ULTRAVOX "THE COLLECTION DELUXE EDITION": (FREUDEN)TRÄNEN IN MEINEN AUGEN - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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ULTRAVOX "THE COLLECTION DELUXE EDITION": (FREUDEN)TRÄNEN IN MEINEN AUGEN

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Es war der unerwartete Schwanengesang: "The Collection" fasste nicht nur die ersten vier erfolgreichen Jahre von Ultravox, die seit dem Engagement von Sänger Midge Ure weltweite Anerkennung für ihren neoromantischen Synth-Rock erhielten, zusammen, sondern markierte auch den Zenit ihres Schaffens. Solo-Aktivitäten des Sängers und interne Streitigkeiten über die weitere musikalische Entwicklung führten zunächst zum Austritt des Drummers Warren Cann und dem von den Fans eher missmutig aufgenommenen letzten Album "U-Vox" von 1986. Es sollten mehr als ein Vierteljahrhundert ins Land ziehen, bis das Quartett mit "Brilliant" ein letztes Album im ursprünglichen Line-Up einspielte.

Dennoch oder gerade deswegen wurde die Deluxe Edition um Songs aus beiden oben genannten Alben erweitert. "Brilliant" und "Flow" sowie "Same Old Story", "All Fall Down" und "All In One Day" komplettieren die Standard-Version der CD-Ausgabe. Neben zwei weiteren Vinyl-Fassungen dürften Die-Hard-Fans die umfassende Box favorisieren, bestehend aus vier CDs und zwei Blu Rays. Hier finden sich neben der klassischen Ausgabe von "The Collection" einige bislang unveröffentlichte Stücke, die einen interessanten Einblick in die Arbeit der Band und der Entwicklung ihrer Stücke gewähren.

Besonders die alternativen Versionen von "Hymn" und "Vienna" wecken das Interesse, sind sie auch ein Fingerzeig auf den wichtigen Einfluss der Produzenten - George Martin bei erstgenanntem Song, Conny Plank bei nachfolgendem. So setzte Midge Ure in der ursprünglichen Version bei "Hymn" etwas tiefer ein, sodass dem Song tatsächlich das hymnische Moment etwas fehlte. Das Funkeln der endgültigen Studiofassung ist in dieser Version nur zu erahnen.

Ebenso wird bei "Vienna" das Synare-Pad, das den markanten Donnersound erzeugt, später eingesetzt, was die gesamte Statik des Songs verändert. Auch hier erkennt man die großartigen Visionen der vier Männer, als sie das Lied einspielten. Doch war es in der Urform noch etwas unausgegoren und rumpelig. Erst die klar definierten Streicher, die konzise Rhythmusprogrammierung und das pointierte Finale (in der alternativen Version verliert sich "Vienna" in einem etwas unschlüssigen Klavieroutro) machten das Stück erst zu dem was er wurde - ein Klassiker.

Ultravox waren nicht nur eine weitere New-Romantic-Truppe, sondern die Apotheose dieses Genres, was sich auch in den kunstvoll gehaltenen Videos zeigt, die gesammelt auf einer der zwei Blu-Rays zu sehen sind. Komplettiert wird die audiovisuelle Sektion unter anderem mit Liveauftritten und Besuchen bei Top Of The Pops sowie einem Interview mit Billy Currie. Ein Rundumsorglospaket.

Darüber hinaus war Ultravox auch eine Ansammlung hochtalentierter Musiker, angefangen von der markanten Stimme Ures über den klassisch geschulten Currie bis hin zu Warren Cann, der als präziser Rhythmusgeber in der Tradition eines Jaki Liebezeit steht, jedoch viel wuchtiger und präsenter in den Songs auftritt (wer das markante Drum-Solo bei der Live-Version von "The Voice" kennt, weiß um die perkussive Kraft der Band). Wie gut ihr musikalischer Output gewesen ist, zeigt sich auch in den B-Seiten, die ebenfalls gesammelt auf einer weiteren CD zu hören sind.

Neben teilweise sehr experimentellen Stücken wie "Break Your Back" oder "Keep Talking" (das fast schon an die avantgardistischen Klänge von Cabaret Voltaire erinnert), finden sich unter anderem mit "Waiting", "Passionate Reply", "Paths & Angles" und "I Never Wanted To Begin" Stücke, die bei anderen Bands ohne mit der Wimper zu zucken als veritable Hit-Single mit Kusshand genommen worden wären.

Abgerundet wird die auf wenige tausend Stück limitierte große Box mit neuen Extended-Mixen im klassischen 80er-Stil, abgemischt unter anderem von Midge Ure, Steven Wilson und auch einer deutschen Beteiligung: Das DJ- und Produzentenduo Blank & Jones, berühmt für ihr profundes Wissen über 80er Maxis, das sie in ihrer inkommensurablen Reihe "So80s" immer wieder zur Schau gestellt haben, verpassten "Love's Great Adventure", der letzten Single in der Besetzung Ure/Currie/Cann/Cross vor dem Split, eine authentische Songverlängerung nach Manier der damaligen Dekade.

Als geneigter Fan tanzt man, getreu einem ihrer Hits, mit Tränen in den Augen. Es sind einerseits Freudentränen, da in der Deluxe Edition von "The Collection" (das sich bei der Erstveröffentlichung über zwei Millionen Mal verkaufte und damit erfolgreicher als die Alben der Band war) so viele Schätze zu finden sind, aber gepaart mit der bitteren Realität, dass spätestens seit dem Tod von Bassist Chris Cross im vergangenen Jahr die Magie des Vierergespanns nie wieder zustande kommen wird. Was Ultravox geschaffen haben, wird aber die Zeit überdauern.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 3.12.25 | KONTAKT | WEITER: BINGOS BÜRO VS. RUPERT FALSCH VS. BRAUSEPÖTER>

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