FERROCHROME "MEDUSA WATER": RÄTSELHAFTE ANMUT - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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FERROCHROME "MEDUSA WATER": RÄTSELHAFTE ANMUT

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Da gibt es so manches Vorurteil und einige Klischees, die das Projekt Ferrochrome mit ihrer ersten grandiosen Veröffentlichung "Medusa Water" herrlich ad absurdum führt.

Zum einen ist es die romantische Mär, dass eine Band nur dann zu den besten zählt, wenn sie bereits im Schulzeitalter gegründet wurde. Sicherlich, eine langjährige Freundschaft wirkt sich auch auf ein perfektioniertes Zusammenspiel aus. Aber sie ist beileibe nicht der wichtigste Faktor für erfolgreiche Alben. Dirk Krause, vor allem durch seine Tastenführung bei Armageddon Dildos in den 90ern bekannt geworden, und Aidan Casserly, seines Zeichens Sänger der irischen Synthie-Pop-Formation Empire State Human, haben sich de facto nicht gesehen, als sie "Medusa Water" erdachten.

Schöne neue Welt: Ihr Debüt enstand durch regen elektronischen Postverkehr. Eine zwar sehr ernüchternde Vorstellung, sich die komprimierten Klangfiles via E-Mail hin- und herzuschicken; am Ende jedoch zählt das Ergebnis. Und das kann sich mehr als sehen und hören lassen. Denn Ferrochrome umarmt und stößt einen gleichzeitig auch sanft von sich mit seinem Sound. Hier wird der Idee von elektronischer Popmusik einige Ecken und Kanten verliehen, um nicht zu anschmiegsam, zu gefällig zu klingen.


Womit wir beim weitverbreiteten Vorurteil sind, dass die computerbasierte Klangerzeugung aufgrund fehlender Innovationen ihrem Exitus entgegendämmere. Ferrochrome straft auch hier die Kritiker Lügen. Denn "Pop" ein vertracktes Element entgegenzusetzen, um Dynamik und Spannung zu erzeugen, ist ein probates, aber nicht immer lecht durchzuführendes Mittel. Was bei anderen sehr gewollt "arty" und plakativ "anti" klingt, fügt sich bei "Medusa Water" ganz organisch ein. So lebt beispielsweise "Shoot The Freak" von einer minimalen, extrem elektrifizierenden Atosphäre, während "Fighters In The Cage" alte EBM-Strukturen liebevoll betachtet und sie behutsam der Eingängigkeit zuführt. Und bei "Welcome The Night" wird man das Gefühl nicht los, an einigen Stellen John Foxx klopfen zu hören.


So ein bedachtes und gleichzeitig befreit wirkendes Spiel mit den Sounds der letzten drei Dekaden setzt auch ein gewissen Maß an Wissen darüber voraus. Nur wer seine Materie kennt und beherrscht, weiß sie für seine Zwecke zu nutzen und zu formen. Dirk Krauses Klangwelt wird dominiert von leicht stolpernden Rhythmen, die als Gegengewicht zu den umschmeichelnden Melodien fungieren und dem Hörer die Möglichkeit eröffnen, auch nach dem dritten oder vierten Durchlauf von "Medusa Water" immer noch neue Facetten zu entdecken. Zweifelsfrei schöpft der Mann hier aus seinem eigenen Wissensfundus, den er über Jahrzehnte aufgebaut hat.

Dass der Titelsong in einem kitschigen 60s-Cocktail-Lounge-Sound daherkommt, funktioniert denn auch nur, weil die außergewöhnliche Stimme von Aidan die entsprechende Grandezza in sich trägt und so das Lied erst das entsprechend dekadent-psychedelische Flair verleiht. Ohne sein androgynes Organ wäre es zu einer etwas unfreiwillig komischen Nummer avanciert, die sich aus dem gesamten Klanggefüge der Platte abhebt. So aber ist es einfach nur ein wunderbar stilvolles Intermezzo im sonst eher geradlinigen Sounddesign.

Ohnehin muss über Aidans Organ gesprochen werden: Es verdient überhaupt wesentlich mehr Beachtung. Nicht nur, weil in ihm sich geschlechterspezfische Timbres auflösen und es so zu einer undefinierbaren, höchst spannenden Tonlage kommt, die sich jedem Vergleich entzieht. Wenn Aidan singt, ist es, als ob ein Orakel seine rätselhaften, verschlüsselten Geschichten preisgibt, die der Hörer erst entschlüsseln muss. Denn Ferrochrome lieben es, die eingebauten Ecken in ihren Songs mit vagen Gefühlsbildern zu schmücken.

Es geht um Einsamkeit, gewiß auch um Liebe. Aber nie in offensichtlicher Form. Geht es um gesellschaftliche Kritik? Auch diese Interpretation lassen einige Zeilen zu. Wenn sich mehrdeutige Texte mit vielschichtigen Kompositionen und außergewöhnlichen Sangestalenten paaren, entsteht etwas faszinierendes. Ganz wie das Quallengschöpf auf dem Cover des Debüts, dessen Anmut gleichzeitig etwas Rätselhaftes in sich birgt.

Bleibt zu hoffen, dass "Medusa Water" erst der Anfang dieser fruchtbaren Fernbeziehung ist. Denn nach diesem starken Erstling ist der Wunsch nach mehr einfach nicht zu verleugnen.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 18.08.17 | KONTAKT | WEITER: SIVERT HØYEM "LIVE AT ACROPOLIS">

Webseite:
www.facebook.com/ferrochromeofficial

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COVER © MESHWORK MUSIC/AL!VE

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