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"ZEITGEIST+ VOL. 2": ALLES WAS ZÄHLT

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Erfahrung ist ein guter Ratgeber für die Erstellung eines sinnstiftenden Musiksamplers. Nicht selten geschieht es nämlich, dass Zusammenstellungen unter einer beliebigen Songauswahl und/oder einem spannungsarmen bis -losen Aufbau kranken. Doch gibt es seit einiger Zeit -besonders im Gothic-Bereich - hoffnungmachende Gegenbeispiele. Man denke an die  At-Sea-Compilation von Axel Meßinger oder die delikaten "Grenzwellen"-Veröffentlichungen von Altmeister Ecki Stieg. Seit einiger Zeit gesellt sich auch das "Zeitgeist"-Kompendium hinzu.

Kuratiert von Andreas Herrmann, dem Betreiber der prosperierenden Plattenfirma Cold Transmission, präsentiert er erwartungsgemäß die neuesten Songs der von ihm betreuten Bands und Projekte, schaut aber auch über seinen Labelrand hinaus und sucht nach Künstlerinnen oder Künstlern, die gut in das Konzept der Zusammenstellung passen. Nach 15 "Zeitgeist"-Folgen, wurde es nun Zeit für "Zeitgeist+". Das Additionszeichen deutet es schon an: Herrmann hat sich zum Ziel gemacht, Acts zu finden, deren Musik im Laufe der nächsten Jahre an Mehrwert gewinnen sollen. Sein Blick richtet sich nicht nur auf das aktuelle Geschehen innerhalb der Szene, sondern gedenkt die Zukunft der tanzbaren Tristesse mit ein. In erster Linie sollen die neuen Zeitgeist-Folgen nämlich auf der Tanzfläche funktionieren. Und das tun sie ausnahmslos.

Schon Bedless Bones gelingt ein druckvoller und gleichzeitig ätherischer Einstieg in das Kompendium, das zwischen EBM, Cold Wave, Minimal Wave, Post Punk und Synth Pop die interssantesten Überlappungen und Schnittstellen sucht. Gefunden hat unter anderem M/A/T, das Projekt von Matthias Bischoff, der ihm "Das Fundament" überlassen hat, ein Song, der soundtechnisch irgendwo zwischen "Los Ninos Del Parque" von Liaisons Dangereueses und "Push" von The Invincible Spirit zu verorten ist, sowie die Schweizer Walter Frosch, deren Beitrag "Under A Spell" an glorreiche Post-Punk-Zeiten erinnert. Auch die wunderbaren Scenius, ein Projekt des Klammer-Frontmanns Steve Whitfield, schließen mit dem ruhigeren After-Hour-Stück "High Low" eine wieder einmal runde Compilation ab.

Auf dieser finden sich einige wunderbare Highlights, allen voran "Vestige De Futur" von La Mécanique aus Kanada. Mit knackigen Beats und einer Melodie, die einen sofort gefangen nimmt, schafft er eine dichte, spannngsgeladene Atmosphäre, die vom donnernden Timbre des Sängers Francis Nothingwater komplettiert wird. Ebenso ist der exklusive Remix von "Time" von A Projection erstklassiges Material für garantiert volle Tanzflächen und schwitzende Körper. Apropos: "The Things We Hide" von Rina Pavar ist in puncto boxenzerfetzender Basslinien ganz weit vorne. Die blubbernde Sequenz ist dermaßen präsent, ohne aber Rinas beschwörenden Sprechgesang zu beeinflussen.

Anhand einiger weniger Beispiele wird deutlich, dass Cold Transmission natürlich in eigener Sache unterwegs ist, mehr aber noch sucht das Label den Schulterschluss mit anderen Künstlerinnen und Künstlern aus der Szene, denn nur so funktioniert eine alternative Subkultur: durch gemeinschaftliche Hilfe. "Zeitgeist+ Vol. 2" lässt das zwar nie großartig raushängen, aber ein genauerer Blick auf die Gewichtung der Bands zeigt, dass man immer das große Ganze im Blick hat. Ein Musterbeispiel an vorbildlicher Szeneunterstützung.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM:11.04.23 | KONTAKT | WEITER: NUOVO TESTAMENTO VS. ASSASSUN>

Webseite:
www.coldtransmission.com

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