MONTY PYTHON: SAG ZUM ABSCHIED LEISE "PISS OFF!"
Sie hätten Juristen, Lehrer, Politiker oder Geschichtswissenschaftler werden können. Doch das Schicksal meinte es anders - und mischte John Cleese, Eric Idle, Michael Palin, Terry Gilliam, Terry Jones und Graham Chapman stattdessen eine große Portion groben Unfugs in ihren Fünf-Uhr-Tee. Anstatt einem bildungsbürgerlich braven Beruf nachzugehen, bildeten die sechs Mannen die vielleicht weltweit bekannteste Komikertruppe: Monty Python. Spätestens nach dem Tod von Chapman im Jahre 1989 gingen die Mitglieder jedoch getrennte Wege, drehten vor allem Spielfilme oder auch, wie im Falle von Michael Palin, amüsante Reisereportagen. Doch der Mythos lebte in verschiedenen Biografien und einem grotesken Musical weiter. 45 Jahre nach ihrem ersten Fernsehauftritt sind die Briten nun ein allerletztes Mal auf der Bühne vereint. Der Fußball-WM zum Trotz waren bereits binnen einer Minute nach Ankündigung ihres Programms "Monty Python Live (Mostly): One Down, Five To Go" alle zehn Vorstellungen ausverkauft. Ein willkommener Anlass für UNTER.TON, noch einmal sämtliche "Flying Circus"-Folgen zu sichten und ein persönliches Best-Of der Meister intelligenter Albernheiten für Euch aufzulisten. And now for something completely different!
Platz 5: "My brain hurts!"
Sie besitzen selten ein richtiges Ende. Aber das brauchen die Sketche von den Pythons auch nicht, denn bei ihnen ist der Weg das Ziel. Oder besser gesagt: Die großen Lacher fallen nicht am Ende, sondern schon davor. Abstruse Grundideen bilden die eigentlichen Pointen – wie beispielsweise bei der Figur des Gumby. Eine äußerst beschränkte Gattung Mensch mit Hitler-Gedenk-Bärtchen, auf dem Kopf ein mit Knötchen an den Enden verziertes weißes Einstecktuch, hochgeschlagener Hose nebst Trägern und ein bis zu den Achseln aufgekrempeltes Hemd unter einer Wollweste. Kurz gesagt: der Prototyp des absoluten Volltrottels, der gummibestiefelt und grobmotorisch durch die Welt schreitet. Bei den Pythons geht der grenzdebile Mister Gumby (Palin) zum Doktor (Cleese), weil, wie er sagt, sein Hirn schmerzt. Der Halbgott in Weiß, ein relativ baugleiches Modell, verweist ihn an einen Hirnspezialisten (Chapman), der bei den Vorbereitungen der Operation natürlich ebenfalls zum wenig belichteten Gumby mutiert. Der Sketch endet schließlich beim Anästhesisten (Jones) – auch er ein gleichsinniger Vollpfosten – der dem Patienten die große Gasflasche über den Schädel zieht. Dazwischen toben sich die Pythons genüsslich aus: Palin darf den Schreibtisch des Doktors in kleine Stücke treten, Jones fährt mit seinem Anästhesie-Wagen nicht durch die Tür, sondern durchbricht lieber gleich die Mauer. Die Gesetze der Normalität werden aufgehoben und durch anarchischen Comic-Humor ersetzt. Überdies entwickelte sich die Mr.-Gumby-Nummer zum Running Gag: Die Figur tauchte in späteren Flying-Circus-Folgen immer wieder als Cliffhanger auf, und Palins grunzige Charakter-Stimme war für kurze Zeit auch in der Ansage im Vorspann der Serie zu hören.
Platz 4: Philosopher's Football
Dass die sechs Jungs über ein großes Allgemeinwissen verfügen, demonstrierten sie regelmäßig in ihrer TV-Show. Die Parodien auf große Persönlichkeiten der Geschichte kamen den elitären Späßen des Bildungsbürgertums gleich, waren allerdings wesentlich bissiger und auch für die nicht universal gelehrten Schichten verständlich gehalten. In kaum einen anderen Sketch funktioniert der Witz so gut wie beim Philosophen-Fußball. Die Pythons nehmen dabei besonders Deutschland ins Visier, das nicht nur seit jeher als Hochburg der Dichter und Denker gilt, sondern zu jener Zeit (wie jetzt auch) an der Spitze des Weltfußballs stand. Diese beiden Fakten kombinieren die Komödianten - und lassen Deutsche Philosophen gegen attischen Denker antreten. Erst am Ende der Verlängerung kommt Archimedes mit einem "Heureka" auf die Idee, den Ball vom Anstoßpunkt an seine Mitdenker zu passen. In einer schönen Kombination schließt Sokrates mit dem Kopf das Eins zu Null ab. Bis es soweit ist, flanieren die 22 Feldspieler aber erst einmal diskutierend über den Rasen. Zwischenzeitlich bekommt Nietzsche vom Schiedsrichter Konfuzius eine gelbe Karte. Grund: Nietzsche beschuldigt Konfuzius, keinen freien Willen zu haben. Währenddessen wärmt sich Karl Marx an der Außenlinie auf. Als schließlich das Tor fällt, können auch die philosophischen Argumentationen (für Kant ist das Tor selbstverständlich nur ein imaginäres und kein echtes Tor) nichts mehr retten. Vielleicht lag das aber auch an der Aufstellung der Deutschen: Immerhin überraschte diese mit dem Mittelfeld-Stand-Kicker Franz Beckenbauer...
Platz 3: Confuse A Cat
Hier lassen sich die Pythons unglaublich viel Zeit, bis sie in Fahrt kommen. In bester Seifenoper-Manier spielen Jones und Palin ein betagtes Vorstadt-Ehepaar, das sich Sorgen um ihre Katze macht, weil sie die meiste Zeit nur noch apathisch im Garten liegt. Mit überzogener Dramatik eilt der Tierarzt, gespielt von Chapman, herbei, befürchtet gar, er sei schon zu spät eingetroffen. Seine Diagnose: Die Katze leide unter suburbanem Ennui, unter einer dramatischen Form von Weltschmerz. Arme Katze! Deswegen gibt er diesen Fall an die Firma "Confuse-A-Cat-Ltd." weiter, die eine Lösung finden sollen. Ab diesem Moment weicht der behagliche Plauderton einer überwiegend auf pantomimischen Witz basierenden Sequenz. Unter Leitung eines Generals (Cleese) baut die Truppe in weißen Kitteln mit militärischer Präzision im Vorgarten eine kleine Bühne auf – all das vor den Augen der phlegmatischen Katze. Auf Anweisung des Befehlshabers, die Katze zu verwirren, werden auf der Bühne abstruse, in alter Stummfilm-Manier gespielte Witze abgefeuert. Zwei Boxer sind zu sehen, die sich im Laufe des Kampfes wahlweise in Napoleon oder eine Nonne verwandeln, ein Mann im Pinguinkostüm hüpft durch die Kulisse, andere Menschen verschwinden von der Bühne, tauchen in Mülltonnen wieder auf - und so weiter. Völlig zusammenhangsloser, von jazzigen Schlagzeugklängen untermalter Nonsens, der seine Wirkung aber nicht verfehlt: Die Katze ist am Ende tatsächlich erschüttert und wandert in die Wohnung des nun überglücklichen Ehepaares zurück. Ein Wink mit dem Zaunpfahl, der an dieser Stelle wohl nicht nur in Richtung der völlig überzogen gespielten Vorabendserien geht, sondern auch das behagliche Vorstadtleben als solches in Frage stellt. Einige Jahre später wird Punk als Jugendrevolte den Inselstaat in seinen Grundfesten erschütterten; die Pythons nehmen diese kurze Epoche bereits vorweg. Die Katze als bräsiger Staat, der von einer Horde wilder Kerle ordentlich verstört wird? Im Nachhinein hat eben auch der größte Unsinn seine Bedeutung.
Platz 2: Dead Parrot
An dieser Stelle sei auch einmal die hervorragende Arbeit gewürdigt, die das deutsche Synchronisationsteam bei den nicht immer leicht zu übersetzenden Wortwitzen geleistet hat. Gerade der berühmte Tote-Papagei-Sketch verliert in der deutschen Fassung nichts vom Charme des Originals. Michael Palin als Besitzer eines Tierladens muss sich hier mit der Beschwerde eines Kunden, gespielt von John Cleese, herumschlagen. Der Stein des Anstoßes: ein toter Papagei. Kern dieses Sketches ist aber nicht die Tatsache, dass der Ladenbesitzer um keine haarsträubende Ausrede verlegen scheint, um das dahingeschiedene Federvieh zurücknehmen zu müssen (einmal behauptet er, der Papagei würde schlafen, an anderer Stelle beschuldigt er den Kunden, den Vogel narkotisiert zu haben). Vielmehr ist es die unglaubliche Fülle an Umschreibungen für das tote Tier, die Cleese in der synchronisierten Fassung mit herrlich norddeutschem Akzent aneinanderreiht: "zu seinen Ahnen abgeritten" ist er, "die ewigen Jagdgründe haben ihn als Mitglied aufgenommen". Er "ruht in Frieden" und schimpft sich jetzt "Ex-Papagei". Im Original läuft auch dieser filmische Scherz schließlich ins Leere und endet damit, dass Graham Chapman in der Rolle des Militäroberhaupts den Sketch nach einer Weile unterbricht, weil dieser dann doch zu unsinnig wird. Verfremdung im besten brecht'schen Sinne. In England wurde der "Dead Parrot" zum beliebtesten Monty-Python-Sketch gewählt. Nachtrag: Bei der Beerdigung Chapmans baute Cleese in die Trauerrede eben jene Umschreibungen für aus dem Leben geschiedene Lebewesen ein. Selten war eine Beerdigung so lustig.
Platz 1: Ministry Of Silly Walks
Die Mittsiebziger dämpften bereits im Vorfeld die Erwartungen: Einen "silly walk" wird es im Abschiedsprogramm nicht geben. Das machen die Gelenke nicht mehr mit. Sei’s drum: Seine akrobatische Höchstleistung in diesem Sketch hat John Cleese ohnehin schon unsterblich gemacht. Das Ministerium für alberne Gangarten ist im Grunde eine Metapher für die Truppe und trägt sämtliche Wesenszüge der Truppe in sich: Britische Hybris und Stiff-Upper-Lip-Gebaren werden mit totalem Unsinn gekreuzt. Die eigentliche Handlung – ein Mann (Palin) möchte einen albernen Gang anmelden, um vom Staat subventioniert zu werden – gerät zum Nebenschauplatz. Man achtet nur noch auf den schlaksigen Cleese, wie er ein ums andere Mal seine unteren Extremitäten in gewagte Positionen bringt. Natürlich sind auch alle anderen Mitarbeiter in dieser Behörde mit bescheuerten Gangarten gesegnet, sodass die Sekretärin es demzufolge auch nicht schafft, unfallfrei zwei Tassen Kaffee auf einem Tablett ins Büro zu tragen. Nach einem kurzen Einspieler über die frühen Versuche, alberne Gangarten zu erschaffen (stilecht in schwarz-weiß und mit typischer Stummfilm-Untermalung) endet der Sketch mit der französischen Variante alberner Gangarten, dem "marche futile". Die in alle nur erdenkbaren Richtungen bewegten Beine von Cleese sind es aber, die in Erinnerung bleiben. Mittlerweile gibt es auch eine "Silly-Walks-App". Der Spieler schlüpft in die Rolle von Cleese und muss im albernen Schritt Münzen sammeln und Hindernisse aus dem Weg gehen. Ein absolut unnötiges Spiel zwar, dessen Popularität aber zeigt, wie sehr sich dieses Bild in das kollektive Humorgedächtnis eingeprägt hat.
|| TEXT: DANIEL DRESSLER // DATUM: 18.07.2014||
SINNFREIE FOTOS © ANTJE BISSINGER.
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