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DEUTSCH AMERIKANISCHE FREUNDSCHAFT "DAS IST DAF": TANZ RADIKAL

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Am Anfang ist da sicherlich einfach nur der Reiz, etwas neues zu kreieren. Keiner denkt zu diesem Zeitpunkt daran, etwas Bahnbrechendes zu schaffen, das Musiker späterer Generationen noch immer beeinflussen sollte. Aber einen gewissen Masterplan müssen Gabi Delagdo López und Robert Görl schon in der Tasche besessen haben, als sie sich vor rund 40 Jahren dazu entschließen, die Deutsch Amerikanische Freundschaft ins Leben zu rufen.

Am Ende steht nun eine monolithene 5-CD-Sammlung: "Das ist DAF". Elegant schlicht kommt die Box daher, die Buchstaben so groß wie die Überschriften eines bekannten Boulevardblatts, in schwarz-weiß-roter Farbgebung auch immer etwas militaristisch anheimelnd. Schließlich sind DAF der Inbegriff treibender Elektronik, die Musiker wie auch Publikum drillt, und als tönerne Blaupause der Electronic Body Music, kurz EBM, in die Annalen der Pophistorie Einzug gehalten hat.

Tanzbefehle, Verherrlichung der Jugend und sexuell unterfütterte Szenerien treffen hier im Stroboskopgewitter zusammen. Robert ist die Mensch-Maschine am Schlagzeug, kämpft mit der kühlen Dynamik eingespielter Sequenzen, die stoisch vom Band und ohne Rücksicht auf Verluste ihre Melodien absondern. Gabi ist nicht nur Sänger, sondern auch Vorturner, Motivator, Entertainer, Priester. Schließlich steht und fällt die ganze Performance mit seiner Energie.

DAF haben das Bandkonzept aufgelöst, die Musik auf ihre Quintessenz eingschmolzen und ein Destillat aus Punk, Pop und Electro geschaffen. So sind auch die einzelnen Alben nur noch in dünne Pappschuber mit den jeweiligen Original Plattencovern gesteckt. Nur ein Faltblatt auf Englisch (man beachte den internationalen Anspruch!) fasst das Wirken von DAF zusammen, die ihre Karriere aber ganz anders begonnen haben.

Weswegen "Das ist DAF" auch nur die halbe Wahrheit darstellt. Sie lässt nämlich das "inoffizielle" erste Album "Ein Produkt der Deutsch Amerikanischen Freundschaft" geflissentlich unter den Tisch fallen. Vielleicht, weil Delgado-López zu diesem Zeitpunkt nicht dabei war und dieses Werk aus über 20 experimentellen Instrumental-Miniaturen besteht, die aus der Aufbruchszeit der ersten deutschen Punkgeneration resultiert und - im Bandkontext betrachtet - tatsächlich wie im luftleeren Raum sein orientierungsloses Dasein fristet. Und auch "1st Step To Heaven" von 1986 findet sich nicht in dieser Sammlung. Wohl nur deswegen, weil es notabene das schlechteste Album ist, das sie je produzierten und sowohl bei Fans als auch Kritikern grandios durchgefallen ist.

So beschreibt das Kompendium also die kurze, aber sehr intensive Blütezeit dieses infernalischen Duos, das bei "Die Kleinen und die Bösen" noch als Qintett mit Chrislo Haas an Synthesizer und Saxofon (kurze Zeit später wird er als Liaisons Dangereuses den Club-Evergreen "Los Niños Del Parque" erschaffen) Michael Kemner am Bass (der nach diesem Album zu den Fehlfarben rübermacht) und Wolfgang Spelmanns an der Gitarre (später bei Mau Mau tätig) operiert. Das Album ist ein Hybrid aus Studio- und Liveaufnahmen, besonders der Konzertmitschnitt auf der zweiten Seite der Platte kommt einer anarchischen Energieexplosion ganz im Sinne des Punk gleich. Dem gegenüber steht die aufgeräumtere erste Seite mit den Sessions im Musikstudio. Hier lässt sich bereits das DAF-Grundprinzip erahnen. "Osten währt am längsten" oder auch "Coco Pino" zielen auf eine reduzierte Form der Musik ab, ohne aber den tanzbaren Totalitarismus späterer Nummern vorzuweisen.

Mit dem Weggang von Spelmanns, Kemner und Haas beginnt also die eigentliche Erfolgsstory. Görl arbeitet eingängige Loops aus, die er mit seinem dynamischen Schlagzeugspiel unterfüttert, während Lopez seine assozitaiv gehaltenen Texte, eine Bricolage aus Schlagerfloskeln und faschistoid bis erotisch anheimelnder Lyrik, zum Besten gibt. "Veschwende Deine Jugend", "Der Mussolini", "Der Räuber und der Prinz", "Als wär's das letzte Mal": Die Songs der Deutsch Amerikanischen Freundschaft waren wie wildgewordene Springerstiefel, die eine Tür zu einem völlig neuen deutschen Text- und Musikverständnis eingetreten haben, in ihrer Form sogar noch radikaler als Kraftwerk. Sie dekonstruieren den Schlager und werfen Reizworte in die Manege, um zu gucken, was passiert.

Es gehört daher zum nicht ungefährlichen Spiel, sich auch in Outfit und Präsentation markant militaristisch und extrem körperbetont zu geben, besonders zu Zeiten von "Alles ist gut", das ihren Überhit "Der Mussolini" enthält. Die beiden Musiker posieren gerne in schwarzem Leder und zeigen sich mit akkurat-kurzer Frisur (auf "Für Immer" kokettieren sie nicht ungeschickt im Song "Verehrt Euren Haarschnitt" mit dem Ruf, der ihnen angeheftet wird). Dass letzen Endes auch Rechtsextremisten Gefallen an dieser Band gefunden haben, zeigt die Ambivalenz ihrer Musik, mit der EBM bis zum jüngsten Tag zu kämpfen hat.


Aller Zweifel um die politische Uneindeutigkeit der beiden zum Trotz (immerhin behandeln sie mit "Der Räuber und der Prinz" auch homoerotisch aufgeladene und damit einer rechten Ideologie entgegentretene Themen), muss konstatiert werden, dass keine andere deutschsprachige Band aus dieser Zeit ein individuelleres musikalisches Konzept aufweisen kann.


Doch auch dieses nutzt sich ab. Im Falle von DAF sogar recht schnell. Das ebenfalls 1981 erschienene "Gold und Liebe" kann die Spannung vom Top-Seller "Alles ist gut" noch halten. Auf "Für Immer" ein Jahr später wirken die Ideen nicht mehr so griffig, die Texte extrem redundant und wenig pfiffig. Lediglich "Kebabträume" lässt aufhorchen. Die Ironie daran: Dieser Song ist bereits zwei Jahre zuvor als Single (und noch in Erstbesetzung) veröffentlicht worden und findet sich wie ein Alien auf einem Werk wieder, das zum Schwanengesang von Görl und López, die bei der Veröffentlichung DAF bereits aufgelöst haben, werden sollte.

"Das ist DAF" ist zwar keine Geschichtsklitterung, beleuchtet aber nur einen kleinen Teil der gesamten Bandgeschichte. Mehr aber ist diese Zusammenstellung eine selbstinszenierte Jubiläumsfeier, am Ende flankiert von ehrerbietenden Musikern, die einige Songs neu abgemischt haben.

Tanzflächen-König Gorgio Moroder setzt in seiner Interpretation von "Der Mussolini" seine typisch blubbernden Sequenzen den scheppernden Motor-Sounds entgegen, verspielt am Ende aber die Möglichkeit, ein geniales Konglomerat aus Anarcho-Disco und Spiegelkugel-Kultur zu erschaffen. Intelligenter machen es Boys Noize, die "Als wär's das letzte Mal" nur minimal verändern, aber dadurch den größtmöglichen Ertrag an Tanzlust erzielen (es empfiehlt sich überdies, in das gut gemachte Video reinzuschauen). Auch Westbam, der von DAF deutlich beeinflusst ist, vermengt in "Sato Sato" die schwülen Sequenzen geschickt mit den typischen Members-Of-Mayday-Klängen. Last but not least legen Görl und López selbst Hand an ihre Werke. Dabei gibt der Schlagzeuger in Zusammenarbeit mit DJ Hell bei "Liebe auf den ersten Blick" eine bessere Figur ab als López, der "Der Mussolini" zu einer perkussiven, aber auch beliebig klingenden House-Nummer ummodelte.

Nicht alles, was bei DAF "Gold und Liebe" ist, glänzt oder wärmt das Herz. Nicht immer hat der Albumslogan "Alles ist gut" Bestand. Zweifelsohne ist aber ihr Einschlag für die damalige Zeit enorm wichtig gewesen, und ihre Druckwellen reichen erfreulicherweise bis in die Gegenwart. Das ist es, was das Projekt so einzigartig macht. Das ist DAF.


||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 03.10.17| KONTAKT | WEITER: KOMMENTIERT - EIN GESPENST GEHT UM IN DEUTSCHLAND>

Webseite:
www.robert-goerl.de
www.gabidelgado.com

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