THYX: "LEIDER IST VIELEN DIE FÄHIGKEIT ABHANDEN GEKOMMEN, SELBST ZU DENKEN"
Dein neues Thyx-Album "Headless" erscheint in einer schwierigen Zeit, in der Flüchtlingskrise, europäischer Ruck nach Rechts und Terrorgefahr die beherrschenden Themen unserer Gesellschaft geworden sind. Eigentlich beschreibt Deine Platte und das einleitende Zitat von Bertrand Russell im Booklet ziemlich genau den Status Quo...
Stimmt! Unsere Welt wird immer verrückter. Die Leute sollten anfangen, sich zu fragen, warum das alles passiert. Was sind die Ursachen? Warum gibt es überhaupt Flüchtlinge? Haben wir möglicherweise selbst etwas damit zu tun? Das passiert leider kaum. Es ist ungefähr so, wie wenn es dich mit dem Fahrrad seit Jahren ständig auf die Fresse legt und du immer nur mit Hansaplast deine Wunden versorgst, anstelle mal das Fahrrad nach Defekten zu untersuchen.
Gerade in Sachen Erstarken rechtspopulistischer Parteien warnen viele, dass Deutschland es bald mit österreichischen Verhältnissen zu tun haben wird. Siehst Du als Österreicher auch Parallelen zwischen FPÖ und AfD?
Bewegungen, egal in welche Richtung, haben ja auch immer eine Ursache. Mich interessiert die Ursache viel mehr als die Bewegung selbst. Es wäre sinnvoller, dies zu analysieren.
Die Leute brauchen mehr Informationen und müssen sich selbst mit der Welt auseinandersetzen, weil es einfach höchste Zeit wird. Mit anderen Worten: Die Menschen brauchen mehr Bildung, um dann die richtige Entscheidung treffen zu können.Viele glauben einer Nachricht, wenn sie in drei verschiedenen Zeitungen und im Fernsehen auftaucht. Das ist aber nicht immer der Fall. Leider ist vielen auch die Fährigkeit abhanden gekommen, selbst zu denken. Sie plappern nur nach – auch wenn es gar keinen Sinn ergibt.
In Deinem Album besingst Du Menschen, die "kopflos" durchs Leben rennen und sich einem System anpassen. Sind diese Menschen Deiner Meinung für extreme Propaganda zugänglich?
Leider ja. Und es ist auch nicht leicht, dem zu entkommen. Man muss beginnen, Dinge in Frage zu stellen und anfangen, misstrauisch zu sein. Wenn das gelingt, hat man den größten Teil schon geschafft. Das Problem ist natürlich, dass die Leute, die unser System lenken, nicht doof sind und das sicherlich verhindern wollen. Man kann die Welt nur in kleinen Schritte zum friedlicheren Planeten verändern. Bei Katastrophen schalten unsere Gehirne leider immer auf Notbetrieb und dann sind wir erst recht ganz leicht zu beeinflussen.
Hast du persönlich auch schon solche "abgestumpften" Menschen erlebt?
Ja klar! Jeden Tag. Früher dachte ich, es hätte etwas mit Intelligenz zu tun, sich nicht von seinem Standpunkt abbringen zu lassen – hat es aber gar nicht. Ich kenne ein paar wirklich schlaue Köpfe, die so in ihrer Welt verankert sind, dass sie jeglichen Angriff auf ihr vorgefertigtes Weltbild abblocken. Man will es dann einfach nicht wahrhaben. Es ist quasi eine Art Selbstschutz. Das macht es dann natürlich schwierig, mit ihnen über bestimmte Dinge zu reden.
Zu welchen Erkenntnissen bist Du gekommen?
Geld regiert die Welt. Unsere Kinder wachsen in einer Wettbewerbsgesellschaft auf, die darauf ausgelegt ist, immer besser zu sein als der andere. Das ist ein grundlegendes Problem: Es setzten sich die schlauen und rücksichtslosen, aber nicht unbedingt die besseren Menschen durch. So entsteht ein System, dass an der Spitze amoralisch ist und amoralisch agiert.
Wie in "Doomed", worin Du einen Mann beschreibst, der eine fast schon sadistische Freude daran hat, dass viele Menschen ihm Untertan sind. Die extrem modulierte Stimme macht ihn fast zu einem alienartigen, bösen Wesen...
Ganz genau. Im Prinzip beschreibt der Song einen Konzernboss wie es ja viele gibt.
Bei "The Phial" und "A.I." hast du dir künstlerische Hilfe geholt: Josh Kreger und Will Lowe. Wie kam es zu diesen Kollaborationen?
Mit Josh bin ich in regelmäßigen Kontakt und ich schätze seine Lyrics sehr. Ich denke, das war sicherlich nicht der letzte Song, den wir zusammen gemacht haben. Bei "A.I" habe ich über Facebook die Community aufgerufen, mich bei dem Song zu unterstützen. Der Text von Will Lowe hat mir dabei am besten gefallen. Das war richtig spannend. Ähnlich wie bei "Tape Evidence", das auch durch die Hilfe aus den sozialen Medien entstanden ist.
Besonders "Pain Of Silence" hat mich musikalisch überrascht. Das Stück erinnert ein wenig an den Electro-Rock von Saga. War es für Dich schon zu Beginn klar, dass dieser Song so "organisch" klingen muss?
Eigentlich schon. Ich wollte ein paar Metal-Parts in einen Song verarbeiten und es mit Vocodern im Refrain kombinieren. Das fand ich als Idee schon sehr spannend und auch neu für mich.
Was sind das für Samples, die dort zu hören sind?
Es sind Ausschnitte aus einem Gespräch zwischen Luke Rudkowsi, Dan Dicks und James Corbett. Drei gescheite, unabhängige Journalisten. Vor allem James Corbett genießt ein unglaublich hohes Ansehen. Er hat ein paar beeindruckende Videos auf seinem Youtube-Kanal. Beispielsweise das Video "How Big Oil Conquered the World". Sehr empfehelenswert.
Das Album wirkt insgesamt recht pessimistisch, aber am Ende scheint es mit "Free" so etwas wie eine Erlösung zu geben. Allerdings klingt der Song auch ein wenig nach finalem Ende und Übertritt in eine andere Existenzform. Was hat es mit diesem Stück auf sich?
Das war so ein Song, den ich aus dem Bauch heraus geschrieben habe und gar nicht genau erklären kann, was damit gemeint ist. Gefühle und Gedanken im Kopf entstehen ja bekanntlich noch bevor du ein Wort dazu gefunden hast. Der Gedanke oder das Gefühl ist eben wie ein analoger Wert mit unendlichem Detailgrad. Ich habe mit dem Komponieren begonnen, noch bevor ich überhaupt verstand, was gemeint ist. Aber du hast recht: Es klingt wie ein trauriges, aber erlösendes Ende.
||INTERVIEW: DANIEL DRESSLER | DATUM: 12.03.16 | KONTAKT | WEITER: IM PROFIL: RICHARD ANDERSON >
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FOTO © MARKUS THUMS
COVER © THYX
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