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ASP "VERFALLEN FOLGE 2: FASSADEN": HÖHEPUNKT EINES GOTHIC-NOVEL-INTERMEZZO

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Unter traurigen Pianoklängen macht Protagonist Paul am Ende vom zweiten Teil der "Verfallen"-Saga endgültig Tabula rasa mit seiner Dämonin. "Astoria, Ich Bringe Dir Nichts Mehr", hört man ihn fast schon tonlos sagen. Und es beschleicht einen das Gefühl, dass nicht nur Paul, sondern auch Asp selbst müde und erschöpft ist. Erschöpft von einer Geschichte, in der die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit, Licht und Schatten und Unscheinbarkeit und Grausamkeit bis zur Schmerzgrenze ausgelotet wurden.

Denn Paul – wir erfuhren es bereits im ersten Teil "Astoria" – verschafft sich als kleiner Angestellter im einst bestrenommierten Hotel Leipzigs Zutritt. Als einer von vielen Bediensteten treibt ihn aber eine sonderbare Liebe umher. Das Astoria ist für den Mann nicht nur ein Gebäude, sondern eine Geliebte, eine Angebetete. Um ihr zu gefallen, beginnt er mit dem Töten. "Loreley" war die erste, die im Keller des Hotels ihre letzte Ruhestätte fand. Doch "Dabei ist es Leider Nicht Geblieben. Die Opfer Wurden Stetig Mehr" ("Unwesentreiben"). Über 100 sind es zum Eintritt in die Fortsetzung der Story.

Das gesamte Album ist Kampf. Ein Kampf der Hauptfigur mit seiner Spuk-Gestalt Astoria, der er in grenzenloser Liebe so ergeben ist, von der er aber auch weiß: "Du Bist Mir Medizin Und Gift" ("OdeM"). Musikalisch zwar wesentlich konservativer angesetzt als noch der erste Teil, der auch mal mit unerwarteten Stilen überraschte, besitzt "Fassaden" aber wieder diese perfekte Mischung aus eingängigen Melodien und bilderreicher Erzählung – von der ersten bis zur letzten, von Efeu umrankten Note.


Asp gelingt das Kunststück, die Spannung einer Geschichte hochzuhalten, deren äußerer Rahmen nun klar abgesteckt ist und sich daher immer stärker auf Pauls Gedankenwelt fokussiert. Der Wahnsinn, den der Protagonist anheim gefallen ist, drückt sich vor allem in "Hinter Den Flammen" aus, das ASP mit schwer-morbiden E-Gitarren beginnen lässt, im Zwischenspiel aber den Saiteninstrumenten den Saft abdreht, um anschließend im Refrain eine leichtfüßige Variante ihres Novel-Gothic-Rock zu spielen.

Es ist die klangliche Übersetzung von Pauls Charakter, der nicht eindimensional auf Schockmomente ausgelegt ist, sondern in seiner Vielschichtigkeit und fast schon beängstigend kühlen Selbstanalyse Spannung beim Hörer erzeugt. So lässt er, begleitet von den unaufgeregten Akustik-Klängen in "Zwischentöne: Abfall" eine Wandattrappe im Keller ein, um die Leichen zu verbergen. "Draußen Baute Man Die Teilungsmauer, Und Bald Tat Ich Es Ihnen Gleich", lässt ASP ihn sinnieren. Die schlaglichtartigen Querverweise auf die deutsche Geschichte (so auch bei "Unwesentreiben" und "SouveniReprise") dienen nicht nur zur zeitlichen Orientierung beim Hörer. Sie zeigen ebenfalls, dass der Protagonist nicht völlig abgedriftet ist in eine surreale, vom Wahn beherrschte Welt.

Doch in "Umrissmann" wird auch diese Realität umgedeutet und in Frage gestellt. "Ich Diene Dir Seit Hundert Jahren", klagt Paul, der wohl nun selbst als Geist in den Katakomben des Astoria verweilt. "Bitte Gi
b Mich Endlich Frei!" fleht er. Schließlich wird im abschließenden "SouveniReprise", einem musikalischen Rückgriff auf das Stück "Souvenir, Souvenir" aus dem ersten Teil, Pauls Ende besiegelt. "Ein Letzter Gang, Ich Mache Mich Bereit, (...), Vielleicht Wird Sich der Ofen Neu Entzünden."

Zu diesem Zeitpunkt steht die einstige Edel-Adresse bereits leer – wie auch im wirklichen Leben. Und obgleich es sich um ein Schauermärchen handelt, so ist die Intensität, mit der die Band diese Geschichte erzählt, derart hoch, dass man versucht ist, die Ruine des Astoria zu betreten, um vielleicht doch diese künstliche Wand zu entdecken, hinter der sich Pauls Opfer befinden.

Wie zu erwarten, liefern ASP eine Hochglanz-Gothic-Novel erster Güte ab, die auch optisch bereits in der Standard-Ausgabe klotzt und nicht kleckert: Das aufwändig gestaltete Coverartwork - inklusive zwei opulenter Booklets – zeigt die große Liebe zum Detail, die auch bei dieser eingeschobenen Episode (für "Verfallen" legte ja der Frontmann seinen begonnenen "Fremder"-Zyklus auf Eis) nicht vernachlässigt wird. Ein äußerst gelungenes Intermezzo mit einem morbid-delikaten Höhepunkt.


||TEXT:  DANIEL DRESSLER  | DATUM: 13.04.16 |   KONTAKT |  WEITER: KURZ ANGESPIELT 3/16>


Webseite:
www.aspswelten.de

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COVER © TRISOL/SOULFOOD


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