ALIEN SEX FIEND "POSSESSED" - LIEBE, KRACH UND UNABHÄNGIGKEIT - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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ALIEN SEX FIEND "POSSESSED" - LIEBE, KRACH UND UNABHÄNGIGKEIT

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Die wahre Liebe - man findet sie nicht in irgendwelchen Hollywood-Romantik-Schmonzetten. Auch nicht in den schwülstigen Groschenromanen oder anonymen Datingportalen. Die wahre Liebe findet man bei Alien Sex Fiend. Und das gleich auf mehreren Ebenen.

Da mag jetzt manch einer die Augenbraue hochziehen und den Autor dieser Zeilen für ein klitzefitze gaga halten. Natürlich sind die Songs auf den ersten Blick von romantischer Zweisamkeit so weit entfernt wie nur was. Und auch auf den zweiten. Aber das ist auch gar nicht der Punkt.

Die Liebe findet sich erst einmal zwischen den beiden Mitgliedern Nicholas und Christine Wade alias Nik Fiend und Mrs Fiend. Sie sind, wie unschwer zu lesen, ein Ehepaar. Und das schon seit langer Zeit. Ihre gemeinsame Passion für das Groteske und Skurrile hat sie im legendären Londoner Club "Batcave" zusammengeführt. Zunächst haben sie Stummfilme musikalisch untermalt, doch bald begannen die beiden, einen eigenen, herrlich schrägen Kosmos zu entwerfen. Dieser beinhaltet auch ein bandinternes Magazin sowie selbst entworfene Cover-Artworks und Merchandise.

All dies wäre sicherlich nicht möglich ohne ihre immense Liebe zueinander - und zu Alien Sex Fiend selbst. Schließlich hat man sich entschieden, einen Weg zu gehen, das mit dem Wort "steinig" noch wohlwollend umschrieben ist. Denn alles, von der Bühnendekoration bis hin zum Fanartikelverkauf, führen ASF mehr oder weniger in Eigenreige aus.

Das wunderbare daran: Es gelingt ihnen, die Menschen von ihren Ideen zu überzeugen. Parallel zu den Konzerten verkauft Nik Fiend seine Exponate und auch das so genannte "Fiendzine" findet Absatz. Warum? Weil wir es hier mit absolut authentischen Künstlern zu tun haben, die sich nicht verbiegen lassen und ihre eigene Vision von Kunst darbringen. Das haben bereits einige Kollegen erkannt - unter anderem Alice Cooper, der die Band Mitte der 80er als Vorgruppe während seiner Tournee auftreten ließ.

Ab diesem Zeitpunkt der Geschichte hätte es auch anders laufen können, hätte Alien Sex Fiend nach ihren umjubelte Konzerten den großen Reibach machen können. Doch sie waren sich sicherlich auch im Klaren, dass eine Anbindung an ein großes Label mit vielen Restriktionen verbunden sein würde.

Bis heute machen sie also unabhängig weiter und leben nach wie vor ihren kruden Traum, der auf "Possessed" wunderbar gegen den Strich der üblichen Hörgewohnheiten gebürstet ist. Wieder einmal ist alles neu beim Ehepaar Wade - und doch ist alles so vertraut "fiendish". Der rote Faden ist und bleibt das surreal-psychotische Moment. Dieser wird im elf Minuten langen "It's In My Blood" mit Loops und hypnotischen Beat zu einem klaustrophobischen Opus magnum aufgeblasen, oder geriert sich in "Ghost in The Machine" (eventuell ein Hinweis auf ihren ersten "Hit" "Ignore The Machine"?) mit rückwärtslaufenden Bändern leicht esoterisch-experimentell. Aber manchmal reicht nur eine Minute wie bei "Spine-Tingler", um den Hörer in die äußersten Sphären unseres Universums zu katapultieren.

"Possessed" passt als Titel wie Faust auf Auge: Die Stücke rumpeln umher, als ob sie von einer undefinierbaren Macht getrieben sind. Es ist ein Musik gewordener Exorzismus, den ASF hier ein weiteres Mal und mit absoluter Verve betreiben. Auf gängige Songstrukturen wird verzichtet. Alles folgt einem Flow, den die Songs scheinbar selbst vorgeben.

Zwar sind Alien Sex Fiend - allein wegen des Ortes ihrer Genese - schon immer mit der Gothic-Szene verbunden. Diese allerdings schielt ganz unverhohlen in Richtung Kommerz und avanciert immer stärker zum reinen Event mit bekömmlicher Horror-Kante. "Possessed" wird es daher naturgemäß schwer haben, erfolgreich zu sein. Denn dem jungen Schwarzkittelträger von heute fehlt schlicht und ergreifend die Geduld, die Klangwelt der beiden Briten zu entschlüsseln.

So wird das Album allen Anschein nach wieder nur jene begeistern, die unabhängige, anspruchsvolle Kunst zu schätzen wissen. Aber davon muss es auch einige geben. Anders lässt es sich nicht erklären, dass Nik Fiend nebst Gattin nicht schon an Frührente denken. Aber aufhören ist auch keine Option. Denn dafür lieben die beiden ihre Arbeit zu sehr. Und der eingeschworene Fankreis wiederum liebt sie für ihr zähes Wesen. Wie gesagt: so viel wahre Liebe findet man nur bei Alien Sex Fiend.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 16.11.18 | KONTAKT | WEITER: LAMBERT & DEKKER VS. MIRNY MINE>

Webseite:
www.asf-13thmoon.demon.co.uk

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COVER © CHERRY RED RECRODS/ROUGH TRADE

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