - 12" POP ADVENTURES ON THE DANCEFLOOR 1983-1988": WER HAT DEN LÄNGSTEN?
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Das Konzept ist so radikal wie sinnvoll: "Extended Stimulation - 12" Pop Adventures On The Dancefloor 1983-1988" konzentriert sich, wie es der Titel schon vorwegnimmt, auf fünf Jahre Popmusik. Es sind aber die vielleicht bedeutendsten, weil sich Popmusik davor und danach nie wieder so selbstreferentiell gerierte. Die Wirren des Punk hinter sich gelassen und den nihilistisch-dekadenten Ansatz von New Romantic massenkompatibel gemacht (die Erschwinglichkeit und explosionsartige Verbreitung hochwertiger Synthesizer mit neuen Features tat ihr Übriges), wurde Popmusik über Gebühr hin gefeiert und immer mehr auf Hochglanz poliert, ehe gegen Ende eine offensichtliche Übersättigung und Ideenlosigkeit eintrat.Viel wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass diese Zusammenstellung mit dem besonderen Blick eines Kenners erfolgte. Jan Burnett, selbst lange Zeit als DJ tätig, war ständig auf der Suche nach den verlängerten Versionen, die er für seine Clubnächte nutzen könnte. Seine Idee hinter diesem Kompendium: die Songs einem gewissen Spannungsbogen zu unterlegen und in Verbindung miteinander zu bringen. Überdies finden sich auch weniger offensichtliche Remixe, die damals schwer aufzutreiben waren.
So tummeln sich auf vier Discs allerhand Bekanntes und Skurriles, was "Extended Stimulation" den Charakter eines persönlich zusammengestellten Mixtapes verleiht. Rein stilistisch dürfte Nitzer Ebbs "Join In The Chant (Burn!)" am ehesten aus der Reihe tanzen. Wie man Burnetts kurzen Statements zu den einzelnen Songs im Booklet entnehmen kann, ist für ihn die Arbeit von Produzent Phil Harding ausschlaggebend für das Pop-Potenzial dieses EBM-Stücks.
Spannend sind die thematischen Übergänge. So huldigt der Mann mit Acts "Snobbery & Decay", Propagandas "Das Testament des Mabuse" und Glenn Gregorys "When Your Heart Runs Out Of Time" in einer Reihe der markanten Stimme von Claudia Brücken, die in allen drei Songs zu hören ist. Auch Culture Clubs "I'll Tumble 4 Ya" und Boy Georges reggaeesker Solo-Hit "Everything I Own" (in dieser gestreckten Version mit Toastings zu Anfang und Ende der Nummer) setzt den Paradiesvogel auf eine Empore.
Es ist das Jahrzehnt des Pop, also dürfen Songs von Stock Aitken Waterman nicht fehlen. Der aalglatte Sound, vielen als zu kitschig und seelenlos empfunden, bekommt ebenfalls eine Huldigung. Jan Burnett hat sogar eine seltene Aufnahme der drei Männer unter ihren eigenen Namen rausgeholt "Roadblock (Rare Groove Version)" ist ein funkiger Song mit latentem HipHop-Einschlag - und wesentlich kantiger als ihre Nummern, die sie für andere Künstler erdachten (eine davon ist ebenfalls vertreten. "Say I'm Your Number One" von Princess).
Auch schön: Pet Shop Boys, Electronic und New Order in eine Reihe zu setzen. Electronic war die Zusammenkunft zwischen PSB-Sänger Neil Tennant sowie Bernard Sumner von New Order und The Smiths' Johnny Marr. Sie verdeutlichen die gegenseitige künstlerische Befruchtung der Projekte.
Wie sehr übrigens auch deutsche Projekte in England reüssierten, zeigen zwei Nummern, die hierzulande vielleicht als zu schnulzig abgetan werden (und in einem Fall sogar bessere Chartplatzierung anuf der Insel erreichten als hierzulande): Fancys "Slice Me Nice" (den der Autor dieser Zeilen in Kindheitstagen regelmäßig durch sein Wohnviertel flanieren sah, stets mit seiner markanten Brille auf der Nase) gehört laut Burnett zum festen Inventar eines jeden DJs zu dieser Zeit - wenngleich die Zeile "I'm like a cake, that wants to be baked" bei den Briten sicherlich ein Schmunzeln hervorgebracht hat.
Der andere Kracher war "Requiem", die erste Single von The London Boys. In Deutschland hat der Song, der ein bisschen dem Euro-Dance-Sound eines Dieter Bohlen oder Michel Cretu nacheifert, die Top 30 nicht überschritten, in England ging es bis auf Platz vier rauf. Und immer noch ist die Begeisterung für dieses Stück nicht gebrochen (schenkt man den Kommentaren auf Youtube Glauben).
Es gibt vieles zu entdecken auf "Extended Stimulation" - manches davon wird einem als neuer Impuls in Erinnerung bleiben, manches Stück möchte man vielleicht wieder vergessen. Zweifelsohne gehörten die Jahre 1983 bis 1988 jedoch zu den spannendsten weil innovativsten der Popmusik, und die Kunst der Extended Remixe trieb zu dieser Zeit ihre vielleicht schönsten Blüten, die für diesen Sampler sich einmal mehr in voller Pracht entfalteten.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 19.09.25 | KONTAKT | WEITER: KALIPO VS. MONOLINK VS. THE HIDDEN CAMERAS>
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