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DEINE LAKAIEN "DUAL +" VS. ASP "ENDLICH!": GELIEBT-GEHASSTE PERFEKTIONISTEN

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Es war einer dieser buchstäblich denkwürdigen Momente, die der Autor dieser Zeilen miterleben durfte, als er - damals noch - einen schwarzen Club besuchte. Der DJ beschallte die Gäste mit etwas härterem Electro. Kurz darauf beschwerte sich ein Gast, dass er doch mal "richtigen Gothic" spielen solle und nicht so einen kommerziellen Scheiß. "Deine Lakaien oder ASP" könnte er doch mal auflegen. Woraufhin der Schallplattenunterhalter nur abschätzig lächelte und ihn mit der Frage "Das soll richtiger Gothic sein? Deine Lakaien? ASP? Dein Ernst?" erst einmal auf seinen Platz verwies.

Das Denkwürdige daran ist die Tatsache, dass in diesem kleinen Dialog die ganze Problematik erfolgreicher Szenebands kulminiert. Denn natürlich geht das, was beispielsweise Deine Lakaien musikalisch bieten, über den Post-Punk oder anderer Düsterspielarten hinaus. Alexander Veljanovs sonores Timbre, das einen liebevoll umarmt und die klassische Schulung des Konservatoriumsabgänger Ernst Horn bringen ein größeres und breiteres Musikverständnis mit als die meisten anderen Musiker in diesem Genre, weswegen das Publikum ein breit gefächertes ist und somit auch eine Berührung mit dem Mainstream unausweichlich bleibt.

Auch ihr ehrgeiziges Projekt einer Coverplatte ging über das übliche Maß hinaus. "Dual" unterliegt dem spannenden Konzept, Fremdkompositionen einen eigenen Song entgegenzusetzen, der sich in irgendeiner Weise mit der Neuinterpretation auseinandersetzt. Eine scheinbar sich selbst befruchtende Idee, denn die Menge an Songs, die das Duo sich ausgesucht hat, überstieg das Fassungsvermögen der ersten Platte.

Deshalb gibt es nun einen Nachschlag: "Dual+" präsentiert in etwas loserer Reihenfolge Coverversionen und Eigenkompositionen. Der Opener "The Cradle Song", ein typisches Lakaien-Stück, das zart und der Welt entrückt sich seinen eigenen phantastischen Kosmos erschafft, und das abschließende, referierende "Wiegenlied" von Michael Glinka, einem russischen Komponisten aus dem 19. Jahrhundert, klammern die weiteren Stücke ein.

Nach dem vom Vorgänger bekannten Muster funktioniert "Set The Controls For The Heart Of The Sun", einem Song aus der Frühphase von Pink Floyd. Das psychedelische Moment verwandeln die Lakaien in einen mystisch angehauchten Song, der das perfekte Pendant zum diametral gegenüber platzierten Song "Nightfall" bildet. Auch Devos "Mr. DNA", das aus dem Doppelsong "Smart Patrol/Mr. DNA" von den beiden herausgelöst wurde, verfrachtet die Energie des Post-Punk-Songs in einen manisches Piano, über das Veljanov den, einem Sprechgesang nicht unähnlichen, Text vorträgt. Der "altruistic pervert" findet sich dann in "Altruist", der Referenzkomposition der Lakaien, wieder, wobei das Stück in eine klanglich ganz andere, eher meditative Richtung abdriftet.

Desweiteren finden sich mit "The Seeker" oder "Fork" zwei Stücke, die nicht unmittelbar zu einem fremden Stück gehören. Im Gegenzug präsentieren sie mit der wunderbaren Version von "Losing My Religion" von R.E.M., das nur von Klavier und Streicher begleitet wird, eine alleinstehende Coverversion. Und die neue Version von "Run",welches als musikalische Antwort auf The Cures "The Walk" gedacht war, bekommt in der neuen Version einen unerwarteten, ruhigeren Twist.


Schlussendlich steht auch "Dual+", wie bereits sein Vorgänger, wie ein Monolith in der musikalischen Landschaft da. Dass es bei diesem Nachschlag nicht um eine billige Resteverwertung handeln würde, war aber ohnehin schon vorher klar.

Mit ASP verhält es sich dagegen wie mit der "Herr der Ringe"-Trilogie von Regisseur Peter Jackson. Die Filme sind in epischer Breite ausgeschmückt und bieten beste Popcornunterhaltung, was bei den eingefleischten Fans der Literaturvorlage eher ein Naserümpfen ob der Kommerzialisierung und Verkitschung des Buches hervorruft. Außer Frage bleibt jedoch, dass diese monumentalen Streifen in ihrer Detailverliebtheit und bilderreichen Pracht einfach unanfechtbar sind.

Umgemünzt auf die Band bedeutet das: ASPs lyrische Beschlagenheit und musikalische Finesse sucht in der Szene ihresgleichen und wird durch die im Laufe der Jahre immer aufwändiger gestalteten Artworks der Alben, die als mehrteilige Kapitel einer überordneten Geschichte fungieren, zum Gesamtkunstwerk wagnerianischen Ausmaßes.

Angesichts der über 20 Jahre andauernden Karriere sowie hoher Chartplatzierungen haben Dauernörgler mittlerweile ziemlich schlechte Karten. Natürlich werden sie auch wieder bei "Endlich!" irgendetwas zu bemängeln haben. Tatsächlich gibt es aber nichts an diesem furiosen Schlusspunkt des "Fremder"-Zyklus zu kritteln. Schon der Umfang alleine besticht: In der regulären Version gibt es drei CDs mit einem wie zu erwarten hingebungsvollen Booklet. Wahlweise kann man, wenn das Geld etwas lockerer sitzt, auch zu den limitierten Boxen oder Vinylausgaben greifen.

Jeden Cent wert sind diese Anschaffungen auf jeden Fall. Vor allem, weil auch dieses Mal ASP ihren musikalischen Weg weiter treu verfolgen, ohne aber eine Kopie von sich selbst anzufetigen.Auf diesem Album ist wieder alles dabei - dunkelbombastische Rocksongs, lyrische Intermezzi und mit der Rhapsodie "Tor" ein zehnminütiges Finale, in dem die Band nochmal ihr ganzes Können zur Schau stellt - beginnend mit akustischen Klängen, die mit fortwährender Dauer eine Metamorphose vollzieht und in eine üppige Rockballade endet.


Davor kredenzt uns die Band zwar allerlei vertraute Klänge, die aber nicht minder spannend bleiben. Besonders "Echo" bleibt aufgrund seines markanten Delay-Gitarrenspiels im Gedächtnis, das eigentlich das Markenzeichen von Gitarrist David Howell Evans, besser bekannt als The Edge von U2, ist. Aufgrund der stilistischen Nähe zu den gutmenschlichen Stadionrockern ist das Lied eines der eingängigsten auf "Endlich!".

Wie immer erübrigt sich aber ein akribisches Aufdröseln aller Stücke, da sie nur Teile eines übergeordneten Ganzen und miteinander verbunden sind. Aber auffällig ist, das ASP sich etwas gönnen, das in der heutigen Musikindustrie kaum noch existiert: Zeit. Zeit, Geschichten zu erzählen. Zeit, Songs langsam zu entfalten. Im Gegenzug verlangen sie aber von der Hörerschaft auch diese Zeit, sich mit dem aktuellen Werk auseinanderzusetzen und es in Relation zu den anderen Alben aus dem "Fremder"-Zyklus, der vor zehn Jahren seinen Anfang genommen hat, zu setzen. So erst beginnt die Magie der ASP´schen Welten zu wirken.


Natürlich funktionieren die Songs auch alleine, wie die Vorabsingle "Raise Some Hell" zeigt. Der übergeordnete Sinn wird aber erst im Kontext von "Endlich!" sichtbar. Für die Tanzflächen, welche momentan leider wieder im Begriff sind, geschlossen zu werden, findet sich auf "Endlich!" jedenfalls eine Menge Material.

Apropos: Der DJ vom Anfang des Artikels hat letzten Endes dann doch Deine Lakaien und ASP gespielt. Schließlich kommt man einfach nicht an ihnen vorbei. Die Gäste dankten es ihm mit einem vollen Tanzbereich. Denn ganz gleich wie szenekredibel oder auch nicht diese beiden Gruppen sind: Ihr Hang zur Perfektion müssen auch die härtesten Kritiker goutieren und neidlos anerkennen.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 07.12.21 | KONTAKT | WEITER: SEI STILL VS. THE BLACK VEILS VS. LA MÉCANIQUE>

Webseite:
www.deine-lakaien.de
www.aspswelten.de

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COVER © GOTHIC NOVEL ROCK RECORDS/TRISOL/SOULFOOD (ASP), CHROM RECORDS/PROPHECY/BROKENSILENCE (DEINE LAKAIEN)

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