CATAPHILES "SHADOW SELF" VS. FAKE PLASTIC "AWAKE IN THE NIGHT": HANSEATISCHE HÄRTE - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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CATAPHILES "SHADOW SELF" VS. FAKE PLASTIC "AWAKE IN THE NIGHT": HANSEATISCHE HÄRTE

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"Moin!" - "Moin!" - "Wie is'?" - "Muss ja. Und bei dir?" - "Joa, ne?" - "Jo" - "Als' denn!" - "Als' denn". So oder so ähnlich stellt man sich ein intensives Gespräch zwischen zwei Norddeutschen vor. Dass dieser Menschenschlag nach Meinung vieler eher wortkarg sei, ist vielleicht etwas übertrieben dargestellt, aber besitzt im Kern eine große Wahrheit. Nordlichter sagen nicht mehr als sie müssen, aber wenn sie etwas sagen, hat es meistens Hand und Fuß.

Bei den Bremer Musikanten und der Musikantin von Cataphiles wird aber deutlich: Hier gibt es einiges zu erzählen. Denn Keyboarderin und Sängerin Anja sowie Mommers, ebenfalls vorm Mikro und an der Gitarre, machen sich über vieles Gedanken. Deswegen haben sie ihr Titel auch "Shadow Self" genannt. Es geht um die Frage nach der individuellen Existenz und der Diskrepanz zwischen der Wunschvorstellung eines Einzelnen und der eigentlichen Realität.

Zusammen mit Bassist Heini und Jan an den Drums kleiden sie ihre Ansichten in einen hektischen Post-Punk-Sound, in dem sich Wut, Angst und Ungewissheit zu einem brodelnden Gemisch vereinen und beispielsweise in "The Privileged" so viel Energie besitzen, um einen neuen Stern gebären zu können.

Doch es sind nicht nur die trüben Gedanken über eine Menschheit, die aufgrund ihrer Hybris im Begriff ist, sich selbst auszulöschen, sondern auch die eigenen, privaten Ereignisse und Erfahrungen, die in "Nähe" sogar teilweise in der Muttersprache verhandelt werden. Auch in diesen Momenten machen Cataphiles keine Pause und knüppeln mit unverminderter Wut durch ihre Stücke.

Dass sie dabei aber nicht beliebig werden oder in eine hohle Pose verfallen, liegt erst einmal am Material selbst: Ihre Songs sind einfach gut arrangiert und produziert. Und dann ist es auch die Attitüde einer Gruppe, bei der jedes Mitglied mit Leidenschaft sein Instrument bearbeitet: die feinen Synthielinien im Hintergrund, die heulend-verhallten Gitarren, der grummelnde Bass, das unnachgiebige Schlagzeug - sie alle machen "Shadow Self" zu einem bemerkenswerten Album, das auch noch weiter in einem arbeitet, wenn die letzte Note bereits verklungen ist.

Der Autor dieser Zeilen freut sich natürlich riesig, wenn eine Band sich anschickt, der Redaktion ihr Album vorzustellen. Die Band Fake Plastic hat sogar angegeben, zu den treuen Lesern dieser Seite zu gehören und dass die Band sich von den Empfehlungen der Redaktion Inspiration geholt hat. Das sind Wörter, die wie Öl runter gehen.

Dass "Awake In The Night" aber umgehend besprochen wird, liegt nicht an der herzlichen Mail von Till Werkmeister (Gitarre, Gesang), Peter Kücherer (Schlagzeug) und Robert Post (Bass), sondern einzig und allein daran, dass dieses Album von einer unbändigen, erdigen Energie geprägt ist, wie sie seit langem nicht mehr zu hören gewesen ist. Und es wäre auch ziemlich schäbig, Platten nur wegen ein paar warmer Worte zu besprechen.

Nein, Fake Plastic überzeugen mit ihrer Musik. Diese umschreiben sie auf ihrer Bandcamp-Seite als "indie rock as it should be - angry, mysterious, adventurous and poetic". Was verdächtig nach tumber Selbstbeweihräucherung klingt, ist tatsächlich eine gesunde Einschätzung ihres Könnens. Bei "Waiting/Working", dem vielleicht schönsten Song auf dem Album, schimmern sogar einige klassische Rocksounds durch - kurzzeitig fühlt man sich gar an die Rolling Stones oder Led Zeppelin erinnert.

Das mag vielleicht auch daran liegen, dass Till stimmlich auf einer Linie mit Robert Plant und Mick Jagger ist, aber einen deutlich punkigeren Einschlag besitzt. Sein Organ jedenfalls ist Dreh- und Angelpunkt aller Fake-Plastic-Songs, die durch die teilweise schnodderige Darbietung wie in "Your Gods Are False" auch viel Groll in sich trägt und damit auch den Texten Rechnung trägt.

Bleiben wir noch bei diesem Song, da er auch Tills feines Gitarrenspiel offenbart und den melancholischen Kern des Songs offenlegt, was - bei aller hanseatischen Härte - auch Post-Punk-Fans erfreuen kann. Am Ende ist genau das ihr Erfolgsrezept: Eine Mischung aus Classic-, Indie- und Garage-Rock, von vielen Seiten inspiriert, aber am Ende doch komplett eigenständig. "Awake In The Night" überrascht  auf ganzer Linie.

"Moin!" - "Moin!" - "Wie is'?" - "Joa, hab neue Bands kennengelernt: Cataphiles und Fake Plastic."- "Und? Sind gut?" - "Jo?" - "Werd' ich auch mal hören." - "Tu das!" - "Jo." - "Als' denn" - "Als' denn". Wäre eine schöne Variation eines norddeutschen Dialogs (gerne auch in anderen Dialekten in ganz Deutschland).

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 01.04.25 | KONTAKT | WEITER: CRUSH OF SOULS VS. RINA PAVAR>

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COVER © SABOTAGERECORDS (CATAPHILES), HEY! BAND (FAKE PLASTIC)

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