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STEINWOLKE "GLÜCK AUS GLAS": DIE LUXUSLIMOUSINE FÄHRT NICHT MEHR

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Ein junges Mädchen blickt wie gebannt auf ihr Smartphone, während der Sessel, auf dem sie sitzt, in Flammen aufgeht. Um sie herum grauer Pflasterstein, ein marodes Piano, zu seinen Füßen ein Reifen. Auf dem Bürgersteig prangt der Bandname in gelben Lettern und erinnert an die amerikanischen Absperrbänder des NCIS. Ganz klar: Bei Steinwolke ist seit ihrem großen Hit "Katharine Katharne" vor rund 40 Jahren viel passiert. Und das Bild lässt viele Deutungsmöglichkeiten zu. Ist die Frau auf dem Cover vielleicht die "Katharine 2.0", welche stellvertretend für eine neue Generation, die ihre Hoffnungen scheinbar aufgegeben haben und die gefährliche Zerstreuung im weltweiten Netz sucht, das Bild ziert? Und ist der verrostete Reifen vielleicht das Überbleibsel der "Luxuslimousine", welche damals (als Benzin noch keine "Drei mark Zehn" gekostet hat, obwohl NDW-Kollege Markus dies damals schon in Erwägung gezogen hat) die Katharine durch den Song kutschierte?

Es lässt sich nicht leugnen: Die Formation, die ursprünglich eine fast reine Familienveranstaltung war, hat an Jahren und Erfahrungen gewonnen. Nun stehen da fünf Männer, Andreas und Konrad Haas, Dominic Diaz,Jens Kramer und Ulli Schmid, alle im fortgeschrittenen Alter, die einiges gesehen haben und ihre Gedanken in ihre Kompositionen einfließen lassen. Der Titelsong, gleichzeitig Opener des Albums, behandelt die Flüchtlingskrise und bricht sie auf die persönliche Begegnung mit einem Hilfesuchenden runter. Familie Haas selbst weiß, was das bedeutet. Dominic Diaz, der als Inder in Uganda während der Terrorherrschaft von Idi Amin vertrieben wurde, fand bei Konrad und Andreas eine neue Heimat. In "Afrika" wird diese Familiensaga erzählt, ausgehend vom Tag der Landung Diaz' in Deutschland, als ihn Konrad als 17-jähriger vom Flughafen abholte. Eine rührende, aber auch zutiefst humanistische Geschichte, die uns daran erinnert, dass gemeinsam besser als gegeneinander ist - eine Weisheit, die besonders in diesen Tagen immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden muss.

Vor allem durch die Herausforderungen, die uns als Gesellschaft bevorstehen. Doch auch da blicken Steinwolke mit Sorge und Bitterkeit auf die Szenerie. Wenn in "Mir geht's gut" die Moll-Akkorde erklingen, während darüber gesungen wird, wie die Menschen die viel zu heißen Sommer der letzten Jahre ausgiebig feiern und sich gar nicht der Gefahr bewusst sind, läuft einem ein eisiger Schauer über den Rücken. Zweifellos gehört dieses Stück zu den Höhepunkten des Albums.

Die musikalische Umsetzung ist, neben der gelungenen Themenauswahl, eine weitere Wundertüte. Man merkt, dass einige der Mitglieder zwischenzeitlich einen anderen Weg eingeschlagen und unter anderem beim Theater gelandet sind. Das scheint sich in einigen Nummern niederzuschlagen. Die Streichquartett-Klänge in "Das alles bist du" geben dem Song  einen hochkulturellen Anstrich, und "Good Bye" schafft es, Blues, Swing und Freddy-Quinn-Sehnsucht so zu vereinen, das sich in dem kitischigen Schunkellied auch eine Prise Humor und Selbstironie befindet.

Meistens jedoch, und das ist das wirklich Schöne an "Glück aus Glas", gehen die Steinwölker den Weg weiter, den sie einst angefangen haben. Ihnen gelingt es, wie eine gut gealterte NDW-Band zu klingen, auch wenn es nie ihre Absicht gewesen war, mit dieser Welle mitzuschwimmen.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 20.09.24 | KONTAKT | WEITER: WAS MACHT EIGENTLICH STEIMWOLKE?>

Webseite:
www.steinwolke.de

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