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PROJECT PITCHFORK "BLOOD": ENDE BLUT, ALLES BLUT

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Wie oft wurden Project Pitchfork schon zu Grabe getragen – sei es von den (hass)liebenden Fans oder ihrem Chefdenker Peter Spilles. Trotzdem sind sie immer noch da. Seit den frühen 1990er Jahren zählen die Dunkel-Elektroniker zum unverrückbaren Inventar der Schwarzen Szene. Dabei wurde ihnen noch nicht einmal der durchschlagende Erfolg von "Daimonion" zum Verhängnis, obwohl der Silberling 2001 mal eben Platz Acht der Albumcharts besetzte. Ein absolutes "No Go" für so manche düstere Seele, mit dem Neid und Missgunst quasi vorprogrammiert waren. Aber all diese Höhen und Tiefen, all diese Extreme: Sie ließen Project Pitchfork nur stärker werden. Mittlerweile sind sie über jeden Zweifel erhaben. So wie ihre letzten, überaus ansprechenden Platten, die sich an keine Trends mehr heften, sondern statt dessen lieber ihre ganz eigenen schaffen. Mit "Blood", dem 16. Werk, widmet sich das Trio jetzt unseren Lebenssaft - und feiert, ganz nebenbei, auch seinen unverkennbaren Stil...

Rein medizinisch betrachtet, ist Blut ein Transportmittel, das Nährstoffe durch den Organismus trägt und an die entsprechenden Stellen im Körper abgibt. Welche metaphorische und auch symbolische Kraft es besitzt, wird einem erst richtig bewusst, wenn man überlegt, wie stark der Begriff in unserem täglichen Sprachgebrauch verankert ist: Es gibt den Blutmond oder auch das Blutgeld. Man kann bis aufs Blut gereizt sein, und vor Wut kann das Blut auch schon mal kochen. Wie eine Hauptschlagader durchzieht diese lebenserhaltende Flüssigkeit unser Denken und Reden – warum also nicht auch mal ein ganzes Album darüber schreiben?

Peter Spilles
ist aber viel zu intelligent, um nach dem Strickmuster gängiger Formeln, Redewendungen oder feststehender Deutungsmöglichkeiten einfach nur ein paar Stücke zusammenzuklöppeln, die sich mit dem Thema Blut beschäftigen.

Stattdessen haben er und seine Mitstreiter Dirk Scheuber und Jürgen Jansen sich Gedanken gemacht, wie im Zusammenspiel mit anderen Begriffen überraschende Verbindungen und spannende Kontraste geschaffen werden könnten – und aus diesem Material am Ende den jeweils passenden Song entwickelt.

Kleines Beispiel gefällig? Das streng nach vorne marschierende "Give Me Your Body" handelt von einem offensichtlich besessenen Menschen. Ein Kannibale? Die Frage nach der Identität bleibt bis zum Ende offen. Jedenfalls wurde ein Opfer ausgemacht, dem er sich im Laufe des Liedes nähert - um es am Ende schließlich zu töten. Irgendwie klar, dass dieser Song auf den Namen "Blood-Stained" (blutbefleckt) getauft werden musste.

Nach mehr als 20 Jahren im Musikgeschäft brauchen Project Pitchfork weder sich noch anderen etwas zu beweisen. Trotzdem macht das neue Werk deutlich, dass das Elektro-Trio noch immer größte Relevanz besitzt – und die frisch besetzte Vordenker-Rolle mit spielender Leichtigkeit beherrscht: "Blood" entpuppt sich nämlich wider Erwarten als ein Konzeptalbum, das im Grunde gar keins ist. Jedes der elf Stücke steht problemlos auch für sich, erzählt eine eigene, abgeschlossene Geschichte. Und dennoch wird im Hintergrund ein – im wahrsten Sinne des Wortes – scharlachroter Faden gespannt, der die einzelnen Titel miteinander verknüpft.

Derart um die Ecke zu denken, fällt nicht jedem Musiker in den Schoß. Schon gar nicht in einer Subkultur, die an ihrer eigenen Phantasielosigkeit langsam aber sicher zu ersticken droht.

Das gedankliche Konstrukt eines Quasi-Konzeptalbums bringt übrigens auch klare Vorteile für die Band, die sich auf diese Art und Weise nicht sklavisch an einem Thema abarbeiten muss. Zudem gewährt es den musikalisch nötigen Freiraum für das Trio, das sich hier bis zum Anschlag auspowern kann. Da darf es - wie in "Blood-Pressure (Just For My Pleasure)" - gerne auch mal ein wenig deftiger zugehen. Bedrohliche Synthies und ein unnachahmliches Gitarrenloop unterstreichen die aggressive Attitüde dieses Protest-Songs, der von der Überheblichkeit des Stärkeren handelt: Ein elektrophiles Sinnbild für das perverse Gebaren unserer westlichen, vom Wohlstand saturierten Staaten, die das dauernde Elend der Dritten Welt zu ihrem Vorteil ausschlachten.

Seit "Dream, Tiresias!" von 2009 arbeiten Project Pitchfork mit einem musikalischen Konzept, das auf rein elektronischer Basis steht
. Darüber hinaus werden verschiedene Spielformen von Rock und Electronica immer wieder neu gemischt.

Auf "Blood" gelingt dem Trio ein akrobatisches Bravourstück: Mit spielender Leichtigkeit schaffen Project Pitchfork den Spagat zwischen eingängigen Sounds und sperrig-schmutzigen Tönen. Anschmiegsame Melodien – wie bei "Blood-Line (Never)" – treffen in "Blood-Moon (Romance)" und "Blood-Lust (Mental Island)" auf überraschende Brüche und defragmentierte Elektro-Sounds.

Zudem hat Peter auf diesem Album sein brüchig-wuchtiges Organ perfektioniert; insbesondere, weil die Stimme des Frontmanns auf Tracks wie "Blood-Stream (Will I Be)" ungewohnt hell und klar zum Einsatz kommen darf.

Es pochen die Schläfen, es wummert der Puls, es brodelt der Lebenssaft an allen Ecken und Enden dieser Platte. "Blood" ist wie der Schlag eines kräftigen Herzens: Vital, erfrischend und voller Energie. Ohne Blut kein Leben, das wird auch anhand des Covers deutlich. Ein Bündel leblos weißer Rosen, sakral drapiert vor dem kargen Verlies einer achtlos verputzten Mauer. Unbefleckte Monotonie versus graue Wand: Die vampirische Härte des Raums hat dem Gewächs seinen Lebenssaft entzogen. In leisen Bahnen bewegt sich das Rot, immer weiter weg von der Quelle seines Ursprungs, gespenstischen Höhen entgegen.

Blutsauger kennen keine Gnade.

Ein Glück, dass das Schicksal der Band im Studio eine weitaus glücklichere Wendung nahm: Die Defibrillatoren können auf jeden Fall wieder eingepackt werden. Project Pitchfork leben – und wie!


|| TEXT: BISSINGER/DRESSLER // DATUM: 08.10.2014 ||| DEINE MEINUNG? MAIL SCHREIBEN! || WEITER: BLIND VISION VS. PSYCHOPOMPS




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