THE VACANT LOTS "INTERIORS" VS. FEU FOLLET "LOST LOCUST": WUNDERLAND!
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Selbstverständlich ist New York immer noch ein wichtiger Impuslgeber, wenn es um hoch- wie subkulturelle Ereignisse geht. Doch momentan beherbergt Big Apple einen besonderen Schlag an Musikerinnen und Musikern, die den Sound der 1980er für sich entdeckt haben und neu interpretieren. Eine dieser vielversprechenden Bands ist The Vacant Lots - und eine, die bislang sträflich unter dem UNTER.TON-Radar geflogen ist. Jared Artaud und Brian MacFadyen veröffentlichen mit "Interiors" bereits ihren fünften Longplayer (wobei das mit dem "Long" bei 28 Minuten Gesamtlänge eine großzügige Auslegung ist).
Die Jungs haben jedenfalls einen Plan. Das sieht man bereits bei der Komplettübersicht ihrer Tonträger, die einem klar formulierten Artwork folgen: sämtliche Veröffentlichungen zeigen optische Täuschungen und psychedelische Spiralbilder, womit das Zweiergespann auch auf ihre musikalischen Vorlieben verweisen. Denn obgleich ein Großteil der Gazetten The Vacant Lots in die Post-Punk-Abteilung einsortieren, fußen ihre Nummern auch auf die bewusstseinserweiterte Rockmusik, wie sie beispielsweise Velvet Underground praktizierte. "Damaged Goods" ist die offensichtlichste Darlegung ihrer musikalischen Sozialisation. Und dennoch kann man in dem Sechseinhalbminüter noch mehr heraushören, zum Beispiel den Acid Rave aus Manchester in den späten 80ern.
"Damaged Goods" beschließt das Album und ist nur die Konsequenz aus den sieben zuvor gehörten Stücken, die sich in alle Himmelsrichtungen verteilen. "Amnesia" eröffnet mit einem perfekten Post-Punk-Synthie-Riff, dem eine verhallte Gesangsspur untergemischt wird. Das nachfolgende "Paradise" dagegen streut uns Glitzer aufs Haupt - zumindest musikalisch. Ein offenherziges Synth-Wave-Akkord eröffnet die Nummer und erhält als Dank einen dekadenten Disco-Rhythmus, der Daft Punk eingedenkt. "Ashes" und "Evacuation" vereinen straighten Four-On-The-Floor-Beat mit elektrorockigen Elementen, während "Destruction" souligen Synth-Pop zum Besten gibt.
Man könnte jetzt auch noch die restlichen Songs kurz skizzieren, doch soll sich die Hörerschaft selbst auf auditive Spurensuche begeben. Zu entdecken gibt es auf jeden Fall einiges, und eben diese mannigfaltigen Stücke machen "Interiors" zu einem wunderschönen Album, wenngleich das Duo ihren fünften Streich als ihr düsterstes Werk bezeichnen. Textlich ist das auf jeden Fall nachvollziehbar, geht es in den Songs um das Ende von Beziehungen und Zerstörung - wahrlich nicht die Sonnenscheinthemen. Dafür führt die Musik von The Vacant Lots einen dann und wann auch mal ins Freie.
Bei Feu Follet trat vor zwei Jahren mit der Veröffentlichung von "Beneath The Earth" ein kompletter Sinneswandel ein. Davor hat Mastermind Albain Blaising nämlich seine Musik noch ohne gesangliche Unterstützung veröffentlicht. Doch mit diesem Output gelang dem Mann aus Nancy ein bezauberndes Gesamtkunstwerk, das sogar einen beigefügten Comic enthielt.
Auch "Lost Locust" wartet mit einer liebevollen und detaillierten Zeichnung als Artwork. Angelehnt ist sie zweifelsohne an Alice im Wunderland und nimmt den mannigfaltigen und immer wieder erstaunlichen musikalischen Kosmos des Mannes aus Nancy vorweg. Wie bei The Vacant Lots handelt es sich bei "Lost Locus" auch um das fünfte Album, das voller Überraschungen und unerwarteter stilistischer Wendungen ist.
Es mag Zufall sein oder Absicht, aber es scheint so, als ob Albain die Musik um die Gaststimmen herum gebaut hat. Bei Alexander Leonard Donat, dieses Jahr immens präsent dank wunderbarer Alben unter seinen Monikern Vlimmer, Fir Cone Children und Assassun, begibt sich der Musiker in einen etwas wavigeren Duktus. Bei "Fluid Bodies" treibt er das Spielchen auf die Spitze. Der Song wirkt wie eine Mischung aus Depeche Mode, The Cure und The Stranglers. Was sich ziemlich unrealistisch liest, funktioniert tatsächlich ausgezeichnet. Natürlich muss man diesem Stilhopping offen gegenüberstehen.
Unterdessen werden die Gesangsdarbietungen von Isabelle B. Baumann mit deutlich mehr Elektronik ausgeschmückt. Besonders "Living Without (Wedding Song)" beginnt geradezu verträumt, ehe die Synthies kratzbürstiger werden und leicht verstimmte Stromgitarren dazukommen.
In erster Linie gehen die Stücke auf "Lost Locust" aber den Weg des größten Widerstandes. Bei aller Eingängigkeit will Feu Follet nicht zu vorhersehbar klingen und baut ungewöhnlich Klänge innerhalb der Songs ein oder scheint sogar mit anspruchsvollen jazzigen Strukturen zu liebäugeln. "Lost Locust" führt die Idee von "Beneath The Earth" erfolgreich weiter und dürfte das Projekt einige neue Anhänger bescheren.
Und die Moral von der Geschichte: Es lohnt sich, ausgetretene Pfade zu verlassen und einfach mal querfeldein zu laufen. Übertragen auf The Vacant Lots und Feu Follet, kann man sagen, dass sie Erforscher des Unbekannten sind, die sich nicht damit zufrieden geben, nur einer Stilrichtung treu zu sein. Ein Glück, denn gerade die Diversität ihrer Kompositionen machen "Interiors" und "Lost Locust" zu zwei aufwühlende Alben, denen man immer wieder verfällt.
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COVERS © Fuzz Club Records (The Vacant Lots), Blackjack Illuminist Records (Feu Follet)
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Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-Weiß-Ästhetik. Deshalb wurden farbige Original-Bilder unserem Layout für diesen Artikel angepasst. Sämtliche Bildausschnitte, Rahmen und Montagen stammen aus eigener Hand und folgen dem grafischem Gesamtkonzept unseres Magazins.
© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
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