TIMBEAU "SENSITIV": GEFÜHLSECHT!
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Einfach Popmusik. So nennt Tim Bohner das, was er da macht. Solch eine Bahuptung erfordert aber mächtig Eier in der Hose. Denn was ist schwieriger und mit mehr Fallstricken versehen als das Erschaffen eines guten Pop-Songs? Das perfekte Zusammenspiel aus Kitsch, Wiedererkennungswert, Sprachgefühl und einer Prise tiefe Gedanken sind die Voraussetzungen. Am Ende muss das Kunststück gelingen, einerseits locker und flockig zu klingen, andererseits so viel Substanz zu besitzen, sodass man das Lied auch noch Jahre oder Jahrzehnte hören kann. Eine Band wie ABBA hat dies sicherlich perfektioniert.
Timbeau mit ABBA zu vergleichen, ist natürlich Schwachsinn - zumal sich der Mann bereits auf seinem Debüt "Wundersam" von anderen Bands, vornehmlich aus dem Japan-Pop-Kosmos, hat inspirieren lassen. In seinem Wunsch, nachhaltig schöne Nummern zu generieren, steht er den vier Schweden jedoch in nichts nach. Zumal er ein Feinmechaniker der Worte ist. Tim nutzt nicht bloß die deutsche Sprache, er spielt mit ihr und zelebriert, wie es die Presseinfo so schön schreibt, ihr "Cringe-Gefühl".
Kostprobe gefällig? "Ich trinke mehr, ich trinke mehr, ich trink am Meer, ja, hier besauf' ich mich." ("Urlaub") Unter fluffigen Synthieflächen, discoide Beats, sexy rollenden Bässen und sehnsüchtigen E-Gitarren offeriert der Musiker einen ganz eigenen sprachlichen Kosmos, der gewagt Metaphern zusammensetzt und am Ende dennoch ein sinniges Stimmungsbild erschafft. Schließlich geht es in "Sensitiv" nicht um Geschichten, sondern Gefühle, die so abstrakt und doch wieder konkret zum Leben erweckt werden.
Unter den sonnigen Sounds, die im Titelsong und dem Endstück "Katamaran" überraschend ins Punkige abdriften, finden sich aber auch Zeilen, die eine Botschaft in sich tragen. "Ich kann mich nicht verbiegen, nein, ich darf mich nicht verbiegen, ich seh' zu viele krumme Menschen, wäre ungern einer von ihnen." Ein klares Statement aus "Diorama", das den Individualismus propagiert und sich von einer gleichgeschalteten Gesellschaft deutlich distanziert.
Die Wahl des Albumtitels ist daher weise, denkt man bei "sensitiv" doch zuerst an Kosmetikprodukte für empfindliche Haut (und in zweiter Linie vielleicht auch an Präservative). Dem Ursprung des Wortes liegt das lateinische "sensus" zu Grunde, was zurückübersetzt "Empfindung", aber auch "Verstand" bedeutet. Womit wir das Album in seiner Aussage ziemlich scharf umreißen können: gefühlsechter Pop mit Sinn und Verstand.
||TEXT: DANIEL DRESSLER | DATUM: 28.01.25 | KONTAKT | WEITER: VA "GRENZWELLEN DREIZEHN" VS. VA "COLD TRANSMISSION SELECTED WORKS 2024">
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© || UNTER.TON | MAGAZIN FÜR KLANG- UND SUBKULTUR | IM NETZ SEIT 02/04/2014. ||
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