PUBLIC IMAGE LTD "END OF WORLD": DIE EINSCHLÄGE RÜCKEN NÄHER
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Wenn man wie Johnny Rotten als Max Mustermann einer ganzen Jugendbewegung gebranntmarkt wird, fällt es mit zunehmenden Alter immer schwerer, diese Rolle weiter anzunehmen und auszufüllen. Gerade John Lydon, wie Rotten bürgerlich heißt, der als Vorsteher der Sex Pistols zwar nicht den Punk erfunden hat (das taten einige Jahre zuvor bereits andere), ihn aber zu einem breiten Phänomen anwachsen ließ, konnte eigentlich nach Ende dieser heftigen Welle gar nichts anderes machen, als sein Image einigermaßen weiterzupflegen.
Das tat er dann auch mit seinem Nachfolgeprojekt Public Image Limited, kurz PIL, bei dem sich Lydon weiterhin wie ein Rotzlöffel benehmen konnte, während er aber nun seine kleinen Albernheiten in einen aufgefrischten New-Wave-Soundkostüm packte. Songs wie "This Is Not A Lovesong" oder "Rise" sind immer noch zeitlose Nummern, die an Eindringlichkeit nichts verloren haben. John selbst trägt natürlich großen Anteil daran. Schließlich ist sein manierierter, alerter Gesang der Stempel, den auf die Stücke drückt und sie somit unverwechselbar macht.
Sein markantes Organ holt er auf dem aktuellen Album "End Of World" nochmal hervor, doch im Alter (der Mann geht stramm auf die 70 zu) mischen sich raue Untertöne in seinen Gesang. Die Energie indes ist nachwievor genauso hoch wie zu Lydons Hochzeiten. Ein Song wie "Car Chase", vernünftigerweise vorab ausgekoppelt, weil definitiv beste Nummer auf dem Album, kann es locker mit seinen ehemaligen Chartbreakern aufnehmen.
An der alten Erfolgsformel indes wurde kaum gerüttelt. PIL steht weiterhin für einen redundanten Stil, ihre Songs entwickeln teilweise einen heftig hypnotischen Sog. Bei "Strange" hat man sich sogar darauf geeinigt, über einen stoischen Rhythmus nur die Bassfigur und eine Synthesizerlinie zu legen. Erst am Ende kommen angedeutete Post-Punk-Gitarren als großes kleines Finale hinzu. In diesem Klanggerüst verwebt der Sänger seine Ansichten über das "strange" Leben. Nach dem Ableben seiner Frau dürften ihm diese Zeilen zwar nicht schwerer über die Lippen fallen, doch sind sie nun mit noch mehr Bedeutung gefüllt.
Keiner, der es selbst erlebt hat, kann den Schmerz und die Leere nachvollziehen, die in einem wohnt, wenn ein Mensch, mit dem man zwei Drittel seines Lebens geteilt hat, plötzlich verschwindet. Um so mehr muss man Lydon Respekt zollen, dass er "End Of World" zu Ende gebracht hat. Seine Frau hätte es gewollt, soll der Sänger gesagt haben. Mit dem Wissen um diesen Schicksalsschlag klingen Stücke wie "Down On The Clown" sogar noch etwas bitterer. Doch der ehemalige Sex Pistol bleibt weiterhin auch ein wacher Geist, der in "Walls" durchaus explizit Stellung zu unschönen gesellschaftlichen Tendenzen bezieht.
Erst am Ende, wenn die weichen Trommeln und verträumten Gitarren von "Hawaii" etwas Versöhnliches ausstrahlen, zeigt sich der Musiker frei von Ironie, Sarkasmus und anarchischem Witz. Zum Vorschein kommt ein in die Jahre gekommener Mann, der vielleicht auch gemerkt hat, dass das Leben endlich ist und sich die Prioritäten verschieben. Der Song nahm sogar im Vorentscheid zum diesjährigen Eurovision Song Contest teil, schaffte es aber nur auf den vierten Platz. Vielleicht auch, weil John Lydon im Vorfeld gegen die Veranstaltung äzte und sie "eklig" nannte. So ganz kann der alte Anarchist dann doch nicht aus seiner Haut.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 25.08.23 | KONTAKT | WEITER: MIND.IN.A.BOX "BLACK AND WHITE">
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