LOUISE LEMÓN "LIFETIME OF TEARS": DARK SIDE OF THE MOOD
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Jemanden mit einem Label zu versehen, ihn quasi zu brandmarken, ist selten von Vorteil. Auch Louise Lemón hat das Etikett der "Queen of Death Gospel" angeheftet bekommen. Darunter lässt sich nur wenig verstehen. Wenn man sich die bisherigen Alben und EPs anhört, wird dieser Titel immer weniger nachvollziehbar. Schließlich schwingt darin etwas Gruftie-Style mit, von dem die Schwedin auf den ersten Blick ziemlich weit entfernt.
Nein, Louise wandelt nicht im Wednesday-Outfit umher oder gibt sich als Gothic-Frau - äußerlich zumindest. Hört man sich ihr neuestes Werk "Lifetime Of Tears" jedoch genauer an, wird man basserstaunt sein ob der daramtischen Texte, die jedem Schwarzkittel ohne Vorbehalte zusagen werden. Allerdings sind die musikalischen Parameter völlig andere. Louise Lemón hat sich auf einen ätherischen, leicht psychedelischen, vor allem aber souligen Rock eingestellt, der dank kraftvollem Gitarrenspiel und einer jeder Menge Hall kurzfristig solch Größen wie Pink Floyd zitiert.
In geradezu klassischer Weise geschieht das bei "Mourn His Breath", bei dem ein verschleppter Rhythmus die slidigen Gitarren nur sanft anschubsen, während Louises Stimme wie hinter Gaze klingt, seltsam distanziert und doch ganz nah und voller Hingabe. Gesteigert wird dieses Gefühl in "Midsummer Night", auch dank eines perfekt geglückten Refrains, der einen in die Atmosphäre katapultiert. Auch wenn musikalisch eine ganz andere Baustelle, erinnert der ruhige Aufbau der Strophen und der explodierende Refrain an Peter Schillings "Major Tom (völlig losgelöst)" - rein von der Dynamik, versteht sich.
Die Musikerin nutzt ihre Kunst als Rückzugsraum, als "safe space", in dem sie sich ganz ihren Gedanken widmen kann. Die entstandenen Songs sind Seelenstripteases; der Hörer wird in die Gedankenwelt einer Frau versetzt, die ihren Liebeskummer in kraftvolle Rocknummern zu transformieren versteht. Natürlich gehört dieses Gefühl nicht gerade zu den erstrebenswerten, im Falle von Louise Lemón ist es jedoch ein Glücksfall, dass sie von diesem Sentiment befallen wird. Durch ihn findet die Sängerin die richtigen Worte, eine wohldosierte Portion Dramatik und hoher Authentizität. "Lifetime Of Tears" ist ein kompromisslos gefühlsbetontes Werk, das die brodelnde Seele der Künstlerin perfekt widerspiegelt.
Und wenn nach all dem Furor, nach den ganzen Höhen und Tiefen, denen wir als Hörerschaft dankenswerter auf "Lifetime Of Tears" beiwohnen durften - wenn nach all dem also schlussendlich mit "Topanga Canyon" ein Moment der Kontemplation einkehrt, wird deutlich, dass auch die dunkelsten Momente im Leben einem silbrigen Schimmer weichen und man erst die Ruhe wiederfinden muss, um ein neues Kapitel in seinem aufschlagen zu können. Der letzte Song ist wie ein Flug über die titelgebende Gebirgskette im Süden Amerikas, stellvertretend für den Moment, in dem man all das zurücklässt, was einen umtrieb und sich aus der Enge der bedrückende Gefühle befreit.
Louise Lemón ist eine begnadete Musikerin, die vielleicht das ähnliche Schicksal wie Lana Del Rey teilen wird: Beiden Frauen haben nämlich damit zu kämpfen, dass sie für die Popwelt viel zu melancholisch, für die Melancholiker aber viel zu poppig sind. Wer sich jedoch von diesem abstrusen Schubladendenken befreien kann, wird in "Lifetime Of Tears" eine großartige, kraftvolle und gleichsam intime Platte entdecken, die mit jedem weiteren Durchlauf seine Anziehungskraft noch verstärkt.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 05.03.24 | KONTAKT | WEITER: KISSING THE PINK "ANTHOLOGY 1982-2024">
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