FIR CONE CHILDREN "JIG OF GLEE" VS. SWIM DEEP "THERE'S A BIG STAR OUTSIDE" VS. PANGLOSSIAN "TRACES DE PAS": GOLDENE MOMENTE
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Wir haben Alexander Leonard Donat in aller Ausführlichkeit bereits vorgestellt. Nicht nur, dass er als Chef der Plattenfirma Blackjack Illuminist eine kleine, aber bemerkenswerte Talentschmiede hochgezogen hat, er selbst besitzt eine ungebremste Spielfreude, die er in seinen verschiedenen Projekten auslebt. Nach Platten als Vlimmer, Assassun, Feverdreamt und Whole ist "Jig Of Glee", das er unter dem Moniker Fir Cone Children veröffentlicht, das fünfte Album des Mannes in diesem Jahr. Verwunderlich ist diese hohe Schlagzahl allemal, doch noch erstaunlicher ist die gleichbleibend hohe Qualität, die nicht einen Moment wegen des kurzen Veröffentlichungsrhythmus Verluste zu verzeichnen hat.
Grund dafür könnte auch die strikte thematische wie musikalische Trennung der einzelnen Projekte sein, weswegen Alexander sich immer wieder selber neu justieren muss. Fir Cone Children ist dabei so etwas wie das musikalische Tagebuch seiner beiden Töchter, die mittlerweile im vorpubertären Alter sind. Eine spannende Phase, in denen sie offensichtlich viel entdecken und auch in die Welt der Erwachsenen reinfühlen - rein spielerisch, versteht sich.
So berichtet der stolze Vater in "Vote For Me" von einer amtlichen Schlafzimmerwahl mit verschiedenen Kandidaten, Wahlplakaten, Flugblättern und Parteiprogrammen. Am Ende wird unterm Jubel der Wahlsieger bekannt gegeben. An anderer Stelle wird über ein "Witches Lab" berichtet, das die beiden im Keller aufgebaut haben. Das Leben ist Staunen und Wundern, aber nicht nur für die Kinder, sondern auch für Donat selbst, der die Welt mit ihren Augen zu sehen versucht.
Dementsprechend ist der teilweise ungestüme Indie-Rock mit Dream-Pop-Kante immer voller Lebensfreude und großen Melodien, so dass Songs wie "Diamond Dolphins" und "You Are My Animal" funkeln. Von den eher fatalsitischen Texturen seiner anderen Projekte ist so gut wie nichts mehr zu hören; sie würden auch nicht zu der insgesamt ausgelassenen Stimmung des Albums passen. "Freudentänze", wie der Titel übersetzt lautet, scheinen die beiden Mädchen jeden Tag vollführen zu können. Kein Wunder bei einem Vater, der offensichtlich ihre Kreativität und Phantasie tagtäglich zu fördern versucht.
Manchmal passiert es: Da kommt ganz unvermittelt ein Song aus den Lautsprecherboxen, der textlich nicht einmal mit der eigenen Lebenswelt kollidiert. Dennoch bleibt man wie gebannt an der Nummer hängen. So geschehen bei "How Many Lovesongs Died In Vegas" der englischen Dream-Popper von Swim Deep. Das erste Lied aus ihrem neuesten Album "There's A Big Star Outside" besitzt eine ganz besondere Magie, die sich aber nur dann nachempfinden lässt, wenn man schon einige Zeit auf der Erde weilt und seine Jugend und Adoleszenz während der Jahrtausendwende verbracht hat.
Dann hört man aus den Stücken eine melancholische Sehnsucht heraus, wie man sie bei der Band Slut vielleicht noch gegenwärtig hat (ihr Song "Welcome 2", der aus dem deutschen Spielfilm "Crazy" stammte, gehört sicherlich zu den schönsten Nummern, die jemals geschrieben wurden). Aber auch das 2001 veröffentlichte "The Invisible Band" von Travis, nach wie vor das Sahnestück ihrer Karriere, kommen in Erinnerung beim Hören der Nummern von Swim Deep.
All das wird verknüpft mit dem damaligen Erfahrungshorizont und dem Gefühl, dass mit Anfang 20 alles geht und einem die Welt offen steht, was "There's A Big Star Outside" zu einer schwelgerischen Platte macht, in der sich auch die etwas wehmütge Erkenntnis breit macht, dass die Optionen mittlerweile beschränkt sind. Doch will man sich diesem Sentiment nicht zu sehr ergeben, sondern einfach Swim Deep dafür danken, dass sie mit halligen Gitarren und einem sanften Gesang einen safe space geschaffen haben, in dem es sich wunderbar der vergangenen Zeit nachspüren lässt. Die flüchtige Jugend, sie blitzt in den Songs der Jungs immer wieder auf.
Gerade Nummern wie "First Song" oder "Robin" stoßen die Türen zu den Erinnerungen ganz weit auf, während "Glitter" sogar einen Touch 80er-Vibe enthält. Jedoch ist das Album kein Anachronismus. Der fein ziselierte Dream-Pop besitzt eine Zeitlosigkeit. Vielleicht werden auch einige Twens auf diese Band aufmerksam und ihrerseits diesen Sound mit ihren Erlebnissen verknüpfen, um 20 Jahre später ebenfalls mit einem Lächeln zurückzublicken, wenn sie dann "There's A Star Outside" hören werden.
Was passiert, wenn man einen Folk-Musiker und einen Erschaffer entspannter Ambient-Klänge zusammen Songs komponieren lässt? Im Falle von Panglossian zweifellos etwas Magisches. Foghorn und Zguba, so die Künstlernamen der beiden, haben sich bereits als Widziadło zusammengetan. Dort praktizierten sie einen alles niedermähenden Black Metal. Als Panglossian haben sie aber nun die wunderbare Welt kuschelweicher Sounds für sich entdeckt.
Anlass für diese völlig neue stilistische Ausrichtung war die Idee, eine Hommage an "Sprit Of Eden" von Talk Talk zu erschaffen. Tatsächlich entdeckte da Duo während des Arbeitsprozesses aber weitere musikalische Ausdrucksmöglichkeiten, die sich nun auf dem aktuellen Werk "Traces Des Pas" wiederfinden. Ihre ursprüngliche Idee, dem vielleicht ersten Album des Post-Rock-Genre Tribut zu zollen, schimmert aber in einigen Songs durch. So findet sich in "No Will" mit den flirrenden Soundscapes, gesampelten Operngesängen und einer dringlichen Pianolinie eben jene progressiven Elemente wieder, die damals die Musikwelt teilweise ratlos zurückließen. Erst später erkannte man das Großartige dieser Platte.
Von dieser besonderen Stimmung ist auch "Traces De Pas" durchzogen, wobei sich zu Beginn mit "Adara" und "Last Train To The Surface" sehr eingängige und poppige Stücke finden lassen. Jedoch driftet das Album mit jeder weiteren Nummer in eine Mischung aus Innerlichkeit und Surrealität, die ihren Höhepunkt im stürmischen "Therapeutic Targets For Neurological Diseases" erfährt. Das nachfolgende "Footmarks", die englische Übersetzung des Albumtitels, wirkt dagegen wie der Moment, in dem die Erinnerung sich langsam unter einen Grauschleier legt und nur noch schemenhaft zu erkennen ist.
Schließlich ist "The Awakening" als finaler Punkt des Albums nochmals eine Verbeugung vor Hollis' inkommensurablem Meisterwerk, ohne aber in eine Ehrfurchtsstarre zu verfallen. Panglossian sind von der urdprünglichen Absicht so weit abgewichen, dass "Traces Des Pas" ein eigenständiges Album geworden, das die Melancholie in butterweiche Songstrukturen einbettet. Ein Debüt voller Strahlkraft und unerwarteter Eleganz.
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COVERS © Blackjack Illuminist Records (Fir Cone Children), Submarine Cat/Rough Trade (Swim Deep), LOŻA Oficyna (Panglossian)
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Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-Weiß-Ästhetik. Deshalb wurden farbige Original-Bilder unserem Layout für diesen Artikel angepasst. Sämtliche Bildausschnitte, Rahmen und Montagen stammen aus eigener Hand und folgen dem grafischem Gesamtkonzept unseres Magazins.
© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
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