Hauptmenü
Achim Reichel hat seinen eigenen Kopf. Als Mitbegründer der Rattles holte er in den 1960ern den Beat von England nach Deutschland, nur um ihm kurze Zeit später Lebe wohl zu sagen und als deutschsprachiger Sänger eine veritable Solo-Hallo Achim, A.R. & Machines zählt nicht unbedingt zu den bekanntesten, wiewohl aber zu den interessantesten Projekten, die Du je gestartet hast. War dieser psychedelische Krautrock die konsequente Fortentwicklung Deiner Karriere nach dem Ende bei den Rattles?
Ich denke, dass man es so nicht sehen kann. Bei den Rattles ging es extrovertiert und körperbetont zur Sache, während A.R. & Machines sich eher von spiritueller Innerlichkeit leiten ließ.
Die Zäsur Deiner Rattles-
In der Nachsicht bin ich nicht unfroh über diese Zäsur mit der Wehrpflicht. So ist mir die Erfahrung erspart geblieben, nach einigen weiteren guten Jahren mit den Rattles, dem engen musikalischen Gestaltungsraum nicht mehr entfliehen zu können. Als Lebensperspektive schien es mir weniger geeignet.
A.R. & Machines erschien in einer bewegten Zeit, die nachfolgende Generationen nur noch durch mannigfaltige Fernsehdokumentationen kennen. Waren die späten 1960er und frühen 70er wirklich so freigeistig, so offen? Oder glorifiziert man heutzutage die Vergangenheit?
Ich war Anfang der 70er noch keine 30 Jahre alt. Irgendwann wurden daraus die "guten alten Zeiten". Wohl auch, weil es damals Träume gab, die es wert waren, geträumt zu werden. Für mich gehörte auch eine gewisse Experimentierfreude dazu, die mich zu neuen Ufern brachte.
Das erste Album hast Du "Die grüne Reise" getauft. In Verbindung mit Deinen meditativen bis trancigen Klängen, die Du Deiner Gitarre entlockst, erscheint vor meinem geistigen Auge ein saftig grünes Marihuana-
Da lässt dich dein geistiges Auge nicht in Stich. Das, was früher ein Tabu war, ist heute weniger der Fall.
Um das Drogenthema etwas in den Kontext der Zeit zu rücken: Wie "normal" war damals die Präsenz bewusstseinserweiternder Substanzen in der Musikbranche? Gerade die Hippie-
In künstlernahen Kreisen, egal ob in der Literatur, den bildnerischen Künsten oder bei den Musikschaffenden, wurde seit je her ein freierer Umgang mit "Dope" gepflegt und sollte niemand mehr in Erstaunen versetzen. Heute scheint es mir gesamtgesellschaftlich "normaler" geworden zu sein als es damals war.
Erstaunt haben mich die Namen der Songs: "Aufwärmen im Vogelkäfig", "Meerjungfrauen im Whiskeyglas", "Warum Peter nur noch Ferien macht". Sind sie auch aus einer haschumwölkten Laune heraus entstanden?
Die Titel der Tracks sind nach expressionistischer Sichtweise gewählt. Sie sollen sich dem Rationellen entziehen, sind realitätsüberschreitend. Ich hätte die Titel auch durchnummerieren können. Schien mir aber, auch ohne Haschumwölktheit, deutlich langweiliger zu sein.
Es war ja mehr ein Zufall, wie Du auf diese "Soundlandschaften" gestoßen bist, nämlich durch "falsches" Bespielen Deines damals neuen Bandgerätes. Heutzutage sind solche experimentellen Fehler meines Erachtens durch die vollständige Digitalisierung der Aufnahmetechnik eigentlich kaum mehr möglich. Schränkt das auch nicht ein bisschen die künstlerische Freiheit im Vergleich zu früher ein?
Wo neue Freiheiten entstehen, gehen andere verloren. Da gilt es, die Vorteile gegen Nachteile abzuwägen.
Gehen wir kurz auf das erste Album ein. "Die grüne Reise" zitiert ja auch angloamerikanische Popkultur wie in "A Book Blues". Doch wie sehr würdest Du dieses Album als "deutsches" Album bezeichnen? Immerhin stehst Du mit dem Kraut-
Obwohl mein Vater ein Schweizer war, ist es zweifelsfrei ein "deutsches" Album. Wenngleich weniger "typisch deutsch", als es zum Image von Kraftwerk gehört. Bei mir spielte die Technik eine andere Rolle und eröffnete mir die Welt der Loopings. Mein Bestreben war es eher, eine eigene musikalische Sprache zu finden.
Kannst Du Dich noch an die ersten Reaktionen von Fans oder Presse erinnern, als "Die grüne Reise" herauskam?
Auch der deutsche Musikjournalismus steckte in den frühen 70ern noch in den Kinderschuhen. "Die grüne Reise" passte zum Zeitpunkt des Erscheinens in keine der gegebenen Schubladen und hatte es damit schwer, positive Erwähnung zu finden. Mein in den 60er Jahren entstandenes Image sorgte zusätzlich für Irritation. Dass ein junger Künstler in seiner Entwicklung steckte und dieser Prozess für Überraschungen sorgte, war manch einem zu radikal und widersprach den Erwartungen marktkompatibel zu sein.
Was hat Dich letzten Endes dazu bewogen, nach mehr als 40 Jahren den A.R. & Machines Katalog wieder zu veröffentlichen?
Weil A.R. & Machines, nachdem ich mich von diesem Projekt längst verabschiedet hatte, einen späten, dafür aber um so kräftigeren Widerhall in der internationalen Musikpresse fand. Parallel dazu erreichten mich im Laufe der Jahre hunderte von E-
Schließlich gipfelte die Reanimierung von A.R. & Machines in einem Auftritt in der neu errichteten Elbphilharmonie. Ein Ritterschlag für Dich?
Für mich war dieser Abend ein wahrlich großes Geschenk, für meinen Weg "vom Star Club bis in die Elbphilharmonie" hab ich diesen Ritterschlag gern entgegen genommen. Obendrein wurde mein einst weitgehend unverstanden gebliebenes 70er-
Welches Publikum hast Du vorgefunden? Nur alte Wegbegleiter oder auch neue, junge Gesichter?
Was ich vorfand, war ein ausverkauftes Haus, aber frag mich nicht nach Gesichtern. Mein musikalischer Beitrag bedurfte höchster Konzentration. Da lass ich mich ungern ablenken und studiere Gesichter. Was zählt ist die Performance.
Würdest Du sagen, die Menschen waren damals noch nicht reif für A.R. & Machines, sind es aber jetzt?
Das denke ich tatsächlich, wie anders sollte "das späte Echo" erklärbar sein?
Könntest Du Dir vorstellen, nochmal ein Album im Stile von A.R. & Machines aufzunehmen?
Solang es nur ums Vorstellen geht, ist alles möglich. Ich bevorzuge es, die Dinge auf mich zukommen zu lassen, und dann erst wägen wir ab...
Webseite:
www.achimreichel.de
FOTOS © HINRICH FRANCK, MATTI KLATT (PORTRAIT), HANS JÜRGEN DIBBERT (LIVEFOTO)
Kurze Info in eigener Sache
Alle Texte werden Dir kostenfrei in einer leserfreundlichen Umgebung ohne blinkende Banner, alles blockierende Werbe-
Wenn Dir unsere Arbeit gefällt und Du etwas für dieses kurzweilige Lesevergnügen zurückgeben möchtest, kannst Du Folgendes tun:
Druck' diesen Artikel aus, reich' ihn weiter -
Alleine können wir wenig verändern; gemeinsam jedoch sehr viel.
Wir bedanken uns für jede Unterstützung!
Unabhängige Medien sind nicht nur denkbar, sondern auch möglich.
Deine UNTER.TON Redaktion
WEITERE ARTIKEL AUF UNTER.TON
IM GESPRÄCH: ECKI STIEG
IM GESPRÄCH: MATT HOWDEN (SIEBEN)
IM GESPRÄCH: JEAN DELOUVROY
IM GESPRÄCH: BERT OLKE (KLANGWIRKSTOFF RECORDS)
IM GESPRÄCH: MATHIAS WAGNER (KURATOR DER SONDERAUSSTELLUNG "GENIALE DILLETANTEN")
Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-
© || UNTER.TON|MAGAZIN FÜR KLANG-