WHITE LIES "AS I TRY NOT TO FALL APART": IM RAUSCH DER AUSWEGLOSIGKEIT
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Aus dem Stand heraus schafften White Lies es anno 2009 mit ihrem Debüt "To Lose My Life" an die Spitze der britischen Charts. Zu dieser Zeit hat man den Post-Punk wieder entdeckt und sogar ein amtliches Post-Punk-Revival ausgerufen, das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von White Lies Erstling bereits schon ihren Höhepunkt erreicht hat.
Doch die Band aus dem Londoner Stadtteil Ealing verharrte nicht auf der Stelle, sondern expandierte musikalisch mit jedem weiteren Album. Bereits der zwei Jahre später erschienene Nachfolger "Rituals" veränderte das Klanggefüge der Songs um einige Nuancen, spätere Werke wie das grandiose "Big TV" (2012) und zuletzt "Five" (2019) haben dem Pop in Form von anschmiegsamen Elektronik-Spielereien mehr Bewegngsraum zugestanden.
Direkt zurückrudern tun sie auf "As I Try Not To Fall Apart" nicht. Aber dennoch klingen sie an manchen Stellen wieder kantiger. Könnte vielleicht daran liegen, das Ed Buller wieder am Sound mitfeilte. Jener Mann, der dazu beigetragen hat, dass "To Lose My Life" zum Erfolg wurde. Von daher klingen Songs wie "Ragworm" auch wie ein Rückgriff auf Altbewährtes. Doch so einfach machen es sich White Lies nicht.
Das Experiment bleibt eines ihrer Stilprinzipien. So klingen die Songs nie erwartbar, sind bei "The End" seltsam amorph und träumerisch und überraschen mit einem interessanten Vocodereffekt sowie einem spacigen Ragtime bei "Step Outside", während "There Is No Cure For It" mit schrammelnd-verzerrten Gitarren breitbeinigen Indie-Rock propagiert. Musikalisch bleibt also bei White Lies alles anders.
Textlich dagegen greift "As I Try Not To Fall Apart" erneut in die große Weltschmerzkiste. Das fängt schon mit dem ersten Song "Am I Really Going To Die" an und setzt sich mit dem darauffolgenden, unverschämt eingängigen Titelsong fort. Harry McVeigh und seine beiden anderen Mitstreiter sind in ihren Lyrics immer noch nah an der existentiellen Tristesse, auch wenn die aufgelockerten Rocksongs mit Indie-Elektronik-Einschlag eher das Gegenteil versprechen.
Aus dieser Diskrepanz entsteht eine Dynamik, die auf dem sechsten Album erst richtig Fahrt aufnimmt. Schließlich wirken sie musikalisch so befreit wie nie zuvor. "As I Try Not To Fall Apart" fördert eine neue Selbstverständlichkeit der Band ans Tageslicht, die sich nur noch wenig um das musikalische Erbe schert. Und das ist auch gut so. Schließlich bringt diese Einstellung sie zu neuen Ufern. Ob es dann wieder zu einem Nummer-Eins-Album wie bei ihrem ersten Streich reicht, steht noch in den Sternen. Allerdings waren White Lies mit jedem ihrer Alben in den oberen Chartsregionen angesiedelt. Es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn dies bei "As I Try Not To Fall Apart" nicht geschieht.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 15.02.22 | KONTAKT | WEITER: THE JAZZ BUTCHER "THE HIGHEST IN THE LAND">
Webseite:
www.whitelies.com
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