ENSEMBLE ÉLITAIRE "RAS DWA TRI" VS. ROTERSAND "DON'T BECOME THE THING YOU HATED: SCHÖN EINFACH, EINFACH SCHÖN - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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ENSEMBLE ÉLITAIRE "RAS DWA TRI" VS. ROTERSAND "DON'T BECOME THE THING YOU HATED: SCHÖN EINFACH, EINFACH SCHÖN

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Es gibt Alben, die eine große Verunsicherung bei den Hörern auslösen. Oder zumindest bei dem Autor dieser Zeilen. Ensemble Élitaires "Ras Dwa Tri" gehört zweifellos dazu. Denn nach jedem Song fragt man sich: Was soll das? Da wird über eine lustlose Prinzessin gesungen, in "Sattel" beschreibt das lyrische Ich eine Reitstunde, und in "Kasper" werden diversen Märchenfiguren einen ordentlichen Tritt in den Allerwertesten verpasst.

Dabei verhält es sich bei Ensemble Élitaire ähnlich wie mit Helge-Schneider-Filmen. Man muss erst einmal die Logik und konventionelle Rezeptionsmethoden über Bord werfen. Ist dies gelungen, kann man sich dem dadaistischen Nonsense öffnen, um dann die eigentliche Schönheit hinter den Tracks zu erkennen. Im Falle von Rudiator und Ferdinant Von Schlinge, den beiden kreativen Köpfen hinter der elitären Zusammenkunft, hilft der transparente, aber dennoch leidenschaftliche EBM-Pop-Sound, die teilweise abstrusen Texte schneller zu konsumieren.

Das Duo legt viel Wert auf ein geschlossenes Soundbild: einfach schön und schön einfach. Der stets tanzbare, aber rudimentär gehaltene Klang legt automatisch das Hauptaugenmerk auf die Text, der aber nicht ausschließlich in grotesker Komik enden muss. Mit "Bauhaus" huldigen sie ganz ironiefrei der einflussreichen deutschen Kunstbewegung des frühen 20. Jahrhunderts. "Die Form folgt stets der Funktion" könnte ebenfalls das Credo dieses Songs sein, der mit seiner klaren Struktur auf die großen Pioniere des Electropop verweist: Kraftwerk.

Schlussendlich blicken Ensemble Élitaire in "Kasatschok" auf das angespannte deutsch-russische Verhältnis, welches sie mit einem zwanglosen Witz, der an alte NDW-Zeiten erinnert, kommentieren. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hat man sich an die unorthodoxen Methoden der beiden Musiker gewöhnt. Um "Ras Dwa Tri" aber richtig zu durchdringen, benötigt es einen zweiten, vielleicht auch dritten Anlauf. Langweilig wird es jedenfalls nicht.

Das  Köpfchen einschalten und die grauen Zellen in Betrieb nehmen ist die grundsätzliche Voraussetzung, wenn man sich dem Oeuvre von Rotersand annähern möchte. Denn vordergründig kredenzt das Projekt um Sänger Rasc und Musiker Krischan Jan-Eric Wesenberg cluborientierte Songs, die klanglich zwischen Future-Pop, EBM und Industrial-Techno oszillieren, deren Texte aber den Hörer zum genauen Lauschen geradezu drängen.

Das hat aber bei Rotersand Methode. "Random Is Resistance" von 2009 oder das 2016er Meisterwerk "Capitalism™" greifen bereits vorweg, was wir mittlerweile tagtäglich erleben. Die Unfreiheit und Gleichförmigkeit der Gesellschaft, die zu allem Überfluss nun auch noch die demokratischen Grundwerte quasi selber abschafft, indem sie Fake News und dubiosen Nachrichtenkanälen vertrauen. Auf "Don't Become The Thing You Hated" werden diese Gedanken nun weitergeführt.

In einem Stück wie "Click Scroll Tap Believe" (auch ein gern genutztes Stilmittel bei Rotersand: assoziative Aneinanderreihung von Wörter; funktionierte schon ähnlich gut bei "Exterminate Annihilate Destroy") wird genau dieser unreflektierte, unkritische Umgang mit Nachrichten aus dem Netz aufgegriffen und verhandelt. All das packen Rotersand in einen vergleichsweise anschmiegsamen Sound, wie ohnehin der Tenor von "Don't Become The Thing You Hated" - bei aller textlichen Brisanz - ein etwas eingängiger, überraschend poppiger ist.

So eröffnet das Album mit dem sich majestätisch aufbauenden "All Tomorrows", dem weitere Stücke folgen, die sich eher in Trancegefilden aufhalten und teilweise neue Produktionsmöglichkeiten einbauen (wie der Autotune-Effekt bei "Father Ocean"). Erst "Watch Me" erinnert an die härtere Gangart, zu der Rotersand durchaus in der Lage ist. Auch "Sexiness OF Slow", der aus der Tiefe der suppigen Basslinien zu einem rohen Soundmonolithen emporsteigt, verweist auf die frühen, deutlich kantigeren Stücke.

Das soll aber nicht bedeuten, dass das Duo plötzlich altersmilde geworden ist. Nach wie vor halten die Nummern tiefe Wahrheiten bereit, wollen aber auch gleichzeitig Mut machen. Der religiös konnotierte Text in "Heaven" transformiert den Song dank der breitflächigen Synthie-Sounds in ein transzendierendes Ritual, das uns ein Stück weit auch wieder Hoffnung gibt in einer Welt, die mittlerweile mit den Mitteln der Logik kaum noch zu erklären ist.

Immer noch haben Rotersand etwas zu sagen, immer noch bringt das Duo eine klare Haltung mit ihrer Musik zum Ausdruck. Keine Selbstverständlichkeit in dieser Zeit. Aber eine Notwendigkeit. Und dafür kann man Rotersand nicht genug danken.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 25.07.2025 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 7/25>

Webseite:
www.rotersand.net

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COVER © ENSEMBLE ÉLITAIRE, TRISOL/SOULFOOD (ROTERSAND)

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