13/23: SALAMIRECORDER & THE HI-FI-PHONOS, FIR CONE CHILDREN ,THE RADIO MAKERS, OHNE NOMEN, REMOTE CONTACT - VON DER GARAGE ZUR NORDSEE
Kling & Klang > KURZ ANGESPIELT > 2023
Es rauscht, es surrt. Dann ertönt eine schneidige Gitarre, die astreinen Garage-Punk spielt, dabei aber den Surfin' Sound der 60er Jahre eingedenkt. Salamirecorder & The Hi-Fi-Phonos nennt sich diese Truppe hinter diesen frischen Tönen, bestehend aus drei adoleszenten Musikern aus Wien. Kreativer Kopf dieser Vereinigung ist der 20-jährige Felix Schnabl, der sich in seiner Heimatstadt bereits durch andere Bands hervorgetan hat, an denen er mitwirkte. Salamirecorder & The Hi-Fi-Phonos, ein Name, so sinnbefreit wie die meisten Monty-Python-Sketche, aber gleichzeitig mit die vielleicht ulkigste Betitelung einer Band anno 2023, ist seine nächste Spielwiese. Ein bisschen klingt ihr Album "Goods For Conversation", als ob The White Stripes ihre Hawaii-Hemden aus der Mottenkiste geholt haben und nun eine fesche Sause am Strand von Malibu abhalten. Auffallend bei Salamirecorder und den Hi-Fi-Phonos ist der massive Einsatz von Reverb-Effekten auf der Gesangsspur. Dazu dröhnt das Saiteninstrument wie einst bei den Shadows, besonders markant bei der Nummer "Eyeliner", die es konsequenterweise auch zur gesonderten Veröffentlichung inklusive Video geschafft hat. Doch auch sonst schaffen die restlichen acht anderen Stücke, so entspannt und gleichzeitig energegeladen zu klingen. Die am Anfang zu hörenden Nebengeräusche haben die Jungs geradezu kultiviert. Bevor jeder Song ertönt, darf man einen Bruchteil einer Sekunde in das Gesumme reinlauschen. Das lässt die Nummern auf "Goods For Conversation" so authentisch und geradezu erdig wirken. Diese Band rockt sich den Allerwertesten ab. Und das machen sie richtig gut.
Als Vlimmer gibt er sich einem fatalistischen Post-Punk hin, als Assassun kramt er klobige Elektrosounds aus der Kiste und baut mit ihnen dystopische Gedankengebäude, und als Fir Cone Children setzt sich der Familienvater mit der Welt der Kinder auseinander, den er mit einem fluffigen, aber auch ernstzunehmenden Shoegaze mit Punk-Kante unterlegt. Es ist wirklich erstaunlich, wie vielseitig Alexander Leonard Donat, der Mann hinter all diesen Projekten, ist. Kaum ein anderer Künstler in der alternativen Szene schafft es, immer wieder neu zu klingen und dabei spannend und authentisch zu bleiben. So ist "The Urge To Overtake Time", das mittlerweile neunte Album von Fir Cone Children, eine Ausgeburt an Energie, die der Mann wohl seinen Töchtern zu verdanken hat. Schließlich hält der Nachwuchs einen immer auf Trab. Bei Alexander setzt es kreative Energien frei, die er nutzt, um über die Gefühle und Gedanken der Kinder zu singen. Dabei nimmt er oft die Position der Kinder ein und betrachtet die Welt mit deren Augen. Und man stellt fest: Verliebtsein, Herzschmerz, Trauer - das sind keine reinen Erwachsenenthemen. Auch Kinder im vorpubertären Alter kennen diese Gefühle. Dementsprechend zeigt sich der kindliche Freiheitsdrang und die unschuldige Lebensfreude in den anarchischen Punknummern wie bei "Sydney And I", während "It Feels Complete" deutlich verträumter, aber auch melancholischer wirkt. Fir Cone Children ist nicht an die Kinder gerichtet, sondern an uns Erwachsene, die wir zum Teil das Kind in uns vergessen oder verschüttet haben. Holen wir es wieder raus und lassen es atmen. Und nehmen wir uns einen Songtitel als Vorbild: "Let's Defy Everyday Life" - trotzen wir dem Alltag!
Nomen est nicht immer omen. Die Radio Makers sind keine Radiofritzen, sondern eine aus dem englischen Bristol stammende Band, die mit ihrem Album "Lucky Stars" erstmalig auf der musikalischen Landkarte auftauchen. Aber das im Bandnamen genannte Medium verweist bereits auf die klangliche Ausrichtung der Band. Denn wer im Radio gespielt werden will, muss ein bisschen angepasster klingen. "Lucky Stars" tut dies dank einer sehr angenehmen Pop-Rock-Mixtur, die sich bereits beim Opener "Edible Hearts" selbstbewusst positioniert. Was die Radio Makers allerdings überaus spannend macht, ist ihr Hang zum klassischen New Wave und angedeuter Punkyness, wie man es bei "Echoes" oder "Song For Rainy Afternoons" heraushört. Ob es an dem feinen Hunor wie in "I'm A Poseur" liegt oder an der Tatsache, dass die Band mit Steve Evansson einen erfahrenen Produzent herangezogen wurde, der bereits mit Siouxsie & The Banshees und den Proclaimers zusammengearbeitet hat? Aber es nützt die beste finale Abmischung nichts, wenn das Grundmaterial nichts taugt. Bei den Radio Makers wird jedoch schnell deutlich, dass hier der Wunsch nach einfach gut gemachter, eingängiger, wiewohl anspruchsvoller Popmusik so groß ist, dass sie sich selbst ganze vier Jahre Zeit gelassen haben, um ihren Erstling in die Welt zu entlassen. Das lange Tüfteln hat sich gelohnt: "Lucky Stars" vereinigt die Aufbruchsstimmung der Pop-Ära nach Punk und eine unbändige Freude an gut gemachten Songs - inklusive eines finalen Liebesliedes in bombastischem Gewand: "Talk About You" überrascht noch einmal mit großem Orchester. Wäre nicht verwunderlich, wenn die Radio Makers tatsächlich regelmäßig über den Äther laufen würden.
Zwar est Nomen nicht immer omen, wie wir gerade gesehen haben, aber Ohne Nomen geht es auch. So nennt sich nämlich ein italienisches Zweiergespann, bestehend aus Sängerin Francesca und Soundtüftler Phillippe Marlat (auch bei Iamnoone tätig), deren Musik am besten als Reduktion auf das Wesentliche beschrieben werden kann. "The S-Witch" besitzt ein konsequentes musikalisches Konzept: straighte Vierviertelbeats, sägende Bässe und auf ihre Quintessenz eingedampfte Sequenzen, die von Francescas teilweise enigmatischen Texten begleitet werden. Witch Wave haben sie ihre Kreation getauft, ist aber im Grunde seiner Struktur sehr am Italo-Disco der 80er angelehnt, wobei die gesamte Atmosphäre deutlich sinistrer ausgefallen ist. Doch immer wieder scheinen die Popmomente wie bei "Cold Sadness" durch. Obwohl sich "The S-Witch" also in einem sehr engen Rahmen bewegt und Philippe sogar teilweise die mit den gleichen Sounds arbeitet (die glockenähnlichen Klänge von "My Body Is Moving" finden sich beispielsweise in "Thelema" wieder), also alles auf einen radikalen Minimalismus hinausläuft, bleibt die LP erstaunlicherweise griffig und wird nicht langweilig. Verantwortlich dafür ist zum einen natürlich Francesca, die mit ihren teils beschwörerischen, teils fast schon naiven Gesängen eine ganz eigene Note in die Stücke bringt, zum anderen auch an Philippe, dessen Songwriting stets den Fokus auf die "Catchyness" der Kompositionen legt. Das macht unter dem Strich einen eingängigen Zweitling, der im Vergleich zum Debüt "Nightflower" sauberer produziert wurde und eine deutliche Entwicklung dieses vielversprechenden Projekts markiert.
Das Meer übte schon immer eine besondere Anziehungskraft auf Künstler aus allen Bereichen aus. Denken wir nur an die wunderbaren Gemälde eines Caspar David Friedrich, der die Weite der See in Relation zum Individuum ausarbeitete. Oder Chris Reas "On The Beach", dessen markantes Gitarrenthema sofort das Bild weißer Strände unter einem strahlend blauen Firmament und türkisfarbenem Wasser vor dem geistigen Auge entstehen lässt. Für Firn und Pogan, die beiden Soundtüftler von Remote Contact und aus Graz stammend, kam dieses Erweckungserlebnis in Friedrichskoog, dem sie im vergangenen Jahr einen Besuch für eine Aufnahmesession abstatteten. Gut, das ist vielleicht nicht gerade der "place to be" - Sylt oder die ostfriesische Insel Norderney haben da sicherlich - man verzeihe das Wortspiel - mehr als nur Meer zu bieten. Aber dennoch waren die beiden von diesem Fleckchen Erde so angetan, dass sie sich gleich an die Rechner gesetzt und unter den frischen Eindrücken ein ganzes Album mit acht Songs zwischen Dub, House, Electro, und Trip Hop anfertigten. "An der Nordseeküste" haben sie ihre Langrille getauft, und ja: Gleichnamiger Schunkelsong von Klaus & Klaus ist auch dabei, allerdings in einer ziemlich abgespaceten Version. Völlig Banane und dennoch die so ziemlich coolste Liebeserklärung an das Platte Land. Ansonsten bleiben Remote Contact einem bassbetonten Downbeat inniglich verbunden, was gerade im Sommer perfekt harmoniert. Songs wie "Bongo Mania" oder "Message To The Sun" passen perfekt zum Chillen mit einem schönen Kaltgetränk auf der Liege am Strand, einen Sonnenuntergang beobachtend. Bei Remote Control wirkt das Leben leicht.
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