X MARKS THE PEDWALK "SUPERSTITION": DIE TRANSFORMATION SCHREITET VORAN
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Es ist ein bisschen wie der Vergleich Äpfel mit Birnen: Mit Stücken wie "Abattoir" bereicherte X Marks The Pedwalk in den späten 80ern und frühen 90ern die Electro-Szene mit ultradüsteren Sounds, die von seiner schneidenden Stimme noch intensiviert wurden. Und manch einer wird dieser Zeit noch eine Träne nachweinen und mit den neuen Stücken, die André seit dem Neubeginn 2010 auf die Menschheit loslässt, sicherlich nicht so schnell warm werden. Unbestritten ist aber, dass der Mann in Sachen konzilianter elektronischer Popmusik ebenfalls eine gute Figur macht. Eine sehr gute sogar.
Dass XMTP aber nicht ewig in einer Nische versauern wollte, machten bereits Alben wie "Meshwork" (nachdem Schmechta auch sein eigenes Label getauft hat) von 1995 deutlich. Die elektronische Körpermusik versetzte er zusehends mit Trance-und Raveelementen, die in dieser Zeit gerade en vogue waren. Seine Arbeiten könnte auch als Keimzelle für das bezeichnet werden, was einige Jahre später als Future Pop Einzug in die Schwarze Szene halten sollte und Bands wie Apoptygma Berzerk, Covenant oder VNV Nation groß machte. Sie alle können sich auch bei André bedanken.
Dieser wiederum hat nach seiner mehr als zehnjährigen Funkstille nicht nur sein Leben als Familienvater genossen (von seinen Kindern tritt einer mit dem vielversprechenden Projekt LMX bereits in Papis Fußstapfen) und beruflich einiges auf die Beine gestellt, sondern anscheinend auch schon eine neue Idee von XMTP-Sound entwickelt. Denn mit "Inner Zone Journey" eröffnete Sevren Ni-Arb einen neuen Klangkosmos, der noch in Spuren die alten, harschen Elemente aus den EBM-Frühtagen in die Kompostionen verpflanzte, in erster Linie aber wohlfeile Nummern zum Inhalt hatten, die sich der Hörerin und dem Hörer nun auf eine wesentlich subtilere und emotionalere Ebene annäherte.
Paradoxerweise sind auf "Superstition", dem siebten Album der zweiten XMTP-Phase, die Sounds noch ein bisschen kühler und distanzierter, die Lieder aber emotional packend. Aber das vielleicht wichtigste: Das neue Werk ist vielleicht das eingängigste der gesamten Bandgeschichte. Das macht schon der Opener "Fading Waves" deutlich, welches auf der einen Seite die analogen Synthie-Sounds propagiert, auf der anderen Seite Wert auf eine extrem ausgefeilte, aufgeräumte Produktion legt. Macht unter dem Strich eine nostalgisch klingende Platte, ohne wirklich nostalgisch zu sein.
Zusammen mit seiner Ehefrau Estefania, die mitlerweile in immer mehr Stücken zu hören ist (und besonders effektiv im Duett mit ihrem Hospes bei "Die With Me" zur Geltung kommt) sucht André immer wieder das Pop-Appeal in seinen Stücken. Und wenn er es findet, arbeitet er es maximal aus. Das macht Stücke wie "Frozen Eyes" oder "I Can't Let You Go" einfach aufgrund der einnehmenden, transparenten Melodien unwiderstehlich. Die knackigen Beats, schön trocken und präsent abgemischt, verstärken den Drang, zur Tanzfläche zu schreiten und abzuzappeln. Selbst das abschließende "Your Voice" lässt noch einmal die Puppen tanzen mit einer unnachgiebigen Basslinie, bei der die Beine einfach nicht aufhören zu zucken.
Doch lohnt es sich, bei aller musikalischen Eingängigkeit, auch einen Blick auf die Texte zu werfen. Ein Wort sticht dabei aufgrund ihrer ungewohnten Häufigkeit hervor: "to fade". Es geht um Vergänglichkeit, auch um die Sterblichkeit. Vielleicht ein Umstand, den André mit fortschreitendem Alter immer stärker wahrnimmt. Doch ebenso gibt es die Momente voller Liebe. Auch da sei noch einmal "Your Voice" genannt, ein knapper Achtzeiler, mit dem aber alles gesagt ist. Das Stück kann man durchaus als Liebeserklärung Andrés an Estefania auslegen.
Bereits durch die vorangegangenen Alben avanciert X Marks The Pedwalk als respektable Größe in Sachen Electro-Pop. Mit "Superstition" bedeutet aber noch einmal ein riesiger Sprung nach vorne in Sachen Produktion und Eingängigkeit. Es ist das bislang beste, was der Münsteraner an seinen Computern und Musikmachinen erdacht hat.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 28.11.23 | KONTAKT | WEITER: UNGEMACH VS. OBERER TOTPUNKT>
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