BIG MOUNTAIN COUNTY "DEEP DRIVES" VS. INCA BABIES "GHOST MECHANIC NINE": ALTERNATIVER DOPPEL-WUMMS - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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BIG MOUNTAIN COUNTY "DEEP DRIVES" VS. INCA BABIES "GHOST MECHANIC NINE": ALTERNATIVER DOPPEL-WUMMS

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So hat man Big Mountain County noch nicht erlebt. Denn die seit rund einem Jahrzehnt existierende Band tummelte sich bereits in verschiedenen musikalischen Gewässern herum, war aber vornehmlich im weitläufigen Psy- und Indie-Rock unterwegs. Mit "Just A Boy" aus dem Album "Somewhere Else", das wenige Wochen vor der Pandemie veröffentlicht wurde, gelang ihnen sogar ein funkig-rockiger Song, der eigentlich richtig hätte einschlagen und massiven Radio-Airplay nach sich ziehen müssen.

Trotz einer Menge Liveauftritte, die allesamt mit viel Zuspruch goutiert wurden, ist Big Mountain County immer noch ein Geheimtipp, der sich auf seinem neuesten Album "Deep Drives" einmal mehr künstlerisch häutet. Auf einmal entdeckt das Quintett nämlich die Tanzbarkeit in seinen Nummern. Neben den schrammeligen Gitarren betreten nun verquere Synthie-Klänge wie bei "Electric Church" die Bühne. Zwar sind ihre psychedelisch-punkigen Wurzeln immer noch deutlich erkennbar, aber die stilistische Neuausrichtung lässt ihre eingeschlagene Richtung in neuem Glanz erstrahlen.

Fast scheint es so, dass Big Mountain County diese Frischzellenkur herbeigesehnt hat, denn auf "Deep Drives" klingen die Römer von allen Zwängen befreit und wagen neue Wege, die im abschließenden "Last Call" vollends überzeugen. Pumpende Beats, sägende Basslinien und eine versprengte E-Gitarre im Hintergrund wirken wie die ultima ratio ihrer Neuorientierung. Auch das umherwabernde, minimalistische "Follow Me", das an die elektronischen Kompositionen von Mark Lanegan erinnert, misst der Elektronik für das Gesamtkonzept der Band größere Bedeutung bei.

Dabei hat sich diese Idee eines breiter aufgestellten Klangkonzepts bereits in kleinen Momenten auf ihren früheren Veröffentlichungen schon angedeutet. Doch so radikal und selbstbewusst hypnotisch elektronisch präsentierte sich die Band zum ersten Mal. Dass ihre Wahl auf spröde Vintage-Orgel-Sounds wie in "Bright Black Hole" und electroclashiges Gefiepe, wie es im Garage-Rock-Gassenhauer "Don't Know Why" präsentiert, fällt, verwundert nicht wirklich, stammt ihre musikalische Sozialisation auch aus einer Zeit, als Synthesizer nicht nur klobig, sondern auch räudig in ihren Klangfarben waren.

"Deep Drives" ist eine Schlachtplatte aus elektronischem Wahnsinn, psychedelischer Grundsubstanz, punkiger Aggressivität und wohldosiertem Inide-Rock-Gebaren, welche nach nicht einmal 30 Minuten komplett verputzt worden ist. Aber auch hier gilt: Qualität schlägt Qantität. Denn ausnahmslos jeder Song versprüht eine unglaubliche Kraft, die sich kaum bändigen lässt. Schnell und laut: So muss Indie-Rock!

Mit solchen Adjektiven müsste Harry Stafford eigentlich abgeschlossen haben. Immerhin ist der Mann seit rund 40 Jahren im Musikzirkus und sollte sich daher eine gewisse Dickhäutigkeit zugelegt haben. Aber Pustekuchen! Der Mann aus Manchester besitzt immer noch eine unbändige Spielfreude. Und das ist auch gut so!

In den 1980ern hat er die Inca Babies ins Leben gerufen; ihr Sound speiste sich unter anderem aus dem düster-kaputten Nummern von The Birthday Party und dem Rock-Pionier Link Wray, dessen Stück "Rumble" 1958 aufgrund seiner abgerissenen und bedrohlich wirkenden Atmosphäre von einigen Radiosendern boykottiert wurde - eine höchst ungewöhnliche Maßnahme für ein Instrumental (Inca Babies' Debütalbum trägt übrigens den gleichen Titel - sicherlich nicht zufällig).

Eben diese gefährliche wirkende Attitüde hat Staffords Band verinnerlicht und brachten sie bereits damals überzeugend vor Publikum dar. Ein bisschen bluesig, ein bisschen post-punkig, in jedem Fall aber angsteinflößend und gleichzeitig handwerklich beeindruckend, konnte die Band sogar beim legendären Radio-DJ John Peel mehrere Sessions einspielen. Sie blieben bis zu ihrer ersten Auflösung 1988 aber eine reine Indie-Nummer.

Fast 20 Jahre später führte die Veröffentlichung einer Best Of über Cherry Red Records dazu, dass sich die Inca Babies wieder formierten. Trotz des Todes von Bassist Bill Marten machte die Band weiter; die Show sollte nun weitergehen. Vor allem das 2021er Album "Street Swamp Soul" brachte das Fünfergespann wieder ins Gespräch, "Ghost Mechanic Nine" verfeinert nun einmal mehr die Balance aus Goth, Blues und Postpunk.

Album Nummer neun enthält ebenso viele Songs, in der sich die Geschichte von Stafford und seinen Mannen extrem verdichtet. Und wie allgemein bekannt, entstehen Diamanten nur unter sehr hohem Druck. Bedeutet für "Ghost Mechanic Nine" eine Fülle markiger Songs, in der sich das langjährige Wissen der Musiker mit einer immer noch unhaltbaren Spielfreude und klaren musikalischen Vision paart.

Das führt dazu, dass sich in "Spacewalk", einem Stück, das mit unseren strahlenden Zukunftsvisionen, die wir noch einige Jahrzehnte zuvor hatten, abrechnet. Vor allem der sich sofort ins Gehör festbeißende Rockabilly-Riff trägt die gesamte Nummer. Bereits der Titelsong, gleichzeitig Opener der Platte, krendenzt einen klassischen Stafford-Sound, in dem sich Wildheit, dunkle Schönheit und Nonkonformismus zu einem einnehmenden Stück aufbaut, das vom nachfolgenden "Insect Symphony",  einer musikalischen Verbeugung vor allen Musikern und Bands, die nicht mehr unter uns weilen, die konstant hohe Energie des Albums weiterträgt. Und "Opum Dub", eine Neueinspielung von "Opium Den" zeigt Produzenten Simon "Ding" Archers exaktes Gespür für einnehmende Remixe.

Der Teufel steckt im Detail. Neuntes Album! Neun Lieder! "Ghost Mechanic Nine"! 999! 666? Wäre denkbar. Denn bei den Inca Babies fährt Luzifer immer mit - stilecht auf einer Chopper über einen einsamen Highway.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 06.12.24 | KONTAKT |  WEITER: HEAVENT VS. HOLLI VS. DAS KITSCH>

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COVER © SISTER 9 RECORDINGS (BIG MOUNTAIN COUNTY), BLUE LAGOON (INCA BABIES)

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