"SPOTLIGHT" VS. "ZEITGEIST VOL. 13": HIER IST WAS LOS! - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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"SPOTLIGHT" VS. "ZEITGEIST VOL. 13": HIER IST WAS LOS!

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Der Festivalsommer fiel dieses Jahr komplett dem Corona-Virus zum Opfer. Doch blickt man auf die geplanten Line-Ups, findet sich stets eine illustre Gesellschaft aus großen Namen, gepaart mit einigen weniger zugkräftigen Vertretern aus der zweiten Reihe und dem einen oder anderen "Oldie", der auch das ältere Publikum auf die Großveranstaltungen locken soll.

So weit, so gähn. Seit einigen Jahren präsentieren M'era Luna, Amphi und Konsorten ein musikalisch durchaus vielschichtiges Programm, allerdings ohne den großen Überraschungseffekt. Alles geht seine geregelten Bahnen; man setzt auf bewährte Gassenhauer, die aber selbst schon über den Gothic-Tellerrand blicken und gar nicht mehr so repräsentativ sind für die eigentlichen subkulturellen Vorgänge.

Denn da hat sich seit einigen Jahren eine feste Post-Punk- und Cold-Wave-Szene etabliert, die es zu entdecken gilt. Vielleicht hat bereits der eine oder andere während der Lockdown-Maßnahmen einfach mal auf Portalen wie Bandcamp nach neuer Musik Ausschau gehalten und sich ob der Fülle an formidabler Szene-Musik gewundert. Diejenigen, denen diese Suche zu mühselig ist, können sich mit zwei herausragenden Samplern einen perfekten Überblick verschaffen.

Sowohl die 13. Ausgabe der "Zeitgeist"-Reihe als digitale Veröffentlichung, als auch die haptische Doppel-CD "Spotlight", sind vom Cold Transmission Label kuratiert. Und die beschreiben ihre Arbeit pointiert im Innenteil der CD-Hülle: "Mainly supporting new bands from the scene". Das ist fast schon putziges Understatement, denn beide Kompendien besitzen ein auf Breite angelegtes Hitpotenzial. Da ist kaum ein Song, der nicht sofort zündet. Und wenn, dann reicht ein zweiter Durchlauf, um auch von deren Magie erfasst zu werden.


Doch wie viel Arbeit steckt hinter dem Ausspruch "supporting new bands"? Bei "Spotlight" beispielsweise kann man nur vage Vermutungen anstellen, welches Gespür man Labelchef besitzen muss, um aus der Masse der Bands, die über die digitalen Autobahnen ihre Sounds verschicken, die entsprechenden Juwelen herauszupicken. Alle aufgelisteten Gruppen stehen bei Cold Transmission unter Vertrag und stechen vor allem durch Individualität heraus.

Dabei gönnt sich das Label auch die einen oder anderen Extravaganzen, wie beispielsweise Bedless Bones, die mit "Split" vertreten sind, einer dunkel-hypnotischen Tanznummer. Ebenso erinnert White Mansions "Clear Your Head" an die erfolgreichen frühen Jahre von Ashbury Heights, als Schwermut und Pop eine neoromantische Symbiose eingingen.

Auch liegt bei "Trying To Call" von The Gathering ein Hauch New Romantic in der Luft, nur um bereits bei Mark E Moon und seinem exklusiven Track "Dancing (With The Lights On)" wieder deutlich rockigere Töne anzuschlagen. Besonderes Augenmerk gilt aber dem umherschleichenden "Forgotten" der Silent Runners (mit einem der knackigsten Rhythmen seit langem) und "Hem" von Reconverb, der das Attribut "gespenstisch" mit waberigen Watteklängen und somnambulem Gestus neu definiert.

Indes ist "Lost" von Paradise Cove anscheinend ein labelinterner Liebling, denn der gradlinige Post-Punk-Song hat es auch auf die 13. "Zeitgeist"-Folge geschafft, die im Gegensatz zu "Spotlight" nicht nur ein Schaulaufen der Cold-Transmission-Künstler ist. Gerade mal fünf Songs der insgesamt 33 sind dem Artist-Roster entnommen, was auch für die uneitlen Eigenschaften der Labelbetreiber spricht, denen es vornehmlich und wirklich um die Entdeckung neuer Musik und der Pränstation einer vielschichtigen Szene abseits der großen Hallenfüller geht. Dass der "Zeitgeist"-Sampler zudem in die 13.Runde geht, spricht auch für die Akzeptanz seitens der Hörer, die sich - man sehe sich nur die Kommentare auf der Bandcamp-Seite an - wie Lachs ob der Veröffentlichung freuen.

So startet gleich Talk To Her mit einem fett produzierten "Hollow", das an den überbordenen Neo-Post-Punk der White Lights erinnert. Aber das ist - wie war es auch anders zu erwarten? - nur ein Teil des großen Ganzen. Selbst der sonst eher verhasste verzerrte Gesang, blasses Markenzeichen tumber Aggroelektroniker, findet bei "Fungus" von New Today wieder eine schlüssigere Verwendung. Und DER KLINKE zelebriert mit "The Doll" einen tanzbaren und gleichzeitig fordernden Synth-Pop.

Zu den Highlights auf dieser Zusammenstellung zählen sicherlich das wunderbar eingängige "Monsters" von Empathy Test sowie "Insecurity" von Neon Lies, das in seiner ganzen Klangästhetik sich nah an die naive Synthesizer-Unbedarftheit der frühen 80er heranpirscht. Und apropos Nostalgie: Am Ende grüßt ein alter Bekannter. Lars Falk, einigen vielleicht als Mitgleid von Twice A Man in Erinnerung und als Solokünstler durch das wunderbare "See My Friend Fall" geradezu unsterblich geworden, platziert sein schönes "Come On" als krönenden Abschluss einer Samplerreihe, die repräsentativer als jedes Gothic-Großereignis ist.

Auf der allgemeinen Suche nach Szenekredibilität und künstlerischer Authentizität, kommt der geneigte Hörer gar nicht umhin, sich diesen beiden Zusammenstellungen zu widmen. Denn sie kommen ohne große Effekthascherei, aber mit viel Liebe zur Musik, zum Kern dessen, was als "true" etikettiert wird. Wenn man Gothic in seiner musikalischen Form vertehen möchte, sind "Zeitgeist Vol. 13" und "Spotlight" fast schon ein Pflichtprogramm.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 28.09.20 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 10/20>

Webseite:
www.coldtransmission.com

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