WAS MACHT EIGENTLICH STEINWOLKE: "WIR MÜSSEN UNS IMMER NOCH EXTREM STRECKEN, UM WAHRGENOMMEN ZU WERDEN - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

Direkt zum Seiteninhalt

WAS MACHT EIGENTLICH STEINWOLKE: "WIR MÜSSEN UNS IMMER NOCH EXTREM STRECKEN, UM WAHRGENOMMEN ZU WERDEN

Kling & Klang > WAS MACHT EIGENTLICH...?
Wie ist es zur Idee gekommen, Steinwolke wieder aufleben zu lasssen?
Andreas Haas: Tatsächlich war es der 100. Geburtstag unserer Mutter im Jahr 2021, der dazu führte, dass wir als Familie wieder zusammengefunden und einige Lieder zur Feier gespielt haben. Bis dahin war ich ja 30 Jahre komplett raus aus der Musik, habe meinen Bass verkauft und als Architekt gearbeitet. Doch danach haben wir wieder Blut geleckt und begonnen, Steinwolke neu zu starten. Ich habe mir also wieder einen Bass zugelegt und fleißig geübt. Die übrigen Bandmitglieder waren mir natürlich weit voraus, da sie der Musik treu geblieben waren, neue Stücke komponiert und bis dato unzählige musikalische Projekte realisiert hatten.  

Wie ging es dann weiter?
Glücklicherweise besitzen wir noch das Studio in Hannover, das wir während unserer erfolgreichen Zeit in den 80ern eingerichtet haben. Dort haben wir gemeinsam geübt. Dass wir mitten in der Corona-Pandemie wieder zueinander gefunden haben, war sicherlich kein günstiger Zeitpunkt, aber es war uns beispielsweise trotzdem möglich, zu Ehren unsererr Mutter und ihrem 100sten Geburtstag ein einstündiges Konzert zu geben. Das Publikum war großartig, was uns weiter in unserem Vorhaben bestärkt hat.

Kommen nur die Fans von früher zu Euren Auftritten, oder lockt ihr auch jüngeres Publikum an?
Zwar ist das Durchschnittsalter etwas höher bei unseren heutigen Auftritten, aber anhand der Streams kann man schon erkennnen, dass sich auch jüngere Menschen für unsere Musik interessieren. Ich habe aber das Gefühl, dass wir in einer Zeit leben, in der sich die jungen Menschen nach handgemachter Musik sehnen und das auch von ihnen gewertschätzt wird. Von diesem Effekt profitieren wir auch in einer gewissen Weise. Manchmal sind dann doch im Publikum ein paar jüngere, die unsere Auftritte mit den Handys filmen.

Dabei habt ihr ja mal als Folk-Band angefangen und seid eher zufällig in die Neue Deutsche Welle geschlittert, als diese eigentlich schon in ihren letzten Zügen war...
Das ist richtig. Wir haben Ende der 1970er viel Folk mit Querflöte und afrikanischen Trommeln gespielt. Jethro Tull, Santana und Police waren unsere Vorbilder. Doch mit der Zeit entwickelte sich unser Sound in Richtung Rock. Mit dem Kauf eines Yamahas CP70, einem akustischen Piano, haben wir dann versucht, noch mehr natürliche Sounds zu integrieren.

"Katharine, Katharine" hat sich als unkaputtbarer Evergreen entwickelt. Ist es nicht Fluch und Segen zugleich, dass man als Band immer an diesem einen Hit gemessen wird?
Man muss ganz klar sagen, dass wir mit diesem Song auch ein Stück weit ausgesorgt haben. Er spült uns immer noch Geld in die Kassen. Wir spielen "Katharine, Katharine" auch sehr gerne live. Zuletzt haben wir in Rottweil ein Konzert gegeben und das Publikum ist ausgerastet, als wir das Lied performten. Fluch ist es dennoch, aber auf einer anderen Ebene: Unser Bruder Clemens hat die Nummer geschrieben, ist aber nicht mehr bei Steinwolke dabei, weil er sich von uns allen weit entfernt hat. Auch knabbert er daran, dass Steinwolke wieder zusammengefunden hat, und das ohne ihn.

Ihr habt nun ein neues Stück aufgenommen - "Glück aus Glas" - aus dem gleichnamigen Album, das nun erscheint. Ich habe das Gefühl, dass ihr einfach da weiter macht, wo ihr aufgehört habt...
Ich glaube, das liegt einfach an unserer Gruppendynamik. Diese etwas andere, eher rauhe Musik, ist einfach noch in uns, weswegen wir auch nicht anders können.

Blickt ihr wehmütig zurück?
Nein, wir hängen nicht mehr in dieser Zeit. Das ist vorbei.

Was erwartet die Hörerschaft auf der neuen Platte?
Es wird zur Albumveröffentlichung ein großes Konzert in Hannover geben. Unsere Stücke behandeln viele aktuelle Themen wie die Flüchtlingskrise, die im Titelsong thematisiert wird. Das Cover zeigt ein Mädchen, das mit dem Blick auf ihr Smartphone die Realität aus den Augen verliert und sich damit öffnet für Fake News und andere Verführungen der sozialen Medien, das ständige Abgelenktsein - all das spielt fürr uns eine Rolle.

Ihr habt in Euren Anfängen eine ganz andere Musikindustrie kennengelernt als wie sie heutzutage der Fall ist. Welche Erfahrungen macht ihr jetzt?
Ehrlich gesagt sind die Erfahrungen auch nicht großartig anders als vor 40 Jahren. Wir müssen uns immer noch extrem strecken, um wahrgenommen zu werden. Der einzige Unterschied war eben, dass es nicht digital vonstatten ging.

In einer Zeit, in der Musik immer und überall verfügbar ist und auch das Album als Medium an Wichtigkeit verliert, ist es sicherlich schwieriger, aufzufallen...
Absolut! Aber wir haben uns entschieden, dieser Kurzlebigkeit und dem Verschleiß von Musik entgegenzutreten. Ich bin immer noch der Meinung, dass es ein ganz anderes Gefühl ist, ob man ein Album nur auf dem Rechner oder in der Streamingplattform hat oder als CD beziehungsweise Platte im Schrank. Der haptische Aspekt ist uns da sehr wichtig. Glücklicherweise haben wir uns mit Unterstützung des Verlags von Stefan Waggershausen für die CD- und LP-Produkte entschieden. Wir freuen uns sehr auf die Veröffentlichung!

Welche Erwartungen legt ihr in das neue Album?
Wir sind nicht so vermessen und denken, dass "Glück aus Glas" durch die Decke gehen wird.  Wir haben keine kommerziellen Erwartungen an das Album, aber wir haben alle zusammen eine große innere Motivation und wir gehen schon davon aus, dass es ein Echo auf unsere Veröffentlichung geben wird.

Seid ihr dann wieder vollberuflich Musiker, oder macht ihr das nur zum Plaisir?
Alle anderen in der Band sind ja mehr oder weniger im künstlerischen Bereich über die Jahrzehnte tätig gewesen und sind es immer noch. Ich selbst bin mit meinen 66 Jahren Jung-Rentner. Für mich ist es einfach nur eine große Freude, wieder mit Steinwolke zu spielen.

|| INTERVIEW: DANIEL DRESSLER | DATUM: 18.09.24 | KONTAKT | WEITER: KURZ ANGESPIELT 9/24>


Foto © Berthold Haas (Steinwolke anno 1979), Martin Altermöller (Steinwolke anno 2024)

Website

Kurze Info in eigener Sache
Alle Texte werden Dir kostenfrei in einer leserfreundlichen Umgebung ohne blinkende Banner, alles blockierende Werbe-Popups oder gar unseriöse Speicherung Deiner persönlichen Daten zur Verfügung gestellt.Wenn Dir unsere Arbeit gefällt und Du etwas für dieses kurzweilige Lesevergnügen zurückgeben möchtest, kannst Du Folgendes tun: Druck' diesen Artikel aus, reich' ihn weiter - oder verbreite den Link zum Text ganz modern über das weltweite Netz. Alleine können wir wenig verändern; gemeinsam jedoch sehr viel.
Wir bedanken uns für jede Unterstützung!
Unabhängige Medien sind nicht nur denkbar, sondern auch möglich.
Deine UNTER.TON Redaktion

WEITERE ARTIKEL AUF UNTER.TON


Rechtlicher Hinweis: UNTER.TON setzt auf eine klare Schwarz-Weiß-Ästhetik. Deshalb wurden farbige Original-Bilder unserem Layout für diesen Artikel angepasst. Sämtliche Bildausschnitte, Rahmen und Montagen stammen aus eigener Hand und folgen dem grafischem Gesamtkonzept unseres Magazins.


                                                       © ||UNTER.TON|MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR| IM NETZ SEIT 02/04/2014.||
Zurück zum Seiteninhalt