"GRENZWELLEN DREIZEHN" VS. "COLD TRANSMISSION SELECTED WORKS 2024": AUS LIEBE ZUR MUSIK
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Mittlerweile ist es eine liebgewonnene Tradition von Radiomoderator Ecki Stieg, seiner Sendung "Grenzwellen", die bereits in den 1980ern die hiesige Gothic-Szene nachhaltig prägte, einen gleichnamigen digitalen Sampler zu zur Seite zu stellen. Zunächst erschienen diese in loser Abfolge, je nach dem wie viel an brauchbarem Material vorhanden war. Das führte auch schon mal zu einem wahren Musikmarathon mit über 50 Songs.
Seit einigen Jahren ist diese Samplerreihe in einen klingenden Adventskalender umgemodelt worden. Die Idee ist dabei so einfach wie liebevoll: Zwischen dem ersten und 24.Dezember wird ein Song nach dem anderen an die Öffentlichkeit gebracht. Am Ende steht ein Sampler mit knapp Drei Stunden Spielzeit zu Buche.
Damit gelingt Ecki Stieg ein ganz besonderer Kniff. Die Hörerschaft hat die Möglichkeit, sich jeden Tag auf einen neuen Song, der sich irgendwo zwischen Neoklassik, Ambient, Electronica und Industrial bewegt, zu konzentrieren, und am Ende des Kalenders den Sampler in Gänze noch einmal auf sich wirken zu lassen.
Denn es macht einen Unterschied, ob man die Stücke (unter anderem von FabrikC, r.roo oder Theothersideofwho?, die bei Stieg bereits Stammgästestatus besitzen, sowie zwei Live-Mitschnitten vom Grenzwellen-Abend im April vergangenen Jahres) für sich genommen oder im Kontext der Zusammenstellung anhört. Es verändert die Stimmung der Lieder! Deswegen auch hier wieder die Bitte des Machers: "Grenzwellen Dreizehn" in der vorgegebenen Reihenfolge anhören und die Zufallswiedergabe ausschalten.
Weiterhin bleibt der Mann aus Rehren im Auetal komplex arrangierten Instrumentalen treu. Besonders einnehmend sind die fließend melodischen Elektroniknummern wie "Organic Sequence 3" von Adeptus Mechanicus oder das üppige "Natural Insomnia" von Tapana, die in der vorweihnachtlichen Hektik veritable Ruhepole bilden und einen tief entspannen lassen. Einmal mehr vereint "Grenzwellen Dreizehn" tönerne Traumwelten von atemberaubender Schönheit und filigraner Zerbrechlichkeit.
Den Gegenpol zu den Grenzwellen-Klängen bildet Andreas Herrmann. Als Chef des Cold Transmission Labels ist er eher im typischen Wave- und Gothic-Bereich unterwegs, verfolgt aber wie Stieg ein ähnliches Ziel: Bands oder Künstlerinnen und Künstler zu finden, die dem bisherigen Dunkelsound neue Aspekte beimengen und so weiterentwickeln. Dafür rekrutiert er auf seinem Label Kunstschaffende aus allen Ecken und Enden der Erde.
Sicherlich gehörte 2024 zu einem sehr guten Jahr für die Plattenfirma, die sich weiter mit ihrem Musikangebot profilieren konnte. Einen sehr guten Überblick bietet der Sampler "Cold Transmission Selected Works 2024", bei dem das Label einen guten Querschnitt durch die letztjährigen Highlights vollführte.
Natürlich immer mit dabei: S Y Z Y G Y X. Das Projekt der amerikanischen Musikerin Luna Blanc besticht durch einen minimalen Electro-Wave, über die Luna ihre klaustrophobischen bis erotischen Texte mit beschwörendem Timbre vorträgt. "Your Sex Is An Accelerant" klingt dabei wie die Quintessenz ihrer Kunst.
Ohnehin tummeln sich auf dem Label viele female-fronted Projekte. Großartig sind neben den aus Portugal stammenden Necrø ("Into Oblivion") auch Kalte Nacht aus Athen. Der energische Coldwave wird von der betörenden Stimme von Myrto Stylou komplettiert. Ihr Album "Urge" sei an dieser Stelle noch mal ans Herz gelegt, das Stück "The Last Breath", das für die Zusammenstellung ausgesucht wurde, gehört zweifelsfrei zu den Höhepunkten des Debütalbums.
Neben den überwiegend elektronischen Songs fallen auch immer wieder einige Stücke auf, in denen das Gitarrenspiel eine übergeordnete Rolle spielt. Dead Astronauts mit ihrem formidablen "Murder Hotel" und Mark E. Moons "Daemons" wirken deutlich erdiger und organischer, obgleich auch hier Synthesizer und Sequencer ihre Plätze nicht komplett räumen. Insbesondere The Cold Field (ihres Zeichens Australier) dürfte den nostalgischen Waver in Verzückung bringen.
Auch wenn es sich lediglich um eine Zusammenstellung bereits veröffentlichter Stücke handelt, spiegeln diese doch sehr deutlich, wie breit aufgestellt Cold Transmission ist. Und dass Labelchef Andreas Herrmann ein sicheres Gespür für das Besondere besitzt.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 21.01.25| KONTAKT | WEITER: THE CALM GREY "NIEMALS GENUG">
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Cover © Katrin Rathsfeld/Grenzwellen ("Grenzwellen Dreizehn"), Cold Transmission ("Cold Transmission Selected Works 2024")
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