CRIME & THE CITY SOLUTION "THE KILLER": VERTONTE DOKTORARBEIT
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Wie so viele Alben der vergangenen Jahre ist auch "The Killer" von Crime & The City Solution ein Produkt der Corona-Krise. Sänger Simon Bonney, sonst als Weltenbummler und nomadischer Australier unter anderem in Wien, Berlin und London kurzfristig seßhaft gewesen, musste sich den strengen Ausgehverboten in seinem Heimatland fügen. Grund war das Verfassen einer Doktorarbeit, die ihn und seinen Mitstreiter Bronwyn Adams, in seine alte Heimat führte und ihn da auch zwangsläufig erst enmal pausieren ließ.
Das Thema der Arbeit: Entscheidungsfindungen während der Afghanistaneinsätze in den späten 80ern. Es hat den Musiker dazu verleitet, sich dem Thema Gewalt in seiner grundsätzlichen Form anzunähern. Als Unterstützer von Hilfsprogrammen im indopazifischen Raum erfuhr der Mann zudem hautnah und ungefiltert die verschiedenen Formen des Hasses und schmerzhafter Auseinandersetzungen. Insofern dürfte man "Killer" auch als eine Form der Selbsttherapie des Mannes auffassen.
Doch der Longplayer ist kein Trauerspiel und auch kein verklärtes Eine-Welt-Kuscheln. Crime & The City Solution sind Pragmaten: Solange es Menschen auf der Erde gibt, wird es auch immer wieder Gewalt und Leid geben. Angesichts der jüngsten Ereignisse scheint es so, als würde diese Spirale sich immer schneller drehen. In diesen Momenten den Glauben zu bewahren, ist die Herausforderung, zumal es immer schwieriger wird, an wen man sich - geistig betrachtet - noch wenden soll.
In sieben Songs skizziert die Gruppe die kleinen und großen Ungeheuerlichkeiten, blickt auf winzige Details, um daraus Schlüsse für das große Ganze zu ziehen. "Rivers Of Blood" eröffnet den Reigen der akzeptierten Traurigkeit: eine klassische Mörderballade, in der sich Tod und Unterdrückung in eindringlichen Bildern manifestieren und sicherlich einen direkten Bezug zum Erlebten Bonneys bilden. Der Mann hat übrigens zuletzt auch noch in der Ukraine gearbeitet, wo er erneut nicht nur Gewalt, sondern auch die daraus resultierende Unsicherheit erfahren konnte. Sie belegen das, was der Musiker in "Killer" zu konkretisieren versuchte.
Allerdings, so räumt er selbst ein, entstehen beim Vorhaben, über seine Musik Antworten zu finden, wieder neue Fragen. So darf man "The Killer" nie als endgültiges existentialistisches und hermeneutisch abgeschlossenes Textkonvolut betrachten. Endgültig und in seiner Ästhetik perfekt ist indes die musikalische Umsetzung von Crime & The City Solution. Die Gitarren brummen missmutig vor sich hin, Streicher weinen ihre Melancholie in langgezogenen Tönen heraus und selten, wie in der latent feministischen Nummer "Brave Hearted Woman" würmelt eine Basslinie aus dem Synthesizer durch die Komposition.
Wenn aber schlussendlich in "Peace In My Time" gefragt wird, wo man eben jenen erwähnten Frieden finden kann, geben schwere Pianoakkorde und sterbende Violinen eine vernichtende Antwort. Frieden, sei es der innere oder der gesellschaftliche, ist eine Utopie. Die einzige Lösung ist die Selbstakzeptanz, aus der ein Gefühl der Sicherheit erwachsen kann.
"The Killer" ist keine leichte Kost, aber das waren Crime-Alben noch nie. Im Vergleich zu den früheren Werken aus den 1980ern und 90ern, wirkt das Werk und sein mittlerweile auch schon zehn Jahre alter Vorgänger "American Twilight" jedoch weitaus aufgeräumter und konzentrierter. Dieses Album ist dabei ohne Zweifel eines der schönsten, die sich Simon Bonney mit seinen Mitstreitern erdacht hat. Auch wenn das Sujet ein trauriges ist. Besser aber als eine dröge Doktorarbeit.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 27.10.23 | KONTAKT | WEITER: LAUT FRAGEN VS. NEUSCHNEE>
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