ASP "BEST OF ROCK": DER KÖNIG TANZT (10/10/14 BACKSTAGE MÜNCHEN) - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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ASP "BEST OF ROCK": DER KÖNIG TANZT (10/10/14 BACKSTAGE MÜNCHEN)

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Als ASP tags zuvor ihren Hit "Ich will brennen" performen, wandelt Alexander den Refrain vortrefflich ab: "Lasst uns brennen - Auf dass die ersten 15 Jahre nur der Anfang sind!" Eine nicht zu überhörende Kampfansage. Klar, dass der charismatische Frontmann nach diesen markigen Worten auch Taten sprechen lässt: "Best Of Rock" lautet der Titel dieses zweiten Konzertabends, der das Hauptaugenmerk auf die kultigen Highlights der aspischen Vita richtet.

Die Energie ist dieses Mal eine spürbar andere:
Jeder der Anwesenden in der bis zum Anschlag gefüllten Backstage-Halle weiß im Grunde schon vor dem Einlass, was ihn hier erwarten wird: Eine treibende Show, ein visuelles und klangliches Spektakel, ausgerichtet im Grunde nur auf ein einziges Ziel: Den Fans das zu geben, was sie verlangen – pompösen Gothic-Novel-Rock mit viel Brimborium und Chi-Chi. Für dieses Spektakel reihen sich die ausnahmslos schwarz gewandeten Konzertbesucher, darunter auch etliche Spreng-Doubles, gern in die endlos scheinende Düster-Schlange vor dem Eingang ein. Immerhin: Gedränge gibt es hier nicht, es geht erstaunlich gesittet zu. Trotzdem wirft das gemeine Laufpublikum, auf dem Weg zur nahen S-Bahn mit dem optischen Schrecken der dunklen Massen konfrontiert, den ASP-ianern irritierte Blicke zu.

Drinnen im Backstage sind die Strapazen der Anreise, der wolkenverhangene Himmel und die trübe Herbst-Kälte dann schnell vergessen: Mit dem heiß ersehnten Auftritt von Alexander Spreng und seiner perfekt eingespielten Live-Kombo verwandelt sich die triste Halle in einen brodelnden Hexenkessel. In seinem bodenlangen Leder-Ornat ist der hünenhafte Frontmann eine echte Gewalt auf der Bühne, stachelt sein Höllen-Orchester mit markiger Kinski-Gestik zu Höchstleistungen an. Den auf ihn gerichteten Scheinwerfer beschwört Spreng wie einen Götzen:
Der König tanzt - und stößt die tobende Menge mit ausladender Nosferatu-Gestik in einen Zustand der Dauer-Extase, die noch nach dem letzten Akkord nachhallen wird.

Sämtliche Notbremsen, die Alexander Spreng am Vorabend vielleicht noch gezogen hatte, sind mit einem Male komplett gelöst: Der Schwarze Schmetterling fliegt wieder.

Im gewohnt rockig-elektronischen Gewand scheint jede Sekunde perfekt getimed: Alles wirkt stimmig, als hätten die fünf Musiker in ihrem Leben nie etwas anderes gemacht. Ganz großes Kino, gerade auch weil es dem Frontmann trotz gewaltigem Bühnen-Ego gelingt, den einzelnen Bandmitgliedern die nötigen Freiräume zu schaffen.

Im Laufe ihrer Karriere haben ASP so viele Hits verfasst, dass sie jeden Abend dieser Mini-Tournee spielend mit einer alternativen Setlist bestreiten könnten.
Die Frage ist also weniger, welches Liedgut hier auf den Tisch kommt, sondern eher, welcher Schlager aus dem großen Song-Buch wann gespielt wird. Ein echtes Luxusproblem für die Mannen.

Dennoch erstaunt es, dass ASP
mit "Sing Child" sowie "Und wir tanzten (ungeschickte Liebesbriefe)" zwei Klassiker aus dem "Hast du mich vermisst?"-Debüt bereits in der Mitte des Konzerts großes Pulver verschießen. Bei letzterem Song fordert Spreng, in gewohnt guter Conferencier-Laune, die Massen dazu auf, den Text zu singen. Im Grunde ein perfekter Ausklangsmoment für einen solchen Abend, den an dieser Stelle im Grunde nichts mehr toppen kann. Diese ASP-Hymne ans Ende der Zugabe zu packen, hätte den Auftritt irgendwie runder wirken lassen. So ist nach diesem "Geburtstags-Ständchen" für einen kurzen Moment die Luft raus: Ein kleiner dramaturgischer Knick, der in der vorherrschenden Party-Stimmung jedoch schnell vergessen ist.

Was
kann schon großartig schief gehen an einem solchen Abend? Mit sicherer Hand wählt das Fünfergespann aus der Main-Metropole iseine großen, wuchtigen Tracks zusammen. "Weltunter", "Rücken an Rücken", "Werben", "Ich bin ein wahrer Satan": Sie alle haben über die Jahre hinweg keinerlei Staub angesetzt - und werden von den Jungs nicht einfach nur runtergespielt, sondern bekommen in der Live-Show neue Energie verpasst.

Am Ende rinnt der Schweiß in Sturzbächen - nicht nur bei den Bandmitgliedern, sondern auch bei den Zuschauern, die mit jedem weiteren Lied die vollkommenen ASP-tase feiern. "Ein Minz-Aufguss wäre jetzt nicht schlecht", kommentiert Spreng die Sauna-Verhältnisse in der stickigen Halle - was die Menge sofort mit geifernden Sprech-Chören quittiert: "Auszieh'n, auszieh'n!", tönt es von allen Seiten. "Ich habe ein Monster geschaffen", grinst Alexander Spreng. Je später der Abend, desto frivoler die Scherze..

Der wortgewandte
Sänger weiß nach 15 Jahren Fan-Kult natürlich ganz genau, welche Knöpfe er bei seinen Anhängern drücken muss. Ob nun verbale Seitenhiebe auf die Kostenlos-Kultur im Internet ("Ich finde es schon erstaunlich, dass Menschen etwas teilen, was ihnen gar nicht gehört“) oder der nach den gräflichen Abdankungs-Bekundungen der letzten Woche wenig überraschende, mit dem typischen Sarkasmus gewürzte Gruß an die Kollegen von Unheilig ("Ich trete nicht auf Hochzeiten auf. Erst sind es Hochzeiten, später ist es Carmen Nebel“): Spreng gefällt sich in der Rolle des Geschichten erzählenden Alleinunterhalters – in jeder Hinsicht. Und das sei ihm auch gegönnt, da er das Ganze stets mit einem gewissen Augenzwinkern macht.

Leider beobachten wir in der sogenannten Subkultur seit einigen Jahren den mittlerweile wohl nicht mehr aufhaltbaren Trend, das Publikum zum uniformierten Winken aufzufordern oder andere spaßige Schlager-Gesten durchzuspielen. Einmal wurden wir sogar fast von einer Polonaise vergewaltigt, konnten dem drohenden Übel jedoch in letzter Sekunde entgehen.

Ringelpietz mit Anfassen, dieses abgegriffene Schreckens-Szenario braucht man bei ASP zum Glück nicht zu befürchten.

Trotzdem wurden an diesem Abend einige Klischee-Choreografien aus dem spießigen Animations-Kanon durchgeturnt. Zwanghaft zwangloses Mitmach-Gedöns, das auch bei silbereise(r)nen Veranstaltungen oder launigen Biergarten-Schunkeleien gerne genommen wird:
Wenig passend im Grunde zum "alternativen" Habitus der meisten Gothic-Bands, und auch in voller Leder-Montur immer wieder gern genommen. Wir fordern: Ab ins Exil mit diesen vorhersehbaren Mitmach-Aktionen, gerne schön weit weg auf die Kreuzfahrtschiffe dieser Welt.

Dann dürfen Alexander Spreng und seine Mannen auch gerne noch weitere 15 Jahre die Bühnen bespielen. Ein echtes Show-Erlebnis sind ihre Gigs in jedem Falle: Ob nun mit technischem Sahnehäubchen aufgerüscht oder doch lieber als handgemachte Klang-Essenz serviert, das ist am Ende reine Geschmackssache.

BILD ZUM TEXT? > FOTO-GALERIE ASP "BEST OF ROCK"



|| TEXT: ANTJE BISSINGER / DANIEL DRESSLER || KONTAKT || DATUM: 14.10.2014 || WEITER: ASP LIVE I: RAR & PUR >>


FOTOS: ANTJE BISSINGER @ UNTER.TON.


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