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ASP "PER ASPERA AD ASPERA": SCHMETTERLINGE, ZAUBERER, FREMDE

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Kurz vor Ende des 20. Jahrhunderts erlebte die deutsche Sprache in der Popmusik ihren zweiten Frühling. Auch in den Subkulturen lautete die Devise plötzlich: Man spricht Deutsch. Bands der Marke Rammstein oder Oomph stürmten die Rockpaläste dieser Welt und propagierten mit ihren kompromisslos brachialen Gitarrenriffs die Neue Deutsche Härte. Ein starres Korsett im Grunde, aus dem sich Musiker der zweiten Generation erst wieder befreien mussten. So war beim 1999er Debüt von Unheilig der Titel Programm: "Sage ja!" In diesem Falle sowohl zum Rock als auch zum Schlager; zwei unvereinbare Pole eigentlich, aus deren Spannungsfeld jedoch schlussendlich auch der überraschende Erfolg der Formation erwuchs. Doch Unheilig waren nicht die einzigen Spieler auf dem Feld: Pünktlich zum Millennium, jenem seltsam schwerelos erscheinenden Zukunftsbangen zwischen Nostradamus-Schock und Lametta-Euphorie, rückte erstmals auch ein mystischer Buchstabencode ins Auge des Betrachters – ASP. Die Band um Frontman Alexander Spreng schickte sich an, aus elektronisch verziertem Teutonen-Rock ein verlockendes Netz zu spannen, an deren schillernden Fäden die epischen Fantasy-Geschichten des Sängers sich traumtänzerisch bewegen konnten.

Gut 15 Jahre später das Resümee: No Future heißt es für den Grafen von Unheilig, der sein Projekt künftig auf Eis legen möchte - und dieser Tage bereits das bevorstehende Aus der Band verkündet hat. Während hier also der finale Vorhang bereits gefallen ist, feiern die Akteure auf der anderen Seite ein rauschendes Fest: Mit einer Jubiläumstour und der Best-Of-Zusammenstellung "Per Aspera Ad Aspera" betreten ASP erneut das große Welttheater – von Ermüdung keine Spur...

"Durch Mühsal gelangt man zu den Sternen" – so lautet, frei übersetzt, der lateinische Spruch "Per aspera ad astra". Das sehen ASP etwas anders: "Per Aspera Ad Aspera" betiteln sie ihren Querschnitt durch 15 Jahre Bandgeschichte, "Von einer Mühsal zur nächsten" also. Klingt nicht gerade so, als hätten sie Spaß an ihrer Kunst. Aber mal ehrlich – große Kunst entsteht nicht einfach so, aus der Bequemlichkeit heraus. Hinter der sorgsam konstruierten Maske des schönen Scheins lässt sich die kraftzehrende Sisyphusarbeit hinter den Kulissen oftmals nur erahnen. Freund und Leid, das sind die ständigen Begleiter des künstlerischen Wirkens. Seine bedeutsamsten Kreationen sind immer auch Kampf, müssen erst mühsam errungen werden - und erliegen am Ende doch nur dem wachen Geist, der sich in das Leben schmeißt, es mit allen Sinnen erfährt, vielleicht auch ein Stück weit daran verzweifelt. Vieles davon klingt in der ASP- Anthologie nach.

Alexander Spreng
war es nie genug, "einfach nur so" Musik zu machen: Er denkt in epischeren Dimensionen. So sind die Alben der Formation als einzelne Kapitel einer übergeordneten Geschichte zu verstehen; die Songs greifen einzelne Szenen aus dem Erzählstrang auf und lassen die Story lebendig werden. Mit dem Debüt "Hast du mich vermisst?" begann die Saga des "Schwarzen Schmetterlings", dessen lockender Flügelschlag einen Zyklus von insgesamt fünf Alben begleitete.

Anfangs noch in einer Art Orientierungsphase verhaftet, ließen die ersten beiden Teile nur erahnen, zu welch bombastischer Größe dieses flatterhafte Geschöpf einmal erwachsen würde. "Und wir tanzten (ungeschickte Liebesbriefe)", "Sing Child" und "Schwarzes Blut" mauserten sich in den hiesigen Düster-Discos zu veritablen Hits – gefolgt natürlich von der unvermeidbaren Kritik, die der Band neben Oberflächlichkeit auch den Hang zum Klischee attestierte.

Dann folgte 2003 "Weltunter". Nicht nur ein wichtiges Werk für die Band, sondern auch ein markerschütternder Paukenschlag. Schlüssig zum Gesamtkunstwerk verschmolzen hier Musik, Text und Artwork. Der anfangs etwas rumpelige Elektro-Rock wurde mit klassischen Elementen üppig angereichert, die Lyrik lud mit dem hymnischen "Ich will brennen" auch mal zum Mitsingen ein – und Design-Guru Ingo Römling
alias Monozelle verpasste ASP ihre Corporate Identity. Er sollte das Erscheinungsbild der Band auch in Zukunft maßgeblich prägen.

Der unaufhaltsame Aufstiegs einer zunächst belächelten Gruppe – er hatte begonnen.

ASP waren plötzlich Dauergast auf Festivals; die Clubs kamen ohne Stücke wie "Werben", "Ich bin ein wahrere Satan" oder "Krabat", die Vertonung der bekannten Fantasy-Geschichte von Ottfried Preußler
, nicht mehr aus. Kurzum: Der Erfolg zog ein im Hause ASP.

Als Gitarrist und Produzent Matthias Ambré
, seit Anbeginn fester Bestandteil des ASP-Kosmos, Anno 2011 seinen Ausstieg verkündete, traf es die fassungslose Fangemeinde wie ein Schlag. Nur ein Jahr später verabschiedete sich auch Drummer Oliver "Himmi" Himmighofen aus dem Geschehen.

Das Ende von ASP bedeutete dies aber noch lange nicht.

Konzeptionell blieb alles beim Alten: Die Dunkelrocker schnürten erneut ihre Wanderstiefel und nahmen den Hörer mit auf eine fantastische Reise – hinein in neues, von Spreng erzähltes Welt-Konstrukt, das Album für Album um ein Kapitel reicher wird.

Mit den Alben "Fremd" und "Maskenhaft" nimmt der "Fremder"-Zyklus seinen Anfang – und macht deutlich, dass die Umbesetzung nicht gänzlich spurlos an der Band vorbei gegangen ist. ASP zeigen sich heute von deutlich düsterer Seite, sind sperriger geworden. Die großen Club-Hits finden sich weniger ein, dafür bestechen die neuen Lieder mit lyrischer Tiefe.

Von Mühsal war zu Beginn die Rede. Die nahm Alexander auch für dieses Kompendium in Kauf: Anstatt dem Publikum altbekannte Gassenhauer in lieblos gebündelter Form vor die Füße zu werfen, wurden einige Stücke noch einmal neu aufgenommen. Auch das reich verzierte Cover und ein umfassendes Booklet, mit passenden (Stimmungs-) Bilder zu jedem Song halten die Tradition kunstvoll gestalteter Alben hoch. "This Is Gothic Novel Rock", verkündet die Box mit stolzen Lettern. Welch wundersame Wege die Neue Deutsche Härte am Ende doch beschritten hat!

|| TEXT: BISSINGER/DRESSLER // DATUM: 08.10.2014 ||| DEINE MEINUNG? MAIL SCHREIBEN! || WEITER: PROJECT PITCHFORK "BLOOD" >




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FOTOS © ANTJE BISSINGER @ UNTER.TON // COVER: TRISOL.

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