DARIO ARGENTOS "DRACULA": BISS ZUR LANGEWEILE
RUBRIK: AUF DEM PRÜFSTAND
Kaum ein gutes Wort gab es zuletzt über den Vampir des 21. Jahrhunderts zu verlieren. In unserem Artikel zu den fünf besten Vampir-Songs attestierten wir dem Fürsten der Finsternis ein geradezu kastriertes Dasein: Als weichgespülter "Twilight"-Romeo oder grellbunt kreischendes Fashion-Victim in "Monster High". Zuletzt zeigte Horror-Veteran Dario Argento Erbarmen und schickte sich an, das angekratzte Grusel-Image der transsylvanischen Legende mit seiner "Dracula"-Adaption zu reanimieren. Leider entpuppt sich dieses an sich rührende Vorhaben als echte Mission Impossible: Obgleich die rote Flüssigkeit munter sprudelt und plätschert, kommt Good-Old-Vlad in diesem Streifen enttäuschend blutleer daher. Da können auch putzige Computeranimationen und spaßige 3D-Technik nichts mehr retten...
Eine Hommage an das klassische Horror-Genre sollte diese bewusst auf altmodisch getrimmte Aufarbeitung der weltbekannten Romanvorlage von Bram Stoker werden. Dario Argento erzählt die Geschichte vom Buchhalter Jonathan Harker nach, ohne sich dabei größere künstlerische Ausflüge zu gestatten.
Auf Graf Draculas transsylvanischem Schloss nimmt Harker eine Stelle an – und erfährt später von der wahren Identität des Blutsaugers. Doch nicht nur er, sondern auch seine Frau Mina und deren Freundin Lucy sind in Gefahr: Sie alle sollen dem Untoten durch einen wohl platzierten Biss in seine Welt folgen. Am Ende kann nur noch der niederländische Vampirjäger Abraham van Helsing helfen: So weit, so bekannt.
Dabei birgt die Idee an sich durchaus Potential: Argento wollte einfach mal einen Film gegen aktuelle, cineastische Gepflogenheiten drehen. Ruhe sollte wieder einkehren in die Bilder; der Grusel-Faktor wäre dann in der Ausarbeitung des Übernatürlichen und Surrealistischen begründet. Stilistische Mittel, die sich vor allem in den Anfängen des Horrorfilms ausdifferenzierten: Argento nutzt viele davon. Vielleicht wünscht man sich gerade deshalb, er hätte seinen "Dracula" in Schwarz-Weiß abgedreht: Diese klare Farbwahl würde einigen seiner Charaktere noch mehr Tiefe verleihen. Allen voran seinem Dracula-Darsteller Thomas Kretschmann, der als undurchsichtig rätselhafter Graf eine recht ansehnliche Darstellung liefert.
Er und Rutger Hauer, der in seiner Rolle des van Helsing leider erst nach mehr als einer Stunde die Szenerie betritt, bieten ein spannendes Finale im immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse. Bis es aber soweit ist, braucht das Publikum viel Geduld – und auch eine ordentliche Portion Humor. Denn so richtig ernst nehmen kann man das, was Schauspieler und die Abteilung für Special Effects hier abliefern, nicht: Unax Ugaldes Harker fällt im Kontrast zu Kretschmanns stoisch-mystischem Dracula eher farblos aus, Marta Gastini versucht sich hölzern und ziemlich fad an der Rolle der Mina, und Argentos Tochter Asia verkauft sich als Lucy deutlich unter Wert.
Nur Kretschmann und Hauer ist es am Ende zu verdanken, dass der Film nicht gänzlich ins Bodenlose abdriftet und im Minutentakt für Fremdschäm-Alarm oder Langeweile sorgt.
Abgerundet wird der schale Horror-Fantasy-Cocktail natürlich durch die obligatorischen Nackt-Szenen und jede Menge (Theater-) Blut. Das freut sicherlich den Genre-Fetischisten, täuscht aber nicht über die dramaturgischen und auch technischen Schwachstellen des Streifens hinweg. Vor allem ärgern die unsäglichen Computeranimationen, die ebenso Quatsch sind wie die teilweise unmotivierten Handlungsabläufe der Statisten. Dass sich Dracula in Argentos Vorstellung nicht nur in eine Fledermaus, sondern in bester Zeus-Manier nach Belieben auch in alle anderen Arten des Tierreichs verwandeln kann, mag spannend klingen. Jedoch fallen die fürstlichen Metamorphosen unfreiwillig komisch aus; statt grottiger 3D-Effekte aus der Retorte hätte man vielleicht doch lieber einen guten Maskenbildner bemühen sollen.
An vielen Stellen dümpelt Argentos "Dracula" uninspiriert vor sich hin und verpasst damit die Chance, kultiger Grusel-Trash zu werden.
Ideen sind zwar irgendwie da, wurden aber wahlweise nicht konsequent zu Ende geführt oder nur lieblos umgesetzt. Schon erstaunlich, denn der italienische Regisseur hat als alter Horror-Hase schon in früherer Zeit bewiesen, dass er sein Handwerk durchaus beherrscht. Es ist zweifellos etwas faul im Staate Transsylvanien.
Trotzdem bringt Dario Argentos Dracula nach sehr viel Stirnrunzeln am Ende auch ein leichtes Lächeln auf die Lippen: Denn nach so vielen Jahren verweichlichter Vampir-Happiness tut es zur Abwechslung dann doch ganz gut, den Finster-Fürsten mal wieder böse, angsteinflößend – und auf seine Art und Weise auch höchst erotisch – zu sehen.
|| TEXT: DANIEL DRESSLER / DATUM: 22.10.2014 | KONTAKT | WEITER: SOPOR AETERNUS "MITTERNACHT" >
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