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THEN COMES SILENCE "BLOOD": BRODELNDER SAFT DES LEBENS

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Wir sind dem Tod geweiht! Alle!

Wer nun einen verschwurbelten Weltuntergangstext erwartet, darf sich enttäuscht fühlen (dabei gab es kürzlich von irgendwo her die hieb- und stichfesten Berechnungen vom irdischen Exitus in diesem Jahr - war aber mal wieder nix). Es ist einfach eine unumstößliche Tatsache, dass der Sensenmann uns alle abholt, früher oder später. Der Tod ist eben Teil unseres kurzen Daseins in dieser Welt

Was also tun in der Zeit zwischen den beiden Ewigkeiten? Am besten das Leben genießen. "Carpe diem" sagte ja schon der belesene Mittelaltermensch, ergo: Mönch, und tanzte und soff und liebte, dass es eine Art hatte (gut, ein bisschen "ora et labora" für die optimale work-life-balance war da sicherlich auch nicht unangebracht). Diese positive Grundeinstellung zum Leben im Angesicht des sich immer und urplötzlich eintretenen Dahinscheiden lassen auch Then Comes Silence aus Schweden in ihrem vierten Album "Blood" durchscheinen.

Keine Angst: Die Band um Sänger Alex Svenson haben jetzt nicht Sackpfeife, Laute und Schalmei für sich entdeckt und hüpfen in folkloristischen Verkleidungen umher. Immer noch irrlichtern sie mit beeindruckender Eleganz auf den weiten Gefilden Post-Punk und Goth-Rock, stets darum bemüht, den hoffnungslos anmutenden Songs einen psychedelischen Anstrich zu verpassen. Im Vergleich zu ihrem Vorgänger "Nyctophilian" wirken TCS allerdings stärker dem Leben zugewandt.

Anfangs jedoch stellen sie fest: "The Dead Cries For No One". Als Leich' ist jeder gleich. Ob man sein Leben als braver Familienmensch, verrückter Künstler oder auch weltgrößtes Arschloch verbracht hat: Den Gevatter kümmert das herzlich wenig. Und da ist es schon, dieses "carpe diem"-Moment, eingepackt in eine wunderbar groovige Gitarrenmelodie, die selbst die niedergeschlagenste Seele doch wenigstens mit dem Haupt im Takt nicken lässt. So viel Lebensfreude steckt dann auch im größten Pessimisten.

Und wie war das mit der Liebe? Auch da zeigen sich Svenson und seine düsteren Gesellen von einer abgrundtiefen, aber gleichzeitig lebendigen Seite. "Flashing Pangs Of Love" geriert sich wie eine wilde Nacht im Folterkeller. Denn wie nah Schmerz und Lust beieinander liegen, hat bereits der Franzose herausgefunden, der dem Orgasmus die poetische Umschreibung "der kleine Tod" zugeschustert hat. Und Then Comes Silence packen diese Ambivalenz aus Qual und Befriedigung in klassisch sinistren Gitarrensound.

Wie ein sprichwörtlich blutroter Faden zieht sich der Lebenssaft durch die elf Nummern, die in ihrer konzentrierten Ausarbeitung mehr als bemerkenswert sind. Keine Längen, keine unnötigen Umwege, klare Strukturierung. "Blood" ist ein "straightes" Album wie eine Hauptschlagader, das erst mit dem final-filigranen "Mercury" den Mut aufbringt, in eine überbordende Melodie aufzugehen. Ein derartiges Erlebnis bescherte uns zuletzt vor vier Jahren The Mission mit "Swan Song" aus dem Meisterwerk "The Brightest Light".

Womit wir auch bei den Querverweisen sind, die auf "Blood" mit voller Wucht ins Gesicht springen. Denn Alex ist ein Freund klassischer Dunkeltanz-Nummern. Das hört man seinem leicht angerauhten Timbre an. Der Vergleich mit The-Mission-Sänger Wayne Hussey ist da nur eines von vielen Merkmalen.

Dazwischen wimmelt es von weiteren rockhistorischen Zitaten. Da ist diese schnarrende Frauenstimme im Refrain von "The Rest Will Follow", die von Siouxsie Sioux persönlich ausgeborgt sein könnte, und "Warm Like Blood" beginnt fast identisch mit dem klappernden Schlagzeug-Intro, das auch den gruftigsten Gruftsong ever eröffnet: "Bela Lugosi's Dead" von Bauhaus.

Keine Frage: Das aktuelle Album von Then Comes Silence ist ein Werk aus dem 21. Jahrhundert, das aber liebend gerne auf eine Zeit verweist, in der "Gothic" einen weitaus klareren Rahmen besaß. Zumindest musikalisch. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn "Blood" die roten Säfte all derer wieder in Wallung bringt, die bei der Geburtsstunde einer ganzen Bewegung dabei waren.


||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 30.10.17| KONTAKT | WEITER: IM PROFIL: MIND.IN.A.BOX>

Webseite:
www.thencomessilence.eu


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COVER © NUCLEAR BLAST/WARNER

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