MANTAROCHEN "CUT MY BRAINHAIR" VS. FOTOKILLER "EERIE NOSTALGIA": HABEN SIE DIE 80ER GESEHEN? - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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MANTAROCHEN "CUT MY BRAINHAIR" VS. FOTOKILLER "EERIE NOSTALGIA": HABEN SIE DIE 80ER GESEHEN?

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Das Intro ist unmissverständlich: Mantarochen sind Freunde mollschwangerer Musik aus den 1980ern. Da fängt das Album "Cut My Brainhair" mit einer Gitarrenlinie an, der entfernt an eine verlangsamte Form von Killing Jokes "Eighties" erinnert. Aus dem zunächst gedankenverlorenen Spiel entwickelt sich im drauffolgenden "Not A Rabbit" eine nebulöse Stimmung wie sie aus "A Forest" von The Cure abzuleiten ist. Sicherlich sind diese Referenzpunkte nicht besonders originell, der Sound von Mantarochen ist es jedoch schon.

Bereits mit "In The Badgers Cave", welches UNTER.TON auch schon sehr positiv besprach, hat das aus Leipzig stammende Trio dargelegt, dass sie der Tradition ihrer Stadt als alljährliches Mekka für die Schwarzgewandeten folgen. Jedoch nicht in den zum Teil clownesk anmutenden Verkleidungen oder der viel zu überspitzten Musik, die mit erbrechender Regelmäßigkeit ins Schlagareske abzurutschen droht, sondern in völlig unauffälliger Art und Weise. Hört man sich "Count The Dust" an, sieht man vor dem geistigen Auge hagere Gestalten in dunklen Roben und aufwändig toupiertem Haupthaar, wie sie in einem besetzten Altbau ihre Songs einspielen, in der körnigen Romantik alter VHS-Kassetten festgehalten.

Dass man bei Mantarochen bestimmt an Xmal Deutschland denkt, lässt sich nicht vermeiden. Allein Danas Stimme reicht so nah an Anja Hüwes Organ heran. Letzten Endes ist es aber auch die völlig teilnahmslose und unterkühlte Vortragsweise der Sängerin, die eine perfekte Einheit mit der stoisch vor sich hinlaufenden Drummachine, den brodelnden Bässen und der eingestreuten Elektronik bildet.

Natürlich ist das, was das Dreiergespann da macht, alles andere als innovativ. Doch ist gerade diese akkurate Art und Weise, den unperfekten Sound aus den Anfangstagen des Postpunk zu regenerieren, sehr lobenswert. "Cut My Brainhair" ist eine schmutzige, schnelle Platte, die an einem vorbeirauscht wie eine Nacht in West-Berlin, als die Mauer noch stand. Immer wieder möchte man sich von Stücken wie "Pull Me" und "Desert" runterziehen lassen in die Hoffnungslosigkeit.

Dass es bei Fotokiller ähnlich schwermütig zugeht, erahnt man zunächst nicht. Da ist der schmissige Gitarrensound, der ein bisschen an The Jesus and Mary Chain erinnern, allerdings mit komplett eingerissener Noisewand und schmiissigem Tempo. Mit anderen Worten: "Eerie Nostalgia" ist ein Album, bei dem man gar nicht anders kann als mit dem Kopf oder den Füßen zu wippen.

Doch bereits im Albumtitel wird deutlich, dass es auf textlicher Ebene weniger cool zu geht. Sängerin und Gitarristin Sofy ist eine Suchende. Orientierung, Halt, Liebe...all das ist in ihrer Lyrik auszumachen als die großen Lebensziele. Aber auch die Gewissheit, dass sich die Welt nicht selbst in einen besseren Ort verwandelt, sondern dass es nur die Menschen selbst in der Hand haben.

Was also ist zu tun? In "Stop The World" macht die Sängerin eine klare Ansage: Die Welt anhalten und tanzen. Sie entscheidet sich - wie vermutlich viele andere auch - für den Eskapismus und zieht sich regelmäßig in ihren Songs voller Schwermut zurück ("Isolation", "Jaded"). Manchmal allerdings wird es auch ihr zu viel. Dann geht sie wie bei "Confidence Killed" in den Angriffsmodus. Nur bekommt man diese Wut erst dann mit, wenn man genau auf die gesungenen Zeilen achtet.

Denn ihr Duktus ist immer ein leicht shoegaziger. Eingepackt in mal mehr, mal weniger Hall und tief eingebettet in den rollenden Post-Punk-Sound, könnte man fast überhören, dass es Fotokiller durchaus wichtig ist, was sie zu sagen haben. Auch "Control" offenbart seine markante Lyrik erst beim zweiten, genaueren Zuhören.

Behält man diese Empfehlung im Hinterkopf, kann man Fotokiller nur beglückwünschen zu einem grandiosen Erstling. Das selbe gilt natürlich auch für Mantarochen, die den Post-Punk auf seine Wurzeln zurückgeworfen hat. Und ebenso kann man It's Eleven Records gratulieren, dass sie so spannende Künstlerinnen und Künstler in ihrem Roster haben.

||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 05.03.25 | KONTAKT | WEITER: TORUL "SUPERPOSITION">

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