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ZINN "ZINN": HABEN SIE WIEN SCHON BEI NACHT GEHÖRT?

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Man kann natürlich den Bandnamen mit dem chemischen Element gleichsetzen. Laut des Wikipedia-Eintrags ist Zinn nämlich ein "sehr weiches Schwermetall", was den gravitätischen und gleichsam schützend ummantelnden Sound der drei Musikerinnen aus Wien gut beschreibt. Da aber der gemeine Wiener und die gemeine Wienerin an sich in der Klischeevorstellung durchaus Wortwitz besitzen, kann man Zinn auch als leicht abgewandelte Form von "Sinn" verstehen.

Den Zinn des Lebens, pardon: Sinn des Lebens, sucht Sängerin Margarete Wagenhofer indes seit einer geraumen Zeit. 2012 startete sie das Solo-Projekt Small Night Searching, mit dem sie mit Grunge-Gitarre und melancholiegtränktem auf die Welt und den Menschen, die sie umgeben, blickt. Ein Jahr später siedelt sie nach Wien um - eine Stadt, die wie kaum eine andere europäische Metropole von einer eigenartigen Morbidität durchzogen ist und damit prädestiniert für Margarete zu sein scheint.

Nach fünf Jahren als Singer/Songwriterin hat sie sich mit Jasmin Strauss und Lilian Kaufmann zusammengetan. Und es scheint so, als würde erst jetzt alles einen Zinn, äh Sinn, ergeben. Innerhalb des Trios herrscht das, was man eine perfekte Chemie bezeichnen kann. Schon in "Diogenes", der ersten Auskopplung, die gleichzeitig eine liebevolle Ode an die kranke Stadt Wien ist, machen sie keine Gefangenen. Die sanft angeschlagenen Gitarren, dazu langgezogene, ersterbende Trompeten und der auf die Spitze getriebene textliche Nihilismus ("Willst nix sein, willst nirgendwo hin, der Wind waht und du woast du bist in Wien") erschaffen eine lähmende Atmosphäre, in der sich scheinbar weder etwas vor, noch zurück bewegt.

In diesem künstlerisch generierten Stillstand entstehen aber auch durchaus amüsante Moritate wie "Black Lake", bei der im rumpeligen White-Stripes-Garagen-Rock die Sängerin eine amouröse Liaison mit dem Beelzebub eingeht. Doch die Abkehr vom Pfad der Tugend wird zu einem regelrechten Fest der Lebensfreude. Ebenso wie "Lethargie", die wenigstens musikalisch alles andere als antriebslos daherkommt, wenngleich Zinn in diesem Lied tatsächlich einen Burn-Out beschreibt.

Wagenhofers konturlos phrasierter Gesang, das zähe Hangeln von einem Wort zum anderen, intensiviert das Gefühl, dass bei Zinn scheinbar alles dem Ende zugeht. Doch sollte man sich nicht zu sehr von dieser Endzeitstimmung einlullen lassen. In "Wiederholung" verfassen die drei ein unterschwellig wütendes, politisches Statement, in dem die Saat des Widerstands langsam zu keimen beginnt.

Zinn sind die Inkarnation schnörkelloser Schwermut, ein tiefer Seufzer ob der unerträglichen Schwere des Seins. Verpackt in einen Unwohlfühl-Sound, der bei den Trübsinnigen zweifellos Gehör finden wird, wobei Zinn die Weltschmerzkarte nie zum Selbstzweck ausspielen. Eher begleitet sie die Melancholie wie ein guter Freund, der ihnen hilft, die Welt, die gerade im Moment so völlig aus den Fugen geraten zu sein scheint, besser zu verstehen.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 12.04.21 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 7/21>

Webseite:
www.facebook.com/ZINNband


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