FLUT: "WICHTIG IST, DASS MAN NICHT NUR OBERFLÄCHLICHKEITEN BEDIENT, SONDERN IN DEN MENSCHEN GEDANKLICH ETWAS AUSLÖST." - UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR

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FLUT: "WICHTIG IST, DASS MAN NICHT NUR OBERFLÄCHLICHKEITEN BEDIENT, SONDERN IN DEN MENSCHEN GEDANKLICH ETWAS AUSLÖST."

Im Gespräch

Sie sind junge Erwachsene von heute, streamen Musik aus dem Internet und machen womöglich auch sonst das, was viele Twens eben so machen. Doch wenn Johannes Paulusberger (Gesang, Gitarre), Sebastian Voglmayr (Gitarre), Manuel Hauer (Synthesizer), Jakob Herber (Schlagzeug) und Florian Voglmayr (E-Bass, Bass-Synthesizer) in die Tasten respektive Saiten greifen, glaubt man, dass sie privat eher Walkman, Commodore-Computer und Videorekorder nutzen. Kein Wunder also, dass das Interview mit FLUT immer wieder auf die 80er anspielt. Als "Generation danach" fällt ihr Blick aber weniger nostalgisch, sondern klar analysierend aus.

Als ich Euer Video zu "Linz bei Nacht" zum ersten mal gesehen habe, musste ich schmunzeln: In Zeiten von hochauflösender HD- und 4K-Technik kommt ihr mit einem Clip in körniger VHS-Ästhetik daher. Was fasziniert Euch an dieser scheinbar "unperfekten" Technik?
Manuel: Uns gefiel damals vor allem, wie allein durch das Medium schon etwas transportiert wird und den Song dadurch ergänzen kann. Generell waren wir zu dieser Zeit in unserem Schaffen sehr audiovisuell geprägt. Trotzdem ist unser neues Video zu "Schlechte Manieren" in 4K.

"Linz bei Nacht"  erinnert zudem an alte "Schimanski" oder "Kottan ermittelt"- Krimis. Wie viele Folgen habt ihr davon schon gesehen?
Johannes: Ich glaub, keiner von uns hat je eine Folge davon gesehen. Die Referenz entstammt der Feder von Flo (Florian Beiskammer, Anm. d. Red.), der bei unserem Label die Promoarbeit macht.
Sebastian: Ich hab mir danach mal eine Folge angeschaut.

Ohnehin erlebt die alte Technik eine Renaissance: die Vinyl-Verkäufe ziehen an, sogar Musikkassetten kommen wieder in Mode. Was sind Eurer Meinung nach die Gründe dafür?
Johannes: Ich denke, das liegt zum Teil daran, dass durch das ständige Verfügbarsein von Musik im Netz ein gewisses Bedürfnis bei manchen Leuten entsteht, etwas festes in der Hand zu haben, das nicht bloß zwischen den Synapsen verpufft. Dann kauft man sich ab und zu eine Schallplatte, nutzt aber trotzdem hauptsächlich die vielen Vorteile des so gut wie freien digitalen Musikzugangs.

Stehen bei Euch zu Hause Schallplatten oder CDs in den Regalen? Und von welchen Bands?
Sebastian: Einige von der Band wohnen zusammen. Da stehen viele ältere Platten herum, die wir von unseren Eltern "geerbt" haben, wie zum Beispiel "Bochum" von Herbert Grönemeyer. Wir haben dann aber mit der Zeit auch auf Flohmärkten gebrauchte Alben aus dieser Zeit zusammengekauft. Von Spliff, Nena über Hubert Kah und Depeche Mode ist da alles dabei.
Florian: Zeitgenössische Alben kaufen wir eigentlich so gut wie nicht auf Vinyl, sondern streamen sie im Internet. Wenn wir dann auf Konzerten von Bands sind, die wir gut finden, kaufen wir oft was. Einerseits zur Unterstützung, oder eben als Souvenir vom Abend.

Wenn ihr in den 80ern groß geworden wärt, was hättet ihr dann da gerne erlebt?
Johannes: Konzerte im Allgemeinen. Mich interessiert, wie die Musik in anderen Zeiten live erlebt wurde.
Sebastian: Ich finde die damalige Modewelt in den Metropolen sehr spannend. Vor allem, wie verschiedene parallel existierende Subkulturen ihre unterschiedlichen Stile definiert und ausgelebt haben.

Apropos Mode: Eure Outfits und Frisuren zollen dieser verrückt-bunten Zeit Respekt. Dabei bewerten Zeitzeugen ihre eigene Kleiderwahl oftmals als "modische Fehltritte". Tragt ihr also alles auch mit einer ironischen Distanz oder seht ihr die 80er-Mode zu Unrecht diffamiert?
Johannes: Weder noch. Wir tragen jedenfalls nichts ironisch. Vor allem auf der Bühne ist es für mich ein Gefühl der Freiheit, aus dem heraus man etwas verkörpern kann. Aus welchem Jahrzehnt da gerade welches Kleidungsteil kommt, spielt für uns eigentlich nicht wirklich eine Rolle.

Nun kommt nach viel Applaus zu Euren bisherigen Klein-Veröffentlichungen endlich das Album "Global" auf den Markt. Wie groß ist da der Druck, zu enttäuschen?
Florian: Wenn, dann hatten wir den Druck eher vor dem Albumprozess. Während der Arbeit daran hatten wir dann eigentlich viel Freude und jetzt sind wir stolz auf das, was wir gemeinsam geschaffen haben.
Manuel: Vor allem haben wir uns mit dem Album stilistisch bewusst einige Schritte von unserer Debüt-EP weiterbewegt. Von dem her hatten wir nie das Gefühl, etwas übertrumpfen zu müssen, sondern die Motivation, etwas Neues schaffen zu können.

Da gebe ich Euch recht. Zwischen der EP"Nachtschicht" und "Global" habt ihr einen musikalischen Wandel durchgemacht. Waren die ersten Songs noch stark Post-NDW-lastig, sind Stücke wie "Unterwasser" oder "Stadt am Draht" in ihrer Produktion eindeutig der Jetztzeit zuzuschreiben. Werden FLUT noch weitere stilistische Häutungen vornehmen?
Sebastian: Mehr Häutungen als jede Schlange in der Sahara! Immer das gleiche zu machen wird uns auf Dauer zu langweilig.
Johannes: Wir wissen aber noch nicht, in welche Richtung es gehen wird. Das kristallisiert sich dann immer im Laufe des Prozesses heraus. Es wird auf jeden Fall immer nach FLUT klingen, weil es immer wir Fünf sind, die gemeinsam Musik machen.  

Natürlich sind Eure musikalischen Verweise auf diesem Album überdeutlich: "Agent 08" erinnert fatal an "I Ran" von A Flock Of Seagulls, "Schlechte Manieren" könnte auch von solchen NDW-Heroen wie Steinwolke und Konsorten stammen, und "Alles" erinnert in seiner Coolheit an Klaus Lage. Bands und Künstler, die Euch auch während der Produktion begleitet haben?

Florian: Von den oben genannten eigentlich keiner. Das war eher vor unserer EP, wo wir uns extrem mit dieser Musik auseinandergesetzt haben.
Johannes: Für dieses Album gibt es aus unserer Sicht zumindest so gut wie keine Referenzen. Sicher hat die erwähnte Zeit vor unserer ersten Veröffentlichung musikalisch ihre Spuren hinterlassen. Bei "Global" waren wir aber mehr in unserer eigenen Wolke und haben uns nicht wirklich Gedanken über äußere Einflüsse gemacht.

"Agent 08" schneidet auch den damaligen Ost-West-Konflikt an. Wie bewertet ihr als Generation danach diese Teilung der Welt in zwei ideologische Systeme?
Johannes: Grundsätzlich sind wir froh, in einer Zeit großgeworden zu sein, in denen die Folgen der Wiedervereinigung zu spüren waren. Auch wenn gerade jetzt wieder vielmals eine Polarisierung und Frontenbildung zu spüren ist, die sich jedoch weniger auf zwei unterschiedliche Wirtschaftssysteme wie damals bezieht. "Global" soll auch dafür stehen, Grenzen nicht zu starr zu sehen und ewas Allumfassendes symbolisieren, das Unterschiedliches miteinander verbindet.

Letzten Endes ist "Global" aber vor allem ein Album voller Liebeslieder, positiv wie negativ. Wie bei "Regen", wo über eine verflossene Beziehung gesungen wird. Bleibt dieses Sujet nach wie vor spannend für Euch?
Johannes: Liebe ist ein unerschöpfliches Reservoir. Allerdings denke ich, dass vor allem Songs über Liebe viele weitere Facetten haben können und sich nicht immer auf einen Begriff reduziert werden müssen.
Sebastian: Es muss auch nicht zwingend immer um die Liebe zwischen zwei Menschen gehen, sondern kann allgemein über Gefühle, Zusammenleben und Emotionen handeln. Vielleicht wird es heute in gewisser Weise sogar wichtiger denn je, darüber zu singen. Wichtig ist, dass man dabei nicht nur Oberflächlichkeiten bedient, sondern in den Menschen gedanklich etwas auslöst.

Wie geht ihr beim Schreiben der Songs vor?
Sebastian: Wie es uns gerade dürstet. Das ist nie ganz gleich. Meistens geht die Rohmasse aus intuitivem Spielen mehrerer von uns hervor, wandert dann bald in den Computer und das kann sich dann oft abwechseln.
Johannes: Gleich ist dabei, dass immer das Kollektiv an der Entstehung von Songs dabei ist. Im Laufe der unterschiedlichen Wege bringt sich mit der Zeit jeder Einzelne in gewisser Weise mit seinen Talenten ein.

Ihr geht jetzt auch auf große Konzertreise. Wie viele Röhrenfernseher und Videorekorder werden auf der Bühne stehen?
Johannes: Tatsächlich gar keine! Das haben wir während unserer wilden Anfangszeit noch häufiger gemacht. Mit der Zeit haben wir das Hauptaugenmerk aber auf die Live-Performance von uns als Musiker gelegt, da das letzten Endes immer soviel Zeit und Kraft vor den jeweiligen Shows in Anspruch genommen hat.
Manuel: Wenn die Venues mal größer werden sollten, werden wir uns auf jeden Fall eine spannende Produktion überlegen. An Ideen mangelt es nicht!

|| INTERVIEW: DANIEL DRESSLER | DATUM: 01.10.2018 | KONTAKT | WEITER: FLUT "GLOBAL">

Webseite:
www.flut-musik.com

Fotos © FLUT

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