SIIE "ACMÉ" VS. SEASURFER "ELECTRONIC MONSTERS": KOMPROMISSLOSE KLANGMONSTER - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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SIIE "ACMÉ" VS. SEASURFER "ELECTRONIC MONSTERS": KOMPROMISSLOSE KLANGMONSTER

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Es war ein Debüt mit Ansage: SIIE veröffentlichen bereits seit einigen Jahren vielversprechende und aufsehenerregende Songs, die sich zunächst in den Niederungen elektronischer Körpermusik aufhielten, im Laufe der Zeit allerdings immer mehr an Kontur und eigener Handschrift gewannen. Kombiniert mit einem enigmatischen Auftreten, die sie vor allem in den Musikvideos sehr überzeugend zelebrieren, hat SIIE den Status des Geheimtipps eigentlich schon längst überwunden. Die Frage, wer hinter diesem Projekt steckt, ist mindestens genauso spannend wie die musikalische Entwicklung, die das Duo durchläuft.

Die letzten Vorabauskopplungen präsentierten SIIE deutlich gereift und mit aufgeräumtem Klangbild. Dieses wird nun auf dem Debutalbum "Acmé" weitergeführt, welches gut und gerne als großartiger Erstling betitelt werden kann. Schließlich macht das Zweiergespann mehr als nur einiges richtig: Sie gehen in ihren Stücken in hedonistischer Stimmung auf. "Acmé" klingt so, wie sich ein zu voller Club anfühlt und riecht: schwitzende Körper, stickige Luft, im Mund der Geschmack von den Ausdünstungen der Nebelmaschine. Es ist das ultimative Erleben des Moments, ein reines Hier und Jetzt zusammen mit anderen Tanzwütigen. Das alles vermittelt "Acmé" mit seinen zehn Songs, die voll von Energie und Kompromisslosigkeit sind.

So wie in "Sabotage", bei dem sich flirrende Synthesizer und Soundflächen im Detune-Modus zu einem Happening der Dringlichkeit aufschwingen, während der Computerbeat ohne Unterlass pumpt, was das Zeug hält. SIIE lieben es, mit großer Geste zum Tanzen aufzufordern. "Tendance" und "Un Monde Bizarre" sind dabei an vorderster Front und ballern mit 140 bis 150 BpM durch die Boxen, ohne dabei die Geschmeidigkeit der Kompositionen außer Acht zu lassen. Die Songs funktionieren auch deswegen so gut, weil die Wahl der Sprache auf Französisch gefallen ist. Allein dadurch wirken die Songs von Anfang an dekadenter und nihilistischer, ungeachtet dessen, was eigentlich gesungen wird (doch auch da lohnt es sich, Google-Übersetzer oder ein Wörterbuch bereit zu halten).

Mit dem abschließenden "2113", bei dem Musikproduzent Phace mitwirkte, kredenzen die beiden einen astreinen Dark-Techno-Klopfer, der an die experimentellen Sounds von Röyksopp und Robyn erinnert ("Say It", anyone?). Die schneidigen Acid-Linien, die von einer tonnenschweren Bass-Drum durchzogen werden, das minimale Klangdesign und die verzerrten Gesänge offenbaren eine härtere und dunklere Seite von SIIE, die auch dem etwas spooky wirkenden Albumcover gerecht wird. Ein perfekter Start einer Band, von der man in Zukunft hoffentlich noch mehr hören wird.

Als UNTER.TON 2014 antrat, um der Welt gute und unbekannte Musik zu präsentieren, war "Dive In", das Debütalbum der Seasurfer eines der ersten rezensierten Alben für das noch junge Magazin. Schon damals war es der Wunsch der Redaktion, dass dieses Projekt von Dirk Knight (ex-Dark Orange) weiter leben und größer werden sollte. Seitdem sind rund elf Jahre vergangen - und Seasurfer existieren immer noch und haben sich im Laufe der Jahre kolossal weiterentwickelt.

Begonnen als Shoegaze-Combo mit Stücken, die sich stark an den britischen Vorbildern orientierten, hat mittlerweile der Synthesizer Einzug in die Kompositionen gehalten und dominiert deutlich die Szenerie. Die Schustarrer-Wurzeln sind in beigesetzten Gitarrenparts und der nach wie vor brennenden Liebe für Halleffekte noch hörbar, die Stimmung der Lieder ist aber mittlerweile eine gänzlich andere. Sängerin Apolonia tut ihr Übriges, um den Songs eine ätherische und eingängigere Note zu verleihen.

Da darf "The Darkest Hour" mit einer fast schon jubilierenden Synthiesequenz starten, die den Titel zwar konterkariert, aber gerade in dieser Diskrepanz eine unglaubliche Spannung erzeugt. Nicht immer müssen liebevolle Melodien auch einen positiven Text nach sich ziehen! Ebenso zeigt "Collapsing" die große Stärke des Duos, mit reduzierten Mitteln eine beklemmende Atmosphäre aufzubauen. Dass aber Seasurfer ganz deutlich von The Cure beeinflusst werden, ist nicht nur an der Coverversion "Short Term Effect" auszumachen (das sie by the way ausnehmend gut interpretiert haben). Besonders "The End" sollte jeden abholen, der es mit Robert Smith und seinen Mannen hält. Schon das ausgedehntere Gitarrenintro erinnert  an die Vorsteher der gothischen Musikkultur.

So suchen Seasurfer auf "Electronic Monsters" also nicht den einen Sound, sondern das eine Gefühl. Hier geht es darum, den Weltschmerz, die Melancholie, die Tristesse der Existenz in Klänge und Töne zu transferieren, ganz davon ab, ob dafür elektronische oder klassische Instrumente herhalten sollen. Mit dem vierten Album sind Seasurfer weiter auf ihrem Weg, von dem man wünscht, er möge noch lange weiter gehen.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 29.05.25 | KONTAKT | WEITER: MARC MÉLIA VS. ROBERT SCHROEDER VS. KLANGWELT>

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COVER © COLD TRANSMISSION (SIIE), SEASURFER

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