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ST. MICHAEL FRONT "END OF AHRIMAN": ALLES IST ERLEUCHTET!

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Am Ende kulminiert alles in diesem wunderbaren Himmelsstürmer "Bootlicking For A Dream", einem inkommensurablen Meisterwerk von einem Song. Hier treffen die Ausweglosigkeit der mollschwangeren Strophen auf die jubilierenden Zeilen des Refrains wie dunkle auf helle Materie. Doch sie neutralisieren sich nicht, sondern feuern sich gegenseitig an. Die poppig gewürzte Dark-Folk-Nummer mit seinen Spaghetti-Western-Trompeten im Mittelteil lassen das Konzept von "End Of Ahriman" noch einmal in seiner ganzen Pracht scheinen. Denn das Album ist spirituell, aber kein fauler Kirchenzauber.

So kehren St. Michael Front auch im kontemplativen Videoclip zu einer ursprünglichen Glaubensauffassung zurück. Wir sehen Szenen christlicher Prägung: Taufrituale in einem See, ein Priester mit einem Kreuz aus zwei dicken Ästen unbeholfen zusammengeschustert, eine Beerdigung auf dem Land. Hier läuft kein rundbäuchiger Pfaffe in funkelndstem Ornat und Weihrauchdöschen vorneweg oder werden sonstige starre Rituale vollzogen. "Bootlicking For a Dream" ist erleuchtet und auf sich selbst geworfen. Ganz so wie das Duo und ihr Debüt es scheinbar auch sind. Aber eben nur scheinbar.

Doch der Reihe nach.

Alles beginnt 2016 mit der EP "In The Wake Of A New Dream". Es war das erste Lebenszeichen einer Band, deren Konzept sich vor allem an Waldorfschulen-Erfinder Rudolf Steiner anlehnt. Laut seinen mystisch-anthroposophischen Schriften befinden wir uns demnach im Zeitalter des Erzengel Michael. Sein Kampf richtet sich noch bis ins 25. Jahrhundert gegen das spirituelle Böse, in der zoroastrischen Philosophie als "Ahriman" bezeichnet. Es dreht sich auf dieser Platte also um Brefreiung und Erlösung, um Widerstand und Selbstfindung. Allerdings nicht dergestalt, dass wir es hier mit einem lyrischen Kampf mit großen Wortgefechten oder wunderlichen Geschichten vom universellen Zwist der Götter zu tun haben, sondern vielmehr mit der Offenlegung des Menschen als Unvollkommenes, zutiefst abgründiges Wesen, größtenteils unfähig zur Selbst- oder Nächsenliebe.

So bauen St. Michael Front in "Doom In Your Living Room" das Auseinanderdriften zweier sich einst Liebenden wie eine Parade der vergangenen Möglichkeiten auf und pfeifen sich in "Thank You For Nothing" mit Banjo-Begleitung wie zwei Gringos hoch zu Ross gen Sonnenuntergang und vor allem auf die unzulängliche Gesellschaft.

Zwar nutzt das beseelte Zweiergespann die breite Palette betrüblicher Wave-Sounds, die ihre 80er-Wurzeln sicherlich nicht verleugnen, um ihr transzendierendes Anliegen den Hörern näher zu bringen. Gleichzeitig setzen sie aber Halleffekte und opulente Instrumentierung von Bläsern und Schlagwerk derart übertrieben in Szene, dass man nicht umhinkommt, auch darüber nachzudenken, ob man hier den spirituellen Bogen nicht absichtlich überspannt, um ihm eine humorige Note zu verleihen.

Welche Vergleiche wurden indes nicht schon gezogen, um St. Michael Front zu beschreiben. Throbbing Gristle, The Who oder auch Ultravox sind da als Referenzpunkte ausgemacht worden, wenn es darum geht, der geistigen Kraft der Hanseaten und ihrer Musik Kontur zu verleiehen. Zweifellos umweht eine mystisch-melancholische Grandezza ihre Stücke, weswegen hie und da auch der Name Rome gefallen ist - und was angesichts der Tatsache, dass die beiden geheimnisvollen Musiker im Vorprogramm der luxemburgischen Neo-Folker auftreten, durchaus Sinn macht. Man könnte aus musikalischer Sicht natürlich auch noch Ennio Morricone in den Assoziationskampfring werfen. All diese Vergleich beschreiben aber letzten Endes nicht das Gefühl, welches "End Of Ahriman" innewohnt. Es beherbergt nämlich zu gleichen Teilen Schmerz und Erlösung.

Vielleicht ist es diese Ambivalenz, dieses Nicht-Greifen-Können, was "End Of Ahriman" so besonders macht. Haben wir es hier wirklich mit einer Band zu tun, die sich für eine "geistige Erneuerung" der Menschen stark machen will, oder sind sie vielleicht nur Darsteller unserer tiefsten Sehnsüchte nach der Sinnhaftgkeit unserer Existenz, die in Zeiten absoluter Aufgeklärtheit und Entmystifizierung der Natur eine Rückbesinnung auf das Mystische, auf das Okkulte zur Folge hat, wie es bereits 1944 Theodor Adorno und Max Horkheimer in ihrer philosophischen Schrift "Dialektik der Aufklärung" festgestellt haben.

Sie plädierten ihrerzeit (mitten in den Wirren des zweiten Weltkrieges und jeder Menge faschistischer Systeme) für eine selbstkritische Rückbesinnug auf die Vernunft. Etwas, das auch "End Of Ahriman" in gewisser Weise will. Schließlich werden wir, wie Steiner beschrieben hat, nach dem michaelischen Zeitalter eine finstere Epoche erfahren. Vielleicht nicht wir, aber unsere Nachkommen. Und vielleicht wird ihnen dann "End Of Ahriman" die Quelle des tröstenden Lichts sein - wenn man daran glaubt. Alle anderen werden zumindest anerkennen müssen, dass bei St. Michael Front etwas mitschwingt, das nur gefühlsmäßig zu verstehen ist.

||TEXT: DANIEL DRESSLER| DATUM: 20.04.18 | KONTAKT| WEITER: IM PROFIL - SHAWN WARD (FM ATTACK) >

Webseite:
www.facebook.com/stmichaelfront

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