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A.A. WILLIAMS "SONGS FROM ISOLATION" VS. DEINE LAKAIEN "DUAL": VON FREMDEN FEDERN UND WIE SIE SCHMÜCKEN

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Die Frage, wann eine Coverversion gelungen ist, vielleicht sogar noch mehr Strahlkraft als das Original besitzt, kann nur schwer beantwortet werden. Es ist auf jeden Fall schon viel geholfen, wenn der oder die Musizierende es schafft, das eigene musikalische Verständnis in das fremde Stück zu implementieren. Das hat im besten Fall den Effekt, dass diese Neuinterpretation so weit vom Ursprung entfernt ist, dass man nicht nur die Herkunft gerade noch erahnt, sondern auch die Version als autark betrachtet. Ein Genie auf diesem Gebiet ist sicherlich Joe Cocker gewesen. Man denke nur an "With A Little Help From My Friends" von den Beatles oder "Summer In The City" von Lovin Spoonful, die exemplarisch für so ein gelungenes Unterfangen herhalten sollen.

Der Schwierigkeitsgrad steigt natürlich rapide an, wenn man sich an die großen Klassiker der jüngeren Musikgeschichte heranwagt. A.A. Williams beispielsweise scheute nicht davor zurück, für ihr Coveralbum "Songs From Isolation" so bockstarke Nummern wie "Lovesong" von The Cure und "Creep" von Radiohead neu einzuspielen. Viele haben sich bei so einem Versuch schnell verhoben, weil es fast unmöglich ist, diesen Songs, die sich dermaßen perfekt anfühlen, noch neue Facetten abzugewinnen.

Die stets in Schwarz gekleidete Musikerin, die mit ihrem Debüt "Forever Blue" im vergangenen Jahr für reichlich Gesprächsstoff sorgte, hat sich eine besondere Herangehensweise zurecht gelegt: Sie hat den aktuellen Zeitgeist in ihr Werk einfließen lassen. Der Albumtitel ist dabei wörtlich zu nehmen: Alle Stücke wurden während des ersten Lockdowns in Williams' privaten Gemächern in Nordengland eingespielt - in einer Zeit also, als die bestehende Ordnung untergegangen ist und man einer völlig unbekannten Situation scheinbar hilflos gegenüberstand.

So wurden die Stücke ohne studiotechnischen Firlefanz und mit einer extrem reduzierten Instrumentierung, oftmals nur vom Piano begleitet, eingespielt. Dies bewirkt, dass vor allem "If You Could Read My Mind" von Gordon Lightfood und "Nights In White Satin" der Moody Blues, zwei Evergreens, die aber auch mittlerweile schmalzig und prätentiös klingen, durch Williams eine neue Zerbrechlichkeit erhalten. Man hat das Gefühl, als sehne sie sich diese Zeit herbei, in der alles scheinbar so viel einfacher und leichter und "normal" war. Selbst die E-Gitarren in der Deftones-Nummer "Be Quiet And Drive (Far Away)" fordern nichts mehr, sondern bereiten nur das Klangbett, auf dem sich Williams niederlassen kann.

An der Songauswahl haben die Fans einen großen Anteil, da sie der Musikerin die Vorschläge für Coverversionen einreichten. Die stilistische Breite könnte Rückschlüsse auf die Anhängerschaft, die offenbar viele Generationen vereint, zulassen. Stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Fotos, in der man Williams wahlweise in leeren Gassen oder so etwas wie einer Schreibstube sieht, vermitteln im Booklet überdies ein Gefühl der Einsamkeit, in der sich A.A. Williams aber nicht gänzlich unwohl zu fühlen scheint. Ihre "Songs From Isolation" wirken tröstend und befreiend zugleich.

Insgesamt hat die Britin einen recht konventionellen Weg gewählt, wenn es um die Erstellung eines Coveralbums geht. Dass dies bei Deine Lakaien so nicht funktionieren würde, ist fast schon selbstverständlich, denn die Ausnahmeband will alles andere als vorhersehbar sein - sowohl für die Fans, als auch für sich selbst. Alexander Veljanov und Ernst Horn haben es in ihrer 35-jährigen Karriere den fast schon unglaublichen Spagat geschafft, in der Schwarzen Szene hohes Ansehen zu genießen jund zeitgleich bis zu einem gewissen Grad im Mainstream angekommen zu sein. Dabei ist Horns Suche nach dem besonderen Klang und Veljanovs Bariton, der in die Gehörgänge gleitet wie ein heißes Messer durch die Butter, eine unschlagbare Kombination, die sich ein weiteres Mal in "Dual" mit zwar einer gewissen Routine, aber nicht weniger Leidenschaft und Ideenreichtum präsentiert.

Erstmals hat das Duo sich dazu entschlossen, Lieder anderer Musiker neu einzuspielen. Dass die Wahl auch der Exzentrik und Extravaganz dieser Gruppe Rechnung tragen sollte, versteht sich von selbst. Deswegen sind die Coverversionen wie "Because The Night" von Patti Smith oder "Dust In The Wind" von Kansas schon wieder erwartbar unerwartbar. Sich solch kompletten Popsongs mit den Lakaien-Mitteln zu nähern, ist aber durchaus spannend und überraschend ausgefallen.

Die Coverversionen auf "Dual" reichen vom russischen Komponisten Modest Mussorgski ("Song Of The Flea", von Veljanov auf Russisch vorgetragen) bis zu den Nu-Metal-Königen von Linkin Park ("My December"). Das allein ist schon mehr als beachtlich und die Umsetzung der Stücke fasziniert durchweg, wobei "The Walk" von The Cure wohl die naheliegendste Neuinterpretation ist, wenn man bedenkt, in welchen Gefilden Deine Lakaien ihre treueste Hörerschaft besitzt. Doch - und damit stellt das Zweiergespann ihrer herausragende Stellung in der Musiklandschaft unter Beweis - werden den Coverversionen eine komplette zweite CD mit Songs gegenüber gestellt, die sich auf musikalischer oder textlicher Ebene auf die Fremdkomposition beziehen.

Selbstverständlich könnten diese Stücke auch wunderbar für sich alleine stehen. Der Umstand aber, dass sie in direkter Beziehung zu den gecoverten Nummern stehen, verleiht ihnen zusätzliche räumliche Tiefe. Da hört man bei "Happy Man" das viktorianische Moment heraus, das im Bezugssong "Suspended In Gaffa" von Kate Bush bereits angelegt ist, und das oben erwähnte "My December" erhält im adäquaten "Someone To Come Home" eine fast schon tröstende Antwort.

Die Arrangements zeigen Ernst Horn als gewieften Musiker und Klanggenius, der seine ganze schöpferische Bandbreite zur Schau stellt und so auch die wechselvolle Geschichte der Lakaien mit im Sinn hat. Da hört man bei "Sick Cinema", dem Pendant zum Can-Cover "Spoon" auch ein wenig die elektronische Hektik der "Resurrection Machine", während "Unknown Friend", das im direkten Verhältnis zu "Lady D'Arbanville" von Cat Stevens steht, ansatzweise "Over And Done" zitiert.

So wird "Dual" zu einem spannenden Konglomerat aus Querverweisen, sowohl auf die (pop)musikalische Geschichte, als auch auf den Werdegang der Lakaien selbst. Diese Verflechtungen hinzubekommen und dabei so selbstverstädnlich und spielerisch zu klingen, funktioniert eben nur, wenn man über das nötige Wissen und Handwerk verfügt. Und das tun Alexander Veljanov und Ernst Horn, weswegen sie schon seit so vielen Dekaden die Menschen mit substantieller Musik beschenken - und sich nun auch auf dem Gebiet der Coverversionen den Meistertitel verdient haben.


||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 16.04.21 | KONTAKT | WEITER: ZINN "ZINN">


Webseite:
www.aawilliamsmusic.com
www.deine-lakaien.com

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COVER © Bella Union/PIAS (A.A.Williams), Chrom Records/Prophecy/Broken Silence (Deine Lakaien)

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