ASP "ZUTIEFST": DER SCHWARZE LIEDERMACHER
Asp muss einiges richtig gemacht haben. Denn wenn selbst eine honorige Musikerlegende wie Konstantin Wecker den immer etwas finster dreinblickenden Mann einlädt, auf seiner CD mitzuwirken, ist das ein nicht unbedeutender Hinweis darauf, wie sehr Kollegen ASPs Wirken ernst nehmen. Gut, bereits zu Beginn der Karriere hat sich Asp mit seiner Band durch die Coververison von Weckers Anti-Rassismus-Aufschrei "Sage Nein!" nicht nur in poltischer, sondern auch textlicher Hinsicht klar positioniert. Für ihn hat das Wort immer Gewicht. Dass er auf Weckers aktuellem Album diesen Song nun im Duett anstimmt, ist konsequent.
Ob diese Kollaboration den Sänger womöglich bestärkt hat, seine Storyteller-Attitüde weiter auszubauen? "Zutiefst" jedenfalls rückt immer mehr von dem einstigen ASP'schen Muster ab, das knackige Riffs und pointiert gesetzte Elektronik zu exquisiten Clubfutter verarbeitet. "Ich will brennen", "Und wir tanzten", "Schwarzes Blut": Sie leben alle von einem Mitsing-Refrain und dem unbedingten Willen nach Eingängigkeit. Festival-Rock eben, aber immer mit dem durchaus hohen Anspruch verbunden, auch eine Geschichte zu erzählen.
Geschichten gibt es dieses Mal sehr viel zu hören. Das Intro "Sturz" greift den wortwörtlichen Cliffhanger des Zyklus-Vorgänger "Maskenhaft" auf. Denn dieser endet mit dem Song "Die Klippe". Dort befinden wir uns immer noch:
Die maritime Geräuschkulisse mit Wellenschlag und Möwengeschrei weicht dem harten Eintauchen in das kühle Nass. Von hier aus beginnen die ausufernden Tiefseeerzählungen, die der Frontmann auf cineastische Verhältnisse ausdehnt.
Es geht um Kreaturen aus der Tiefe ("20.000 Meilen"), um die drückende Enge in einem U-Boot ("Torpedos") und um Fabelwesen, die in ein Meer aus Harz fallen ("BernsteinmeerengeL"). Vordergründig. Gewohnterweise bietet die gemeine Asp-Lyrik immer verschiedene Ebenen an. Das war auch schon beim "Schwarzen Schmetterling"-Liederreigen der Fall. So kann man entweder einer wunderlichen Mär lauschen, die Tim Burton sicherlich großartig auf die Leinwand bringen würde. Oder die Transferleistung erbringen und die Geschichten als Parabel auf die menschliche Psyche verstehen.
"Abyssus 1" oder auch das Titellied glänzen mit wunderbaren kompositorischen Höhepunkten. Allerdings sind ihre epischen Ausarbeitungen mit den songinternen Stimmungswechseln eher kontraproduktiv, wenn es darum geht, das schwarz bestrumpfte Tanzbein in Bewegung zu bringen.
Nein, "Zutiefst" will nicht mehr ausschießlich zur Tanzwut animieren, sondern den Hörer auffordern, genauer zuzuhören und sich den durchaus blumigen Umschreibungen intensiv zu widmen. Denn ASP haben einiges zu erzählen. Da darf der Frontmann in "Mondschein-Sirenade" erst einmal mit rhythmisierter Sprechstimme beginnen, ehe dezent gerammsteinte Gitarrenriffs das typische Soundgewand der Frankfurter Kulttruppe einmal mehr bemühen.
Nach den beiden "Verfallen"-Teilen, in der sich rund um das ruinöse Hotel Astoria in Leipzig schauerliche Geschichten abspielen, ist "Zutiefst" das dritte Album in drei Jahren. Die Schaffenskraft des Musikers und Comiczeichners Asp ist offenkundig so hoch wie nie zuvor. Der Drang nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten anscheinend auch. Noch stärker reizt der Sänger sein Organ aus, wechselt öfters zwischen beschwörendem Tiefgesang und heller, fordendern Stimme. Im abschließenden "Sog" mimt er sogar ein kreatürliches Wesen, einem sehr, sehr bösen Gollum nicht unähnlich.
Das ist vielleicht an manchen Stellen ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen und potenziert die pathetische Stimmung bis an die Schmerzgrenze. ASP stößt mit seiner Kunst auf den Grund ihres erschaffenen Kosmos. Sie haben ihre Grenzen erreicht und sehen sich nun nach neuen Wegen um. Das hört man dem Album an, das im Vergleich zu den früheren Arbeiten doch mehrere Durchläufe braucht, bis Geschichte und stimmliche Eskapaden des Sängers angenommen werden können.
Asp selbst zeigt dieses Mal ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein, das er auch auf der Bonus-CD mit den so genannten "Logbucheinträgen" aufrecht erhält. Hier werden die "Zutiefst"-Nummern als launige Mischung aus Hörbuch und Quasi-Dokumentation im Tagebuch-Stil nochmals beleuchtet. Ein etwas schwieriges Unterfangen, nehmen die Erklärungen auch etwas vom Zauber der Kompositionen weg, wenngleich sich der Musiker mit expliziten Interpretationen zurückhält und mehr über die Stimmungen berichtet, in denen die zehn Songs zustande gekommen sind.
Über Sinn oder Unsinn dieser Logbucheinträge mag man sich gerne darüber streiten. Auch über die Tatsache, sich bei "I Am A Rock" an einen Klassiker von Simon & Garfunkel zu verdingen. Ähnlich wie Disturbed, die "Sound Of Silence" erstaunlich massenkompatibel in eine schmetternde Ballade mit viel Tamtam umgemodelt haben, geht auch ASP den Weg des größten Bombast und machen die introvertierte Nummer über Beziehungsunfähigkeit zu einem ausufernden Jubel-Rock-Song mit Marschcharakter. Kurzfristig funktioniert das, langfristig allerdings werden solche Coverversionen dem Original nie gerecht. Simon & Garfunkel haben derart perfekte Nummern geschrieben, dass eine Neuinterpretation im Vornherein zum Scheitern verurteilt ist. ASP bilden da leider keine Ausnahme.
Weitaus mehr Sinn dagegen macht "Parole: Poesie!", ein flammendes Plädoyer für die Macht der Sprache und ein dankender Gruß für Konstantin Weckers Einladung. Im Herzen ist Asp, bei aller Gothic-Novel-Rock-Manier, dann doch ein verkappter Liedermacher, der es liebt, mit den Wörtern zu jonglieren. Wäre interessant, wenn diese Seite des Musikers in Zukunft noch ein bisschen mehr aus der Tiefe hervorgeholt wird.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 23.11.17 | KONTAKT | WEITER: THROBBING GRISTLE VS. ALIEN SEX FIEND >
Webseite:
www.aspswelten.de
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