9/24: DARKWAYS, PRINICIPE VALIENTE, DINA SUMMER, ROBERT SCHROEDER, MARK LANEGAN: VON SCHATTEN, LICHT, ALIENS UND KAUGUMMIS - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

Direkt zum Seiteninhalt

9/24: DARKWAYS, PRINICIPE VALIENTE, DINA SUMMER, ROBERT SCHROEDER, MARK LANEGAN: VON SCHATTEN, LICHT, ALIENS UND KAUGUMMIS

Kling & Klang > KURZ ANGESPIELT > 2024
Genosse Zufall kreuzte wieder einmal den Weg, als UNTER.TON über ein Video von den so genannten Children Of The Night stolperte. Diese Vereinigung unterlegt alte Aufnahmen von Gothic-Discotheken und ihrem tanzenden Klientel mit aktuellen Darkwave-Nummern, darunter auch "I Like The Night (And The Night Likes Me)" von Darkways. Es ist ein Song, der gar nichts anderes sein will, als die existentielle Quintessenz der Schwarzgewandeten, verpackt in einer mitreißenden Uptempo-Nummer mit einem hohen Ohrwurmfaktor. Keine Experimente, kein verkopfter Sound - einfach geradeaus komponiert und mit einer großartigen Hookline im Refrain, die für volle Tanzflächen sorgen wird. "Resonance", das erste Album der Band aus  Spanien, übertrifft die Erwartungen. Bereits "Shadowdancer" nimmt keine Gefangenen und kommt mit einfacher Rhythmik, flirrenden Gitarren und glitzernden Synthiesounds daher, die sich vor allem bei dem traumhaft schönen "Neon Lights" zu voller Blüte entfalten. Es ist der einzige Song, bei dem die Elektronik der Hauptakteur ist. Ansonsten haben Darkways eine sehr angenehme Mischung aus leicht antiquiert klingenden Synthesizern und typischen Wave-Gitarren erschaffen. Die Melange trägt die gesamte Platte mühelos. In interner Konkurrenz zu "I Like The Night" könnte "Madness" treten, der die bekannten Zutaten einmal mehr pointiert in dreieinhalb Minuten verhandelt. Kritiker werden sicherlich die vorhersehbaren Sounds und die vielleicht klischeebehafteten Themen bemängeln. Doch muss es erst einmal eine Band schaffen, über ein ganzes Album lang derart hochkarätige Tanznummern zu produzieren, deren Eingängigkeit seines Gleichen sucht. Die Resonanz auf "Resonance" wird sicherlich riesig sein.

Ihr Soll haben Principe Valiente für dieses Jahr bereits erfüllt. Zum Duo geschrumpft, veröffentlichten sie mit "In This Light" ein weiteres musikalisches Highlight ihrer Karriere. Die Sorge, dass der personelle Aderlass auch Konsequenzen für die kompositorische Qualität haben könnte, haben Sänger Fernando Honorato und Bassist Jimmy Ottosson lässig beiseite gewischt. Das Album besitzt wieder einmal eine Menge genialer Songs, von denen die beiden Singleauskopplungen "Something New" und "Inspired By Me" sicherlich zu den Highlights zählen. Auf "This Time (Single Remixes)" werden diese beide Nummern einer Frischzellenkur unterzogen. Die Behandlung erfolgt von eingen wohlklingenden Namen: Girls Under Glass, Paradox Obscur und Sean de Winzer von Clan Of Xymox nahmen sich dem einen respektiven anderen Song an und haben sich dabei ordentlich mit Ruhm bekleckert. Die insgesamt fünf Remixe orientieren sich zwar am Original, arbeiten aber die einzelnen Zutaten des Principe-Sounds schön heraus. De Winzer beispielsweise setzt den ätherischen Gitarrenlauf von "Something New" in den Vordergrund und kreuzt ihn mit einer treibenden Rhythmussektion. Auch Girls Under Glass beließen das Lied in seiner Grundstruktur, haben aber durch geschickte Halleffekte die Nummer so umgemodelt, dass sie wie ein vergessener Song von A Flock Of Seagulls anmutet. Paradox Obscur dagegen krempelte die Komposition auf links und machte aus ihr einen treibenden Electro-Song, der extrem reduziert und dadurch sehr hypnotisch daherkommt. Unter dem Strich bietet "In This Light (Single Remixes)" fünf ansprechende Neuabmischungen und sind die perfekt ausgestaltete Kür nach der souveränen Pflicht.

In Sachen genreumspannender Elektronikmusik haben sich Local Suicide und ihr Iptamenos Disccos Label mittlerweile einen Ruf wie Donnerhall erarbeitet. Das deutsch-griechische Pärchen kollaboriert nebenbei nicht minder erfolgreich mit verschiedenen anderen Künstlern. Kalipo alias Jakob Häglsperger, auch als Knöpfchendreher bei den Inide-Elektronikern von Frittenbude bereits zu Ehren gekommen, gehört dabei zu einer erfreulichen Konstante. Zusammen sind sie als Dina Summer unterwegs, und der Name verrät es schon. Wo Dina Summer ist, da ist die nächste Diskothek nicht weit entfernt. Jedoch sind sie mit ihren Sounds deutlich "on the dark side of the dancefloor". Mit der Doppelsingle "Alien/Halkidiki" beleben sie einmal mehr den Geist des Italo-Disco und New Beat. Allerdings sind die Stücke nie ein schmachtender und wehmütiger Blick zurück. Bei Dina Summer dient der 80s Dance als Referenzpunkt für ihre musikalische Ausrichtung; die genutzten Sounds verweisen aber eindeutig auf die Gegenwart. "Alien" zeichnet sich von einer hypnotischen Trancefigur aus, über die Sängerin Vamparela aus der Sicht eines Außerirdischen singt. Hier finden sich einige kraftwerk'sche Anklänge, die sich in einem treibenden Beat ergehen. Sowohl in der Extended Version als auch in der radiofreundlichen Variante bleibt der umherschleichende Song so mysteriös wie eine UFO-Sichtung bei Nacht. "Halkidiki" dagegen lässt das Herz jedes 80s Fan höher schlagen, wobei sich Dina Summer nie ganz in diesem goldenen Popjahrzehnt verliert, sondern eine gewisse kompositorische Distanz wahrt. "Halkidiki" ist vor allem in der griechischen Version allein aufgrund der Sprache ein richtiger Sommerhit. Der Name verpflichtet dann eben doch.

Ebenfalls hohe Erwartungen stellt das Publikum an Robert Schroeder, der mit seinen Alben die Fahne der Berliner Schule weiterhin für Jedermann sichtbar in die Höhe hält. Als guter Freund des mittlerweile verstorbenen Klaus Schulze (Robert hat seinen Sohn Klaus nach ihm benannt; Schulze war sogar Taufpate), hat er wie kaum ein anderer die Ideen einer tiefenetspannten elektronischen Musik verinnerlicht und versucht, mit seinen in Eigenbau konzipierten Synthesizern, diese Idee in Noten zu transferieren. Nach seinen ersten Gehversuchen in den späten 1970ern und einigen Veröffentlichungen in den folgenden Dekaden, besticht Schroeders Oeuvre vor allem durch einen enorm hohe Schlagzahl seit Mitte 00er Jahren. Bis zu drei Alben pro Jahr waren dabei keine Seltenheit. Corona ließ diese Aktivitäten zwar ein bisschen runterfahren, der Schaffensdrang des Endsechzigers ist aber nachwievor ungebrochen. Mit "Observer" richtet der Soundtüftler den Blick in Richtung Sterne und verknüpft die Frage nach dem Ursprung der Menschheit mit der Suche nach neuem Lebensraum außerhalb unseres Planeten. Durch Schroeders Musik gerät die Frage zu einer anachronistischen Meditation, denn die typischen elektronischen Klänge des Musikers erinnern an einen ungehemmt positiven Futurismus des mittleren 20. Jahrhunderts. "Obeserver" funktioniert dabei als klassisches Album; die von sanften Rhythmen durchzogenen, zuförderst aber kontemplativen Nummern, folgen einem vagen "stream of consciousness", der die Unendlichkeit des Weltalls ebenso eingedenkt wie die Rätsel und Mysterien, welche es noch verborgen hält. Auch dieses, mittlerweile 46. Album, ist ein typischer Schroeder. In seiner musikalischen Ausrichtung zwar vorhersehbar, aber nicht in seiner Raffinesse.

Eine der prägendsten Figuren des Indie-Rocks ist sicherlich Mark Lanegan gewesen. Mit seiner Reibeisen-Stimme, die an eine Light-Version von Tom Waits erinnerte, hatte er unter anderem mit den Screaming Trees und Queens Of The Stone Age respektable Erfolge feiern können. Der Mann, der Zeit seines Lebens mit seiner Drogensucht zu kämpfen hatte, starb vor zwei Jahren im Alter von 57 Jahren. Nicht nur, dass er im November seine 60. Geburtstag gefeiert hätte, sondern auch "Bubblegum", sein vielleicht bestes Solo-Album, feiert 20-jähriges Bestehen. Deswegen hat sich Beggars Arkive dazu entschlossen, dieses Album als "Bubblegum XX" erneut zu veröffentlichen. Und wie es sich gehört, wird dem Meisterwerk räudigen Garagen-Blues-Rock ein stattlicher Bonus beigefügt, darunter "Here Comes That Weird Chill (Metamphetamine Blues, Extras & Oddities)" und auch diverse Hotelsessions, die QOTSA-Gitarrist Troy Van Leeuwen mit Lanegan eingespielt hat (darunter so schöne Coverversionen wie der Blues-Standard "St. James Infirmary" und "You Wild Colorado" von Johnny Cash) sowie weitere bislang unveröffentlichte Demos wie "Union Tombstone" mit Beck als Gastmusiker. Im Zusatzmaterial zeigt sich die ganze Strahlkraft des Musikers, der nicht die große Studiotechnik benötigt, um zu begeistern. Es reicht eine Akustikgitarre, die ihn begleitet. Den Rest besorgt Lanegans kaputte und zugleich herzerwärmende Stimme, bei der man förmlich den Kampf zwischen dem Musiker und seine Dämonen heraushört. Der Zeitpunkt, um "Bubblegum XX" zu veröffentlichen, konnte nicht besser gewählt sein. Das Rerelease erinnert nicht nur daran, wie zeitlos das Werk ist, sondern auch, was für ein verdammt cooler Musiker Lanegan war. Sein Verlust schmerzt immer noch.


Kurze Info in eigener Sache
Alle Texte werden Dir kostenfrei in einer leserfreundlichen Umgebung ohne blinkende Banner, alles blockierende Werbe-Popups oder gar unseriöse Speicherung Deiner persönlichen Daten zur Verfügung gestellt.Wenn Dir unsere Arbeit gefällt und Du etwas für dieses kurzweilige Lesevergnügen zurückgeben möchtest, kannst Du Folgendes tun:
Druck' diesen Artikel aus, reich' ihn weiter - oder verbreite den Link zum Text ganz modern über das weltweite Netz.
Alleine können wir wenig verändern; gemeinsam jedoch sehr viel.
Wir bedanken uns für jede Unterstützung!
Unabhängige Medien sind nicht nur denkbar, sondern auch möglich.
Deine UNTER.TON Redaktion


POP SHOPPING




















Du möchtest eine dieser CDs (oder einen anderen Artikel Deiner Wahl) online bestellen? Über den oben stehenden Link kommst Du auf die Amazon.de-Seite - und wir erhalten über das Partner-Programm eine kleine Provision, mit der wir einen Bruchteil der laufenden Kosten für UNTER.TON decken können. Es kostet Dich keinen Cent extra - und ändert nichts an der Tatsache, dass wir ein unabhängiges Magazin sind, das für seine Inhalte und Meinungen keine finanziellen Zuwendungen von Dritten Personen bekommt. Mit Deiner aktiven Unterstützung leistest Du einen kleinen, aber dennoch feinen Beitrag zum Erhalt dieser Seite - ganz einfach und nebenbei - für den wir natürlich außerordentlich dankbar sind.

Webseiten:

Covers © Darkways, Metropolis Records  (Principe Valiente), Iptamenos Diskos (Dina Summer), Spheric Music (Robert Schroeder), Beggars Arkive (Mark Lanegan)

ANDERE ARTIKEL AUF UNTER.TON


Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-Weiß-Ästhetik. Deshalb wurden farbige Original-Bilder unserem Layout für diesen Artikel angepasst. Sämtliche Bildausschnitte, Rahmen und Montagen stammen aus eigener Hand und folgen dem grafischem Gesamtkonzept unseres Magazins.


                       © ||  UNTER.TON |  MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014

Zurück zum Seiteninhalt